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Die Redaktion wünscht allen Müttern und Vätern ein besinnliches Weihnachtsfest mit ihren Kindern!

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Feminismus basiert auf der Verschwörungstheorie, Männer auf der gesamten Welt hätten sich kollektiv gegen die Weiber verschworen, um sie zu unter­drücken, zu benachteiligen, zu schlagen, zu ver­gewaltigen und aus­zu­beuten. Feministinnen bekämpfen Ehe und Familie, weil die bürgerliche Familie das Feindbild ist. Frauen werden kollektiv als Opfer inszeniert und Männer als Täter denunziert. So manifestiert sich ein Ressentiment gegen alles Männliche bis hin zum offenen Männerhass. Dies bewirkt eine tief­greifende Spaltung der Gesellschaft, die es zu überwinden gilt.

Norbert Bolz

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Norbert Bolz
Norbert Bolz.jpg
Geboren 17. April 1953
Beruf Autor, Philosoph
Twitter @NorbertBolz
Information icon.svg Man kritisiert abweichende Meinungen nicht mehr, sondern hasst sie einfach. Wer widerspricht, wird nicht widerlegt, sondern zum Schweigen gebracht.[1]
Information icon.svg Erkenne die Lage: Es herrscht kultureller Bürgerkrieg.[2]

Norbert Bolz (* 1953) ist ein deutscher Medien- und Kommunikations­theoretiker sowie Design­wissen­schaftler und Philosoph. Er lehrt als Professor an der Technischen Universität Berlin.

Bolz trat in Sendungen wie Das Philosophische Quartett[wp], ZDF-Nachtstudio[wp] und 3SAT-Kulturzeit[wp] auf. In Menschen bei Maischberger[wp] (23. Mai 2006) argumentierte er für eine klare Arbeitsteilung von Mann und Frau. In der TV-Sendung Anne Will[wp] vom 1. November 2009 plädiert Bolz für eine Stärkung des rechtsstaatlichen Prinzips, durch welches er die Freiheit des Individuums geschützt sieht. Gegen die von ihm als überwertig wahr­genommene, sozial­staatliche Gleichheits­forderung und eine etatistische Umverteilungs­politik wendet Bolz ein: "Es gibt zwei Pole in unserer Gesellschaft, die uns, dieses wunderbare Erfolgs­system Bundesrepublik, tragen: Das ist einmal der soziale Auftrag, der sozialstaatliche Auftrag. Und das ist der Rechtsstaat, der die individuelle Freiheit - vor allem auch gegenüber dem Staat - schützt. Wenn beides in der Balance ist, ist alles wunderbar - und das ist unseren Gründer­vätern tatsächlich lange Zeit gelungen diese Balance zu ermöglichen, dahin müssen wir zurück. Das bedeutet aber auch, dass wir auf keinen Fall die Freiheit opfern dürfen zugunsten von Gleichheit, also von egalitaristischen Maßnahmen (...) Das Problem, das wir haben, ist, dass es immer mehr Leute gibt, die anstelle der Chancen­gleichheit die Ergebnis­gleichheit setzen wollen. Und das ist allerdings radikal ungerecht ..." Er kritisiert insbesondere die gängige sozial­demokratische Metapher der "starken Schultern", die im Rahmen der sozial­staatlichen Ideologie einer höheren Belastung auszusetzen seien; es sei ein Irrtum zu glauben, man könne die Schwachen stärken, indem man die Starken schwäche.

Zitate

  • "Weiblichkeit wird prämiert, Männlichkeit diskriminiert." [3]
  • "Die Basis für Respekt ist heute nicht mehr Leistung, sondern Opferstatus." [4]
  • "Betreuer erzeugen den Fürsorgebedarf durch die Erfindung von Defiziten. Der Wohlfahrtsstaat fördert also nicht die Bedürftigen, sondern die Sozialarbeiter." [5]
  • "'Soziale Gerechtigkeit' als Umverteilung sorgt für die politische Stabilisierung der Unmündigkeit; sie bringt den Menschen bei, sich hilflos zu fühlen. Bei wohlfahrts­staat­lichen Leistungen muss man nämlich damit rechnen, dass der Versuch, den Opfern zu helfen, das Verhalten reproduziert, das solche Opfer produziert. Wer lange wohlfahrts­staat­liche Leistungen bezieht, läuft Gefahr, eine Wohlfahrtsstaats­mentalität zu entwickeln; von Kindesbeinen an gewöhnt man sich daran, von staatlicher Unterstützung abzuhängen. Und je länger man von wohlfahrt­staat­lichen Leistungen abhängig ist, desto unfähiger wird man, für sich selbst zu sorgen." [6]
  • "Buchstäblich geht es um eine Enthauptung der Familie, sofern nämlich der Vater traditionell als Oberhaupt der Familie verstanden wurde." [7][8]
  • "Geschichte wird heute so umgeschrieben, dass sie das Selbstwertgefühl von Minderheiten steigert." [9]
  • "Männer werden von der politischen Korrektheit auf weich und sensibel, Frauen auf kalt und berechnend programmiert." [8]
  • "Es gibt einen Maßstab, nach welchem man meine Ehe als patriarchalisch oder wie auch immer interpretieren könnte. Auf der anderen Seite kann man es auch als eine bestimmte Form von Arbeits­teiligkeit sehen. Und man könnte den Eindruck haben, dass das für alle Beteiligten einschließlich der Kinder das Optimale ist." [10]
  • "Ich bin mit zwei Sätzen aufgewachsen beziehungsweise sozialisiert worden: 'Es ist unverantwortlich, Kinder in die Welt zu setzen.' Und: 'Nie wieder Deutschland.' (...) Linkssein hieß, am Projekt der Abschaffung Deutschlands zu arbeiten. Und dieses Projekt ist tatsächlich sehr realistisch geworden." [10]
  • "[Es gibt einen] kalten Krieg zwischen den Kinderlosen und den Familienmenschen. Es gibt schlechterdings nichts zu sagen. Das ist mir klar geworden im Verhältnis zu meinen Freunden, die fast alle kinderlos sind. Es hat sich eine kulturelle Kluft aufgetan, die nicht mehr zu überbrücken ist. Es ging dabei weniger um Mythologien oder um Ideen, sondern um Habitualitäten, also um die Vorstellungen, wie etwa ein Abend strukturiert ist. Oder ob man beispielsweise einfach mal übers Wochenende Skifahren gehen kann. Dieses Auseinanderfallen der Lebenswelten ist unvermittelbar. Das zeigt sich natürlich auch darin, dass man sich ganz automatisch nur noch mit Menschen aus derselben Welt umgibt. Ich habe in Berlin das Gefühl, es gibt mittlerweile ganze Stadtviertel, wo man einigermaßen sicher sein kann, nicht auf Kinder zu treffen." [10]
  • "Der Geist der Demokratie verführt dazu, Gleichberechtigung mit Gleichartigkeit zu verwechseln. Dass es nicht mehr Herr und Knecht geben soll, wird dann so überinterpretiert, dass es auch keinen Unterschied zwischen Vater und Sohn oder zwischen Mann und Frau mehr geben soll. Alle Absurditäten des fanatischen Feminismus rühren also daher, dass einige Akademikerinnen nicht in der Lage sind, zwischen Gleichberechtigung und Gleichheit zu unterscheiden." [8]
  • "Der fanatische Feminismus akzeptiert die Unterscheidung von Mann und Frau eigentlich nur noch, um statistisch erfassbare Benachteiligungen zu markieren." [8]
  • "Die fanatischen Feministen heute wollen Gleichheit statt Freiheit, und zwar Ergebnisgleichheit statt Chancengleichheit." [8]
  • "Früher hat man Frauen diskriminiert, so gut ihre Leistungen auch waren. Heute werden Frauen gefördert, so schlecht ihre Leistungen auch sein mögen." [8]
  • "Wohl noch niemals in der Geschichte der Menschheit war das Verhältnis der Geschlechter so vergiftet wie heute." [8]
  • "Mit jedem Schritt der Gleichstellungspolitik entfernen wir uns weiter vom gesunden Menschenverstand, der einem sagt, was 'gut genug' ist." [8]
  • "Seit der vorsorgende Sozialstaat nicht mehr zwischen Wohltaten und Anrechten unterscheidet, können wir eine neue Spaltung der Gesellschaft durch die Ansprüche von Gruppen beobachten, die es gelernt haben, sich als Opfer dieser Gesellschaft zu präsentieren. Früher war die Leistung Grundlage der Wertschätzung, heute ist es die Benachteiligung." [8]
  • "Political Correctness stößt mich regelrecht ab, sie beleidigt meinen intellektuellen Stolz." [11]
  • "Das Wir spielt eine größere Rolle. Das Über-Sich-Hinausgehen machen die Menschen nicht mehr über die Religion. Heute kann dieses Über-Sich-Hinausgehen nur ins Soziale führen." [12]
  • "Der Staat glaubt besser zu wissen, was besser für die Bürger ist. Er belässt es nicht nur bei Schutz und Unterstützung. Er greift aktiv in die Lebensgestaltung ein." [12]
  • "Der Kapitalismus wird sich neu definieren in Richtung eines sorgenden Kapitalismus." [12]
  • "Der Fürsorgestaat erzeuge Unmündigkeit, jene Geisteshaltung, gegen die die Aufklärung eigentlich kämpfe. Man gibt Freiheit zugunsten von Versorgungs­sicherheit auf. Diese Tyrannei der Wohltaten erzeuge im Grunde genommen eine Sklaven­mentalität." [13]
  • "Zur Meinungsfreiheit gehört fundamental der Respekt vor Andersdenkenden." [14] (...) "Die Leute sind nicht mehr bereit, sich von der politischen Klasse und von besonders arroganten neuen Jakobinern, auch den Feuilletons, den Mund verbieten zu lassen." [15]
  • "Selbstverwirklichung ist das Opium aller Iche. Man berauscht sich an sich selbst - das Ich nimmt sich selbst als Droge. Anders gesagt: Weil die absoluten Iche der Moderne Bindung brauchen, wird die Individualisierung zur Religion. Was Individualität heißt, ist unter modernen Lebens­bedingungen allein Sache des jeweiligen Individuums. Es begründet sich zureichend in dem bloßen Anspruch, ein Individuum zu sein. Damit ist aber das humanistische Definitions­monopol des Menschen gebrochen. Jeder kann nun nach seiner eigenen Fasson 'menschlich' werden. In einer individualistischen Kultur gibt es weder ein Maß des Humanum noch ein Mehr an Menschlichkeit. Individualität kann man nämlich nicht steigern; sie ist ja immer Sache des Individuums." [16]
  • "Die Kaskade der Möglichkeiten des je eigenen Lebenslaufs lässt sich kaum andeuten. Und das gilt auch für die Beziehung zu anderen. Auch hier herrscht die Logik von Versuch und Irrtum. Die Ehe ist ein Beziehungstest nach dem Prinzip der Wahl­verwandtschaft; und die Scheidung versteht sich als Selbsterlösung aus der Beziehungsfalle. Und je mehr die Menschen den Sinn einer Ehe nicht mehr im Aufziehen von Kindern, sondern in der Verwirklichung ihrer Selbste suchen, um so wahrscheinlicher ist es, daß sie sich scheiden lassen." [17]
  • "Wer die Optionen Kinder oder Karriere abwägt, lernt rasch: Kinder machen mich auf dem Heiratsmarkt weniger begehrenswert; Karriere macht mich begehrenswerter. Je weniger Kinder man hat, um so leichter lässt sich die Ehe auflösen, und um so einfacher ist es für die Geschiedenen, neue Partner zu finden. Schon ein zweites Kind reduziert die Chance für eine zweite Ehe dramatisch." [18]
  • "So steht das Verhältnis von Arbeit und Familie heute auf dem Kopf: Im Büro fühlt man sich 'zu Hause', und zu Hause wartet die 'entfremdete' Arbeit. Die Arbeit wird gesellig, das Familienleben wird taylorisert." [19]
  • "Mit Ritalin und Prozac[wp] erzeugt man Political Correctness, nämlich Feministen und Softies." [20]
  • "Das verzögerte Erwachsenwerden, wie es früher nur für Studenten typisch war, ist zur Lebensnormalform geworden." [21]
  • "Man probiert mehr Partner aus; deshalb wachsen die Ansprüche an den Partner. Und damit wird es immer unwahrscheinlicher, dass sich passende Paare finden; folglich gibt es immer mehr Scheidungen und immer mehr Singles." [22]
  • "Ein Mädchen, das sich entscheidet, bis zur Hochzeit unberührt zu bleiben, erscheint uns heute komisch. Warum eigentlich? Nach dem bisher Gesagten muss die Antwort wohl lauten: weil es die Einheit von Sexualität, Liebe und Ehe repräsentiert. Genau diese Einheit nämlich hat die moderne Intimität zersetzt. Nicht nur Sexualität und Fortpflanzung sind entkoppelt worden, sondern auch Liebe und Ehe." [23]
  • "Die Erregung über Sarrazin und Sloterdijk[wp] ist doch keine Erregung der deutschen Bevölkerung, sondern es ist eine Erregung der Linksintellektuellen. Der Linksintellektuellen, die seit Jahrzehnten den Diskurs dominieren und die das ausgeprägt haben, was wir Political correctness nennen. Es ist eben nicht so, die Erregungslogik der Massenmedien funktioniert links wie rechts, das ist nicht wahr. Sondern sie haben einen massiven links geprägten Diskurs, mittlerweise auch sehr stark in den Massenmedien, vor allem in den Öffentlich-rechtlichen, und sie haben ihn vor allen Dingen in der so genannten Kultur und dieser Diskus ist in der Tat herausgefordert worden durch Leute wie Sloterdijk. Und das finde ich, ist eine interessante Provokation. Es geht eigentlich über das Thema der Lufthoheit über die deutschen Diskurse.
    Es sind massive Tabus. (...) Das sind alles und ausschließlich linke Tabus. (...) Man will gar nicht diskutieren, sondern man will Diskussionen blockieren. Das ist der Sinn von Tabus. Und der Jammer der deutschen Situation ist der, dass ausgerechnet die Linken zu den großen Tabumächten geworden sind. Also die, die früher Aufklärung betrieben haben, die die gekämpft haben für freie Meinung, überhaupt für Freiheit, das sind die großen Tabumächte unserer Zeit. (...)
    Ich glaube, das liegt darin begründet, dass die Linken sich in der Defensive sehen. Sonst würde ich auch die Heftigkeit dieser Diskussionen und der Reaktionen gar nicht verstehen können. Sie sehen, dass sie nicht mehr den Zeitgeist so unzweifelhaft diktieren können, wie noch zehn oder fünfzehn Jahre früher; und diese Situation, glaube ich, erklärt die eigentümlichen rhetorischen Eskapaden, die wir da erlebt haben. Und ich möchte es an einem simplen Beispiel mal klarmachen, wie diese Tabuisierung bestimmter Themen und Begriffe einhergeht mit einer Arroganz aus der Defensive heraus.
    Sie haben gerade die Minarett­abstimmung in der Schweiz erwähnt. Zu dieser Abstimmung in der Schweiz gab es in den Tagesthemen einen Kommentar des RBB mit der wunderbaren Pointe "Die Schweizer sollen sich schämen". Es sei eine Schande und ein Skandal für die Schweiz selber, dass die Schweizer denken wie sie denken (...) und offensichtlich muss man diesen Leuten heimleuchten. Diese unglaubliche Arroganz, die Abstimmung, die ein Volk trifft - ähnlich wie ja auch über die Europaverfassung in Irland und in anderen Ländern - sobald irgendjemand es wagt, und sei es ein ganzes Volk, abzuweichen von der Generallinie der Linken, wird eine unglaublich, auch (von den) Medien instrumentierte Rhetorik entwickelt, die im Grunde eine Volkspädagogik ist: Entweder ihr nehmt Vernunft an, nämlich unsere Vernunft, oder wir müssen euch Mores lehren[wp] und sei es sogar mit juristischen Mitteln."
    [24]
  • "Es gibt sehr viele Parallelgesellschaften in Deutschland, beispielsweise die Politiker, die meines Erachtens auch in einer Parallelgesellschaft leben. [...] Die Situation ist so, dass die Mehrheit der Bevölkerung dankbar dafür ist, dass ein Krawallmacher - nennen wir ihn meinetwegen einen Krawallmacher - endlich einmal Tabus durchstößt und Formulierungen wagt, die bei uns wirklich verboten sind. Wir leben weit entfernt von Meinungsfreiheit. [...] Zur Meinungsfreiheit gehört fundamental der Respekt vor Andersdenkenden. Und ich sehe nirgendwo auch nur den Ansatzpunkt eines Respekts vor dem, was andere, die nicht "politisch korrekt" denken, sagen und veröffentlichen. Und das fehlt unserer Diskussion dringend. Die Leute draußen merken das. Und ich kann es Ihnen voraussagen: Es werden immer mehr! Ich bin fest davon überzeugt, dass das eine Art Geschichtszeichen ist, dieses Buch von Sarrazin. Und zwar nicht weil es eine hohe Qualität hat, sondern weil es eine Auslöserfunktion hat. Die Leute lassen sich nicht länger für dumm verkaufen und sie lassen sich nicht länger zum Schweigen bringen. Das hat Sarrazin auf jeden Fall erreicht. Ob das nun geschickt war, ob das Krawall war, ob es vielleicht auch rassistisch war, spielt gar keine Rolle. Das entscheidende ist, dass die Leute nicht mehr bereit sind, sich von der politischen Klasse und von besonders arroganten Neuen Jakobinern[wp], auch in den Feuilletons, den Mund verbieten zu lassen. Und das ist ein riesengroßer Gewinn für unsere Gesellschaft." [25]
  • "Der Gesinnungsterror der politisch Korrekten ist eine Feind-Erklärung: Er stellt jeden liberal Denkenden in seiner Existenz in Frage." [26]
  • "Nach der Entnazifizierung kommt jetzt die Entmachoisierung. Die Verwandlung des Mannes in ein sorgendes Haustier. Letztlich geht es um die Ausrottung von Stolz und Ehrgeiz"[27]
  • "[In Skandinavien] ist die Sozialdemokratie keine Partei, die man wählen und wieder abwählen kann, sondern eine Art Volksreligion, ein Fundamentalismus des Gutmenschentums." [28]
  • "Weder Natur noch Kultur sprechen für Gerechtigkeit. Die Natur nicht, denn nicht alle Frauen sind gleich schön; nicht alle Männer sind gleich kompetent. Aber auch die Kultur nicht, denn sie hat sich immer nur unter Bedingungen ungerechter Besitz­verteilung entfaltet. All das klingt deprimierend, und die moderne Gesellschaft neigt dazu, weiteres Nachfragen zu verbieten. Gene, Intelligenz und Rasse sind die Tabus unserer Zeit - wie Sex im Viktorianischen England. Mit anderen Worten, archaisches Erbe, genetische Determination, angeborenes Verhalten und Geschlechtsrolle sind die Skandale der egalitären Gesellschaft. Geist, Schönheit, Stärke, Geschicklichkeit, Talent, Fleiß - all das ist ungleich verteilt und läßt sich nicht umverteilen." [29]
  • "Nicht Armut, sondern soziale Knappheit und erlernte Hilflosigkeit sind die zentralen Probleme der westlichen Welt. Deshalb erwarten die Bürger ihre Lösung auch nicht von der Wirtschaft, sondern vom Staat. In der Demokratie sind alle Bürger unabhängig und schwach. Zunehmend mischt sich der Staat auch in die gering­fügigsten Angelegenheiten der Bürger ein. Er sorgt für die Gesundheit, die Arbeit, die Erziehung und Bildung seiner Bürger. Aber er sorgt auch für unsere geistige Gesundheit und flößt uns die korrekten Gefühle und Ideen ein. In den modernen Massen­demokratien sind die Regierenden keine Tyrannen mehr, sondern Vormünder. Und die Regierten bewegen sich im Hamsterrad der kleinen Lüste und Vergnügungen gleich, einförmig und rastlos." [30]
  • "Alle Sozialleistungen, an die wir uns gewöhnt haben, nehmen die Form von Rechtsansprüchen an. Dadurch verwandeln sich alle Unfälle in Sozialfälle. Eine Politik, die davon lebt, kann dauerhaft natürlich nur betrieben werden, wenn die Gesellschaft ständig Ungleichheit produziert bzw. die Empfindlichkeit für Unterschiede steigert. Diese wachsende Abweichungs­empfindlichkeit hat ihren Preis. An die Stelle von Freiheit und Verantwortung treten Gleichheit und Fürsorge." [31]
  • "Wir müßten begreifen, daß das Wort 'sozial' selbst keinen juristischen Sinn hat, sondern ein rein politischer Zielbegriff ist, der vor allem auf die Güterverteilung bezogen ist. Der Kern des Rechtsstaats ist die Verfassung, die gewährleistet, der Kern des Sozialstaats ist die Verwaltung, die gewährt. Diese Spannung kann man nicht abbauen, sondern nur institutionalisieren. Und aus all dem folgt für unser Thema: Man sollte die Entzweiung von Rechtsstaat und Sozialstaat positivieren, statt sie durch den Tabubegriff der 'sozialen Gerechtigkeit' zu verdecken. An der Gerechtigkeit muss man arbeiten wie an einem Mythos. Und hier ist der Bürger der Held." [32]
  • "Der Gutmensch begünstigt die Benachteiligten, diskriminiert zugunsten der Marginalen - und konsumiert dabei das Hochgefühl der Nicht­diskriminierung. Politisch schlägt sich das darin nieder, dass Minderheiten und Benachteiligte immer mehr Rechts­ansprüche auf staatliche Leistungen bekommen. (...)
    Heute vollendet sich die Herrschaft der Minderheiten. Wer am Rand steht, auffallend anders ist oder nicht mitkommt, bekommt immer mehr Rechts­ansprüche auf staatliche Leistungen. Der Begriff der 'sozialen Gerechtigkeit' bezieht sich eben primär auf die Schwachen und Unterlegenen unserer Gesellschaft. (...) Der Wohlfahrtsstaat prämiert den Mangel. Wer ein Handicap vorweisen kann, sichert sich sozialstaatlichen Beistand. Der Soziologe Heinz Bude meint sogar: 'Es erweist sich als eine fürs Überleben dienliche Cleverneß, sich einen wie auch immer gearteten Behinderten­status zuzulegen.' (Heinz Bude, Die Ausgeschlossenen, 2008, S. 112). So entwickelt sich ein regelrechter Wettbewerb um den Status des Benachteiligtseins. Und den Menschen mit Handicap stehen immer mehr Berater zur Seite, die einen immer größeren Fürsorgebedarf durch die Erfindung von Defiziten erzeugen. Prinzipiell kann man sagen: Je mehr Berater und Therapeuten es gibt, desto mehr wird die Welt vom einem Gefühl der Benachteiligung gerahmt."
    [33]
  • "Der Wohlfahrtsstaat ersetzt die Caritas[wp] durch politische Rechte auf bestimmte Lebensstandards. Die Regierung verschenkt also Ansprüche und Rechte, die wiederum nur durch Regierungshandeln eingelöst werden können. So sind wir unterwegs vom Rechtsstaat zum Berechtigungsstaat.
    Die neue sozialistische Strategie besteht darin, neue 'Rechte' zu erfinden, die es dem Staat ermöglichen, sich ins Privatleben einzumischen. Mit jedem neuen 'Recht' verschafft sich die Regierung nämlich Zutritt zu unserem Privatleben. Ein unbeliebiges Beispiel: 'Rechte für Kinder'. Das ist wohl nicht einmal gut gemeint, aber es klingt sehr gut. Doch wer sich von dem Sirenengesang der Politischen Korrektheit nicht betören lässt, erkennt rasch, dass 'Rechte für Kinder' nur heißt: Verstaatlichung der Kinder. Kinderrechte entfremden die Kinder ihren Eltern und unterwerfen sie dem Staat."
    [34]
  • "Unsere Ehrfurchtssperre vor dem Begriff der 'sozialen Gerechtigkeit' ist heute so mächtig, dass man schon zu theologischen Begriffen greifen muß, um sie zu analysieren. Die Religion der 'sozialen Gerechtigkeit' herrscht uneingeschränkt über die Seelen der Massendemokraten, die längst den Weg vom Seelenheil zum Sozialheil zurückgelegt haben. Und 'reaktionär' heißt nun jeder, der nicht zur Glaubensgemeinschaft der Sozialreligion gehört." [35]
  • "Die Sakralisierung der Gerechtigkeit zerstört die Freiheit individueller Entscheidungen. Friedrich von Hayek hat den Begriff der 'sozialen Gerechtigkeit' deshalb als das Trojanische Pferd des Totalitarismus bezeichnet. Und auch wer diese Formulierung für überzogen hält, kann aus dem Bild des Trojanischen Pferdes einen Erkenntnis­gewinn ziehen. Denn auch die bürgerlichen Parteien präsentieren ihren Wählern mittlerweile 'soziale Gerechtigkeit' als ein Geschenk - ohne zu ahnen, dass in seinem hohlen Innern die Agenten des Sozialismus stecken." [36]
  • "Längst haben die Funktionäre der Politischen Korrektheit die Stellen der sozialen Kontrolle dessen besetzt, was als diskutabel gilt. Damit koppeln sie die Moral vom gesunden Menschenverstand ab. Der Politischen Korrektheit geht es nicht darum, eine abweichende Meinung als falsch zu erweisen, sondern den abweichend Meinenden als unmoralisch zu verurteilen. Man kritisiert abweichende Meinungen nicht mehr, sondern hasst sie einfach." Dadurch entstehe ein Prozess des Zum-Schweigen-Bringens der abweichenden Meinung. Bolzs Ansicht nach haben selbst viele Professoren heute nicht mehr den Mut, gegen eine verbreitete Meinung aufzustehen und etwas anderes zu behaupten. "Man stelle sich vor, jemand würde sagen: Die Klimapolitik ist das Produkt einer politischen und medialen Angstindustrie, die uns Hilflosigkeit beibringt und unsere Unsicherheit ausbeutet ... Würde jemand derartiges äußern, dann wäre das Urteil der Öffentlichkeit klar: ein Reaktionär [jemand, der nicht mehr zeitgemäß ist]." Bolz ist völlig klar, was dem heute blüht, der selber denkt und die Ergebnisse auch sagt oder schreibt: Um diesen Menschen wird es schnell einsam, weil man mit ihm nichts mehr zu tun haben möchte: "Es geht um den Mut zur Wahrheit und die Freiheit, nein zu sagen. Dazu sind Tugenden erforderlich, die nicht zufällig sehr antiquiert klingen: Freimut und Redlichkeit, Leidenschaft und Enthusiasmus, vor allem aber auch Eigensinn. In den Parlamenten wird man danach genau so vergeblich suchen, wie in den Redaktionen und Fakultäten. Denn Karrierepläne vertragen sich heute nur schlecht mit diesen Tugenden." Für Bolz ist unter anderem das der Grund, warum es keine großen Denker mehr gibt: "Niemand wagt es, einem unabhängigen Gedankenzug zu folgen ... Abweichende Meinungen, die sich noch aus der Deckung wagen, werden sozial bestraft." [37]
  • "Noch nie gab es so viel konkrete Freiheit wie heute in der westlichen Welt. Gleichzeitig war unser Denken noch nie so eindimensional, ja versklavt. Die Lieblingsformel der politischen Klasse There is no alternative! scheint in alle Lebens­sphären einzudringen und unseren Geist zu blockieren. Gerade dort, wo das Denken gepflegt werden sollte, werden aus jungen, frischen Geistern Trivialmaschinen gemacht: an der Schule durch Pisa und an der Universität durch Bologna. Die Intellektuellen, die doch eigentlich dafür bezahlt werden, dass sie frei lesen, schreiben und denken, betätigen sich derweil als Gefälligkeitswissenschaftler der Regierung oder kultivieren unter dem Titel Politische Korrektheit ihre Ressentiments. Nichts tut unserer Zeit so dringend not wie der Mut zur Wahrheit, den man einmal Philosophie nannte." [38]
Zitat: «Dieser Führer ist heute Vater Staat. Wir beobachten die Wiederkehr des paternalistischen Obrigkeits­staats unter dem Namen des vorsorgenden Sozialstaats. Der vorsorgende Sozialstaat operiert mit drei Kurzfehlschlüssen: er schließt von Ungleichheit auf Benachteiligung, von Benachteiligung auf soziale Ursachen und von sozialen Ursachen auf paternalistische Maßnahmen. Damit übernimmt er die Gesamtverantwortung für die moderne Gesellschaft und besetzt souverän die Spitzenposition. Deshalb darf man sich nicht wundern, wenn Politiker zum Größenwahn neigen. (...)
Paternalismus ist die Rückseite der Emanzipation. Der Staat schützt den Einzelnen vor sich selbst, das heißt er behandelt ihn als unmündig, weil der unemanzipierte Mensch noch nicht weiß, was gut für ihn ist. (...)
Der paternalistische Staat bildet also den Hintergrund aller modernen Emanzipationen. Wir haben es hier mit einer handfesten Paradoxie zu tun: In den Befreiungen bekundet sich die Liebe zur Sklaverei. Auch als er noch nicht so hieß, hat der vorsorgende Sozialstaat die neuen Untertanen gezüchtet - die betreuten Menschen. Man bekommt diese bittere Wirklichkeit gut in den Blick, wenn man mit Helmut Schelskys[wp] einfacher Unterscheidung zwischen "selbständig" und "betreut" operiert. Ihr grelles Licht entstellt den Paternalismus der Sozialingenieure zur Kenntlichkeit.» - Norbert Bolz[39]
Zitat: «Verlieren können ist unglaublich wichtig. Bei nichts anderem kann man seinen Charakter besser bilden. Das merkt man an den eigenen Kindern, wenn die Tränen beim "Mensch ärgere dich nicht" kullern. Das Problem ist, dass das Verlieren in der realen Welt vor lauter Gleichberechtigung nicht mehr vorgesehen ist. Wir leben schon lange in einer Welt, in der für Triumph­gefühle und heroisches Erdulden, aber auch für Ruhm und Ehre kein Platz ist. Man darf nicht mehr siegen, wie eine Lehrerin in der Schule mal gesagt hat: Ihr dürft zwar Fußball spielen, aber wir zählen die Tore nicht. Was für ein Unsinn! Denn genau darum geht es im Spiel: um Sieg oder Niederlage.» - Norbert Bolz[40]
  • "Ein Denker muss heute so viel Mut haben wie früher ein Krieger." [41]
  • "In der Welt des Geistes gibt es keine Durchschnittswerte, sondern nur die Superstars - und ihr Publikum." [42]
  • "Wir leben nur dann in Freiheit, wenn jeder auch seines Unglücks Schmied sein darf." [43]
  • "Das medienpolitische Ziel der Gutmenschen ist es, den Rest der Bevölkerung mundtot zu machen." [44]
  • "Politische Korrektheit läuft auf das Verbot hinaus, irgendetwas als normal zu betrachten." [45]
  • "Political Correctness ist Heuchelei als Programm." [46]
  • "Alles, was man über die Gutmenschen wissen muss, steht in Hegels Kapitel über die Tugend und den Weltlauf." [47]
  • "Der Münchhausen-Trick der Gutmenschen: Indem sie moralisieren, ziehen sie sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf." [48]
  • "Wer heute politisch erfolgreich sein will, muss sich entweder in die Rolle des Opfers oder in die des Anklägers manövrieren." [49]
  • "Der "Kampf gegen Rechts" ist ein Kampf gegen den längst besiegten Feind von gestern, der es möglich macht, den Feind von heute zu ignorieren." [50]
  • "Alles, was man über die Generation Greta wissen muss, steht heute in der NZZ." [51]
  • "Demokratie ist die Aristokratie derer, die Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Medien haben." [52]
  • "Die christlichen Kirchen gehen an ihrer theologischen Anspruchslosigkeit zugrunde." [53]
  • "Die politisch-mediale Elite löst unsere Probleme, indem sie diejenigen zum Schweigen bringt, die diese Probleme benennen." [54]
  • "Alle namhaften Experten unterstützen die Regierungs­politik, weil man nur zum namhaften Experten wird, wenn man die Regierungspolitik unterstützt." [55]

Veröffentlichungen

Bücher

  • Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau., Fink 2009, ISBN 3-77054797-7 (Auszüge)
  • Die Helden der Familie. Fink 2006, ISBN 3-77054330-0 (Auszüge)

Artikel

Reden

Interview

Ein Twitter-Gespräch mit dem Medienphilosoph Professor Norbert Bolz über Informations­blasen und die Freiheit der Meinung und Wissenschaft
Herr Professor, ist die Meinungsfreiheit hierzulande gefährdet?
Ich finde schon. Abweichende Meinungen werden moralisch sanktioniert. Wer nicht mit dem Mainstream schwimmt oder treibt, dessen eigene moralische Integrität wird infrage gestellt, auch wenn das Thema mit Moral nichts zu tun hat. Viele Themen werden nur noch so behandelt.
Können Sie da welche nennen?
Man denke nur an das Flüchtlings­thema. Oder Europa. Oder Trump. Man kann da eigentlich nur noch eine Meinung äußern. Die Möglichkeiten, andere Meinungen zu artikulieren, sind sehr begrenzt. Dasselbe bei der Energiewende. Je größer das politische Thema ist, umso schwieriger ist es, eine abweichende Meinung zu formulieren.
Leben die Menschen nur noch in ihren Informations­blasen? In den USA will nachweislich ein Drittel der Bevölkerung von anderen Meinungen oder Medien, die andere Meinungen vertreten, nichts mehr wissen.
Das ist so. Eine Blase ist der Mainstream, eine andere sind die Paranoiker, also die Blase der Verschwörungstheorien. Ein freier Meinungs­austausch findet jedenfalls nicht mehr statt.
ARD und ZDF haben zur Klärung der Begriffe in den Redaktionen eine Handreichung, genannt Framing, in Auftrag gegeben. Das hat Diskussionen ausgelöst. Ist das Framing der öffentlich-rechtlichen Medien auch eine Blase?
Im Grunde ja. Mit dieser Form der Sprachregelung wird die orwell'sche Utopie vom Neusprech Wirklichkeit. Das ist die Produktion von Bewusstsein durch Sprachpolitik und gehört in das große Thema der politischen correctness. Man will das Denken prägen im Sinne des von den öffentlich-rechtlichen Medien propagierten Mainstreams.
Ist das nicht durchschaubar?
Natürlich, weil es zu offenkundig daherkommt. Aber gerade das führt auf Dauer zu der kognitiven Dissonanz[wp], die Lion Festinger[wp] für die großen Themen unserer Zeit prognostiziert hat. Denn dieses Framing ist ja auch ein Framing von Wert­vorstellungen. Negativ definierte Werte darf man nicht teilen oder man stellt sich außerhalb des vorgegebenen Rahmens. Das ist klassische Manipulation. Und sie ist so plump, daß man sich nicht wundern sollte, dass das Misstrauen gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen wächst.
Was macht sie so plump?
Die unheilvolle und sichtbare Nähe zwischen Journalisten und Politik, die offenkundige Überlagerung und Deckungs­gleichheit zwischen der politischen correctness und der Informations­politik der politischen Klasse.
Trotzdem schauen viele noch die Tagesschau oder das Heute-Journal.
Ja, aber es sind zu viele Skandale passiert, die das Vertrauen zerstört haben. Nicht nur im Fernsehen. Der vorläufige Höhepunkt war der Skandal namens Relotius. Es gibt ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber den Journalisten, man glaubt ihnen nicht mehr.
Gibt es überhaupt Alternativen? Das Netz eröffnet Wege in die große Freiheit, heißt es. Immerhin ermöglicht es Parallel-Öffentlichkeiten, um Zensur zu umgehen. Ist das so?
Grosso modo ja. Ich persönlich könnte mir kein Bild mehr von der Welt machen, wenn die Informationen der Öffentlich-Rechtlichen nicht immer wieder durch das Netz relativiert würden. Das Netz ist für mich die wichtigste Informations­quelle. Durch geschicktes Navigieren kann man sich befreien und aus der Knechtschaft[wp] der klassischen Massenmedien ausbrechen. Viele meiner Studenten informieren sich nur noch im Netz.
Was heißt geschicktes Navigieren? Können Sie da einen Tipp geben?
Ich bin ein großer Fan von Twitter. Zwar folge ich nur wenigen, aber intelligenten Leuten, deren Urteil und Analysen ich sehr schätze. Sie sind für mich vertrauens­würdig. Und sie weisen mit Links auf Artikel und Publikationen hin, die ich sonst nie lesen würde. Man verlässt sich am besten auf seinen gesunden Menschen­verstand. Der sagt immer noch, was richtig oder falsch, zuträglich oder abträglich, hässlich oder schön ist.
Wo ist der gesunde Menschen­verstand besonders nötig?
Es fehlt heute nicht an Informationen, auch nicht im Netz. Über die unheilige Allianz zwischen Medien und Politik haben wir gesprochen, die gibt es auch im Netz. Sorge bereiten mir dagegen die neoreligiösen Bedürfnisse, sie schalten das Denken aus, zum Beispiel der Greta-Wahn oder das Essen als Religions­ersatz. In diesen pseudo­religiösen Bewegungen sehe ich Gefahren für die Gesellschaft.
Die Wahrheit wird Euch frei machen, heißt es bei Paulus. Ist Wahrheit noch ein Begriff, mit dem moderne Gesellschaften und ihre Netzwerke etwas anfangen können?
Nicht nur die Netze, die Moderne selbst kann mit dem Begriff nichts mehr anfangen. Evidenzen werden nicht mehr akzeptiert, Wahrheit ist Privatsache geworden. Die Wahrheit wird ersetzt durch Hypothesen. Das ist letztlich Konstruktivismus[wp]. Der liefert aber nur kleine Autonomien.
Gilt die alte Definition nicht mehr, wonach Wahrheit die Enthüllung der Wirklichkeit, die Über­einstimmung des Denkens mit den Dingen ist?
Wohl dem, der in seinem Glauben fest steht, so dass er klare Kriterien hat für Erkenntnis und Orientierung in der Welt. Aber diese Definition des Thomas von Aquin[wp] stammt eben aus dem Mittelalter. Das war buchstäblich eine andere Welt. Der Konstruktivismus ist eine kopernikanische Wende in der Geistes­geschichte. Er hat das Kontingenz­bewusstsein ersetzt durch ein Hypothesen­denken. Das ist nichts anderes als der Verzicht auf die Wahrheit, was mit Kant[wp] begonnen hat, Kant ist schon ein Konstruktivist. Es gibt in unserer Zeit nur wenige Denker, die das erkennen und dem widersprechen. Ratzinger[wp] ist einer von ihnen.
Leben wir in Fiktionen?
Ja, genau. Aber die lebens­notwendigen Funktionen reichen offenbar den Menschen. Solange der Betrieb, das System läuft, solange wird nicht hinterfragt.
Und die Wissenschaft, fragt sie nicht nach befreienden, wahrhaftigen Erkenntnissen?
Es gibt keine allgemein­gültigen Standards mehr für wissenschaftliche Erkenntnisse. Jede Wissenschaft konstruiert heute ihre eigene Welt. Der Konstruktivismus wird immer radikaler.
Gibt es überhaupt noch einen Konsens in der Gesellschaft außer der Straßen­verkehrs­ordnung?
Nein, jedenfalls nicht im Sinn von positiven Werten. Wir sind uns nur noch einig, was wir nicht wollen. Die negative Wertegemeinschaft reicht uns, wir grenzen nur noch aus. Diese Gesellschaft kann nur noch abwehren. Die Straßen­verkehrs­ordnung ist geradezu ein Parade­beispiel. Ihr Regelwerk besteht aus Verboten, es ist ein negativer Konsens. Wer ihn verlässt, der wird bestraft.
Und die Freiheit als Wert? Die Gewissens­freiheit als Mutter aller Freiheiten?
Auch darüber gibt es keinen Konsens mehr. Gerade die Meinungsfreiheit wird als oberer Wert de facto nicht mehr anerkannt, denn viele Meinungen werden tabuisiert. Siehe oben. Es ist gefährlich, wenn man eine falsche Meinung hat, dann gerät man leicht in den Bann der Oberlehrer der Nation.
Keine allgemein anerkannte Wahrheit, kein positiver Wertekonsens, keine Freiheit - läuft das nicht auf Anarchie hinaus?
Nein, weil die einzelnen Teilsysteme funktionieren. Es gibt auch genügend gebildete Menschen, die diese Systeme am Laufen halten. Zwar werden es weniger und die Zahl der Dumm- und Quatsch­köpfe steigt, aber das bleibt erträglich, weil wenige Menschen ausreichen, um diese Gesellschaft in vernünftigen Bahnen zu halten. Ich bin da auch optimistisch, vor allem mit Blick in die Wirtschaft und die Technik. Das sind die Bereiche, wo einzelne mit Privat­interessen und Karriere­perspektiven - das sind die ausschlag­gebenden Fakten - die Welt gestalten und Freiheit weiter ermöglichen.
iDAF[60]

Gespräche

  • Youtube-link-icon.svg Der Westen kämpft gegen sich selbst - Jasmin Kosubek (12. März 2023) (Länge: 56:40 Min.)
    Prof. Norbert Bolz ist Philosoph, Medien- und Kommunikations­wissenschaftler, Buchautor, emeritierter Professor der TU Berlin, leidenschaftlicher Twitterer und alter weißer Mann. Sein jüngstes Werk handelt von Letzterem. Der alte weiße Mann als Sündenbock der Nation. In dem Buch beschreibt Bolz wie alt, weiß und männlich für Tradition, Aufklärung und eine gewisse "normale" Ordnung stehen. Eine Ordnung, die heute in Frage gestellt wird. Im Interview beschreibt Bolz, warum der Kolonialismus ein Segen war und wie der Westen die Kunst der Selbstkritik entwickelt hat. Diese Kunst richtet sich nun gegen den Westen selbst. (Über: Kulturkampf, Deutungshoheit, emotionale Inkontinenz)
  • Youtube-link-icon.svg Die Spaltung der Gesellschaft war selten so groß - Viertel nach Acht - BILD (6. Oktober 2022) (Länge: 15:00 Min.)
  • Burkhard Müller-Ullrich[wp]: indubio - Mainstream der Unerbittlichkeit, AchGut-Blog am 19. Juli 2020 (47:35 Min.)
    Der Medienwissenschaftler Professor Norbert Bolz in Berlin sowie die Publizisten Jürgen Liminski (zur Zeit in der Bretagne) und Chaim Noll[wp] (in der israelischen Negev-Wüste) diskutieren mit Burkhard Müller-Ullrich über den Geheimkrieg zwischen Israel und Iran, über Cancel Culture und Deplatforming[wp], über mangelnden Mut und Epidemie-Hysterie, über das 70-jährige Bestehen des regierungs­frommen Zentralrats der Juden in Deutschland[wp] sowie über die Zustände in Frankreich, wo nicht nur die Kathedrale von Nantes in Brand gesteckt wurde.

Einzelnachweise

  1. Norbert Bolz: Debatte: Die neuen Jakobiner, Focus am 13. September 2010 (Der Gesinnungsterror der politisch Korrekten ist eine Feind-Erklärung: Er stellt jeden liberal Denkenden in seiner Existenz in Frage.)
  2. Twitter: @NorbertBolz - 30. Aug. 2019 - 10:12 Uhr (Norbert Bolz - Die Wahrheit in einem Satz)
  3. Michael Klonovsky und Alexander Wendt[wp]: Gesellschaft: Benachteiligt? Wer denn?, Focus am 14. September 2009 (Faktisch ist die Emanzipation beendet, Frauen haben sogar auf vielen Gebieten die Männer überholt. Dennoch reißt die Klage über Frauen­unter­drückung nicht ab - als sicheres Mittel der Machtausübung.)
  4. Twitter: @NorbertBolz - 20. Apr. 2016 - 10:44 Uhr
  5. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau., 2009, S. 17, S. 99
  6. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 100-101
  7. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 63
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 8,5 8,6 8,7 8,8 Es lebe der Geschlechtsunterschied!, Die Presse am 5. März 2011
  9. Twitter: @NorbertBolz - 14. Apr. 2016 - 02:24 Uhr
  10. 10,0 10,1 10,2 Norbert Bolz, in: Modernes Leben: "Mehr Steuern für Kinderlose!", Focus am 6. März 2006
  11. Abschied von der Aufklärung, Telepolis am 14. Dezember 2004
  12. 12,0 12,1 12,2 "Der neue Schauplatz des Kapitalismus ist das Soziale selber.", Interview mit Norbert Bolz, Gastredner auf dem Trendtag 2009 zum Trendtagsthema Sozialer Reichtum, 25. Januar 2009
  13. Norbert Bolz, der elitäre Aufklärer, 11. August 1992
  14. Youtube-link-icon.svg Anne Will (ARD am 5. September 2010 um 21.45 Uhr) (Länge: ab 1:31 Min.)
  15. Youtube-link-icon.svg Anne Will (ARD am 5. September 2010 um 21.45 Uhr) (Länge: ab 2:17 Min.)
  16. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 32-33
  17. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 34
  18. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 45-46
  19. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 65
  20. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 84
  21. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 86
  22. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 86
  23. Norbert Bolz: Die Helden der Familie, 2006, S. 87
  24. Wie zu reden sei. Öffentliche Streit- und Konsenskultur., (Das Kulturgespräch) Deutschlandradio am 11. Dezember 2009
    Youtube-link-icon.svg Prof. Norbert Bolz (u.a. mit Ulrike Draesner) zur Political Correctness, Peter Sloterdijk, Thilo Sarrazin, linke Medien, Intoleranz und direkter Demokratie (Länge: 10 Min.) , Kopie: Youtube-link-icon.svg Norbert Bolz über linke Medien und deren Sprechverbote
  25. Youtube-link-icon.svg Norbert Bolz zur Sarrazin-Debatte - Anne Will[wp] (ARD am 5. September 2010 um 21.45 Uhr) , vgl. Sarrazin-Debatte bei "Anne Will": Jetzt geht's erst richtig los, Spiegel am 6. September 2010
  26. Debatte: Die neuen Jakobiner, Focus am 13. September 2010
  27. Zitat aus dem Blog-Beitrag von Michael Klonovsky: "Der Held. Ein Nachruf"
  28. Norbert Bolz: Verstaatlichung der Kinder, Die Welt am 6. April 2006
  29. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 12
  30. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 16
  31. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 18
  32. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 19
  33. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 91
  34. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 92
  35. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 93
  36. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 93-94
  37. Prof. Norbert Bolz in seinen Essay "Wer hat Angst vor der Philosophie?" für das 2. Programm des Südwestfunks: Freies Denken wird Schritt für Schritt, systematisch zerstört.
  38. "Wer hat Angst vor der Philosophie?", SWR2 Essay am 23. Januar 2012 um 22.05 Uhr
  39. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 98-99
  40. Norbert Bolz: Erfolgreiche Typen sind immer Spielertypen, Wirtschaftswoche am 24. Januar 2015 (Interview)
  41. Twitter: @NorbertBolz - 22. Nov. 2015 - 03:17 Uhr
  42. Twitter: @NorbertBolz - 22. Nov. 2015 - 03:15 Uhr
  43. Twitter: @NorbertBolz - 22. Nov. 2015 - 03:08 Uhr
  44. Twitter: @NorbertBolz - 13. Nov. 2015 - 10:12 Uhr
  45. Twitter: @NorbertBolz - 30. Juni 2016 - 09:57 Uhr
  46. Twitter: @NorbertBolz - 30. Juni 2016 - 09:58 Uhr
  47. Twitter: @NorbertBolz - 30. Juni 2016 - 09:59 Uhr
  48. Twitter: @NorbertBolz - 7. Juli 2016 - 23:10 Uhr
  49. Twitter: @NorbertBolz - 25. Sep. 2018 - 09:01 Uhr
  50. Twitter: @NorbertBolz - 25. Sep. 2018 - 09:02 Uhr
  51. Twitter: @NorbertBolz - 29. Aug. 2019 - 23:12 (Norbert Bolz - Die Wahrheit in einem Satz)
  52. Twitter: @NorbertBolz - 12. Nov. 2020 - 17:08 Uhr
  53. Twitter: @NorbertBolz - 11. Nov. 2020 - 18:55 Uhr
  54. Twitter: @NorbertBolz - 13. Mai 2021 - 19:39 Uhr
  55. Twitter: @NorbertBolz - 16. Feb. 2022 - 12:58 Uhr
  56. Anreißer: Ein Teenager reist um die halbe Welt, um die ganze Welt zu retten. Und die Medien reisen mit. Doch Zweifel schleichen sich ein - welches ist genau Greta Thunbergs Mission?
    Auszug: Schon Nietzsche hat vermutet, dass wir in einer Gesellschaft der Notsüchtigen leben - nichts ist uns nötiger als Nöte, sichtbare Unglücke. Und gerade die lustvolle Unbetroffenheit durch das Leid dort draussen fordert komplementär die "Betroffenheit" als Attitüde. Man konsumiert die Sensationen des Unheils und die Szenen des Protests. Und überall, wo Protest die Reflexion ersetzt, sind die Massenmedien zur Stelle. Sie machen uns zu Zuschauern der Prime-Time-Aktivisten, die unsere Zukunft als Drohung verkörpern. - Das Zeitalter der Massenmedien ist deshalb das Zeitalter des Entrüstungs­pessimismus und der Angst­rhetorik. Die Bedenkenträger und Betroffenheits­darsteller, die hier den Ton angeben, sind Moral­unternehmer. Sie machen auf dem Markt der Gefühle Geld mit der Angst der anderen. In der Welt der Warner und Mahner wird die Apokalypse zur Ware. - Angst erweist sich dabei als erfolgreichster Kommunikations­modus, denn die Angstrhetorik ist unwiderlegbar. "Ich habe Angst" - authentischer geht es nicht. So erfindet der Humanismus der Massen­medien die Menschheit als Gemeinschaft der Ängstlichen.
    So wie in den 1960er und 1970er Jahren revolutionäres Klassen­bewusstsein produziert wurde, wird heute apokalyptisches Umwelt­bewusstsein produziert - die Bewusstseins­industrie hat von Rot auf Grün umgestellt. Und wie damals die Roten, so beuten heute die Grünen das Schuld­bewusstsein der westlichen Kultur aus. Die Theologie des Weltuntergangs ist durch die Ökologie des Weltuntergangs ersetzt worden.
  57. DDR 2.0 - Medienwissenschatler Norbert Bolz über die "Macht der Medien und die Ohnmacht der Vernunft", Epoch Times am 27. Juni 2019 (Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz sprach als Gastredner bei der "Desiderius-Erasmus-Stiftung" über die "ungeliebte Freiheit der anderen Meinung" und den fehlenden Diskurs zu den vorherrschenden Problemen in Deutschland.)
  58. YouTube-Beschreibung: Der renommierte Medienwissenschaftler Norbert Bolz sprach als Gastredner im Kronprinzen­palais über die "ungeliebte Freiheit der anderen Meinung" sowie die "Macht der Medien und die Ohnmacht der Vernunft". Die herrschenden Eliten, so Bolz, verweigerten momentan einen gesellschaftlichen Diskurs über die wirklichen Probleme.
  59. Tractatus-Preisträger 2011 - Norbert Bolz
  60. Jürgen Liminski: Wir leben in Fiktionen, iDAF-Interview am 11. Juli 2019

Netzverweise