Peter Sloterdijk
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Peter Sloterdijk in Karlsruhe, bei einer Lesung aus seinem Buch Du mußt dein Leben ändern, Juni 2009
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Geboren
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26. Juni 1947
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Beruf
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Philosoph, Publizist
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URL
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petersloterdijk.net
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Peter Sloterdijk (* 1947) ist ein deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Publizist.
Standpunkte
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«Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk sprach noch im Sommer 2022 gegenüber der Augsburger Allgemeinen bei Russlands Politik von "offenem Faschismus".[1] Seine weitere Analyse besagte, dass "das postsowjetische Russland, das nie wirklich nicht-faschistisch war, seit einer Weile vor den Augen der Welt in einer unsäglichen Schande versinkt."
Außerdem kehrte er psychologisch den Entnazifizierungsanspruch Moskaus in der Ukraine als eine russische Projektion[wp] um - die Russen seien die eigentlichen Nazis, beziehungsweise Faschisten. Es gebe zwar "kräftiges Nationalbewusstsein" in der Ukraine, aber der behauptete "Rechtsextremismus" oder Banderismus[wp] dort sei eine Fiktion der russischen Propaganda, so Sloterdijk.
Dabei hatte der Denker noch im Jahr 2016 sich zusammen mit dem Schweizer Friedensforscher Daniele Ganser unter dem Sammeltitel "Europa im freien Fall: Orientierung in einem neuen Kalten Krieg" veröffentlichen lassen[2] und schien in der Tragweite seiner damaligen Kritik am eigenen Kontinent bereits weit genug gekommen zu sein, um fortan gegen die NATO-Propaganda immun zu sein. Obwohl er andernorts zu ähnlicher Zeit durchaus beteuerte, dass es in der deutschen Berichterstattung zum Ukraine-Krieg "kaum noch Gegenstimmen" gebe und ihm dabei "sehr unwohl" zumute sei. [...]
Zwar ruft Sloterdijk nicht zur Aufrüstung gegen Russland mit Billionen an neuen Schulden auf, wie es der Professor für Politologie Herfried Münkler von der HU Berlin tut. Aber vollkommen unbeeindruckt davon zu sein, dass eine reale Gefahr für einen europäischen Krieg droht, da es ja "abschreckende Massenvernichtungswaffen" gebe, ist eher etwas, dass sich ein betagter, freier Denker noch im Jahr 2014 erlauben konnte - aber nicht mehr heute, oder zumindest Ende letzten Jahres.
So geht Sloterdijk auf vermeintlich zahlreiche "Grabredner" ein, die den Untergang des Abendlandes[wp] von Oswald Spengler[wp] heraufbeschwören. Demnach auch Intellektuelle wie Henryk M. Broder oder Michel Houellebecq[wp], die laut dem deutschen Denker lediglich mit vermeintlich unbegründeten, abgeklärten "trüben Phantasien" über den Untergang Europas - wie ihn Spengler vor über einem Jahrhundert prominent umschrieb - hantieren.
Ist Sloterdijk also ein naiver Optimist, der immer bereit ist für etwas "Russophobie", während er gleichzeitig den Glauben in anderen erneuert, dass die historisch-kulturelle Unverwundbarkeit des neoliberalen Kontinents Europa unbeirrt weiter bestehen bleibt? Sofern er darum von den Medien gebeten wird? Dabei gibt Sloterdijk de facto zu, dass auch seine Analyse Europas auf einer selbst gewählten, subjektiv-selektiven Wirklichkeitskonstruktion basiert - einer eigenen Fantasie.»[3]
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Zitate
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«Unzählige Menschen, gerade in der Kulturindustrie, haben gelernt, den Opfermarkt virtuos zu bewirtschaften - entweder als Opfer selbst oder als Stellvertreter eines Opfers -, wofür nach wie vor hohe Prämien vergeben werden.»[5]
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«Ich rege ein ernstes Gedankenexperiment an, denn die Umstellung von Zwang auf Freiwilligkeit stellt in meinen Augen eine der wichtigsten psychopolitischen und moralischen Fragen der Zukunft dar, in Steuerfragen wie in ökologischen Angelegenheiten. Wir leben nicht mehr in absolutistischen Verhältnissen, und Bürger sollen nicht wie Untertanen behandelt werden. Also muss man über das Phänomen der Steuern, sprich der Gemeinwohlleistungen in Zivilgesellschaften, von Grund auf neu nachdenken.»[6]
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«Die meisten Parteipolitiker interessieren sich sehr wenig für die Gedanken und Gefühle der Leute, deren Geld sie ausgeben. In Steuerfragen denken sie nach wie vor rein etatistisch. Sie glauben an die wohlmeinende Kleptokratie, kaum anders als die Fürsten und die fiskalische Obrigkeit von einst.»[7]
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«Die ingeniöse Selbstdarstellung des Linksfaschismus als Antifaschismus wurde im gesamten Einflussbereich des Stalinismus[wp] und darüber hinaus in der Neuen Linken[wp] zum vorherrschenden Sprachspiel der Nachkriegszeit - mit Langzeitwirkungen, die sich bei dissidenten Subkulturen des Westens, namentlich in Frankreich und Italien, bis in die Gegenwart verfolgen lassen. Man sagt nicht zu viel, wenn man die Flucht der radikalen Linken in den "Antifaschismus" als das erfolgreichste sprachpolitische Manöver des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Dass es die Quelle hochwillkommener Konfusionen war und blieb, versteht sich aus den Prämissen.» - Peter Sloterdijk[wp]: Zorn und Zeit: Politisch-psychologischer Versuch (2006)
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Über das Geldsystem:
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«Der Schuldmechanismus kann nur so lange wirken, wie es Menschen gibt, die allen Ernstes glauben, dass ein Schuldner imstande sein wird, a) die ganze Kreditsumme zu tilgen und b) den Aufschlag in Form von Zins zu erbringen. Wer fähig ist, solches zu glauben, kann Gläubiger werden.»[8]
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«Im Grund geht es um die Kultivierung eines pathologischen Verhältnisses zur Vergangenheit. Verbrechen oder Sünde[wp] sind pathologisch - sie binden einen Täter ans Gewesene im Modus des später nachfolgenden Leidens. So werden sie von ihren Taten eingeholt. Der lange Arm der Schuld, der aus der Vergangenheit in die Gegenwart greift, wird in der modernen Gesellschaft vor allem durch den Kredit dargestellt. Der Kredit wiederum muss an zwei Verankerungen befestigt sein: zum einen am Pfand, zum anderen an einem Staat, der die Zwangsvollstreckung garantiert.»[8]
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«Es wäre für alle Zeitgenossen in der Tat hilfreicher, wenn wir weniger über einen Bundeskanzler reden würden und mehr über einen Bundesgerichtsvollzieher. Denn dort, wo der Gerichtsvollzug garantiert wird, liegt das eigentliche semantische oder juristisch-moralische Zentrum des Gemeinwesens. Wenn das Gemeinwesen überwiegend auf kreditgetriebener Wirtschaft beruht, dann ist dieser Mechanismus, der die Besicherung der Kredite durch die Vollstreckung gewährleistet, das moralische A und O. Bevor man also vom Staat Gerechtigkeit erwartet, sollte man sich klarmachen: Als Garant der Zwangsvollstreckung steht der Staat längst im Zentrum der spezifisch modernen Transaktionen.»[8]
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«Die Regierungen verpfänden die Luft über ihrem Staatsgebiet, und Banken atmen tief durch. Wenn man es sich recht überlegt, ist das haarsträubend. Das wird möglicherweise europaweit eine Desorientierung von historischen Größenordnungen auslösen.»[8]
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«Zunächst mal ist immer der Schuldner der Schuldige. Insofern wäre es gut, gegenüber jeder Bankfiliale ein Rechtsanwaltsbüro mit Spezialisierung auf Eintreibung von Schulden einzurichten, um den Leuten, die mit Krediten aus der Bank kommen, die Zusammenhänge klarzumachen.»[9]
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«Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Kreditnehmer schuldig macht im Sinne des Zins-und-Summe-schuldig-Bleibens, nimmt ständig zu. Dabei gerät die Seriositätsvermutung hinsichtlich des Kreditnehmers ins Wanken. Sie wird am schnellsten aufgezehrt, wenn sich die ganz Großen als die Skrupellosesten erweisen, weil von vornherein keine ernste Tilgungsabsicht in ihre Überlegungen einfließt.
Bei den Amerikanern kann man das sehr gut sehen: Bei ihnen denkt seit langem niemand mehr darüber nach, wie man die Staatsschuld tilgen könnte. Zwar reden viele vom Sparen, aber im heutigen Sprachgebrauch meint das, die Neuverschuldung zu verringern. Meine Großmutter hat den Begriff des Sparens noch ganz anders interpretiert.»[9]
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«Tilgungsillusion ist ein schöner Name für ein vom Staat geschütztes moralisches Konstrukt - vorausgesetzt, der Staat selber bleibt als Schuldner glaubwürdig. Davon kann heute kaum noch die Rede sein.
Die Illusion wird dadurch bedient, dass die Schulden immer wieder umgewälzt werden. Alle Schuldenstaaten zahlen alle paar Monate ihre Schulden mit neuen Schulden zurück.
Das ist eine Idee, die selbst Dante nicht hätte einfallen können. Man müsste jetzt zu seiner Göttlichen Komödie[wp] einen vierten Teil hinzuschreiben.»[9]
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Über Sozialdemokratie[wp]:
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«Ob einer sich zur Sozialdemokratie bekennt oder nicht, spielt schon längst keine Rolle mehr, weil es Nicht-Sozialdemokraten bei uns gar nicht geben kann, die Gesellschaft ist per se strukturell sozialdemokratisch, und wer es nicht ist, der ist entweder im Irrenhaus oder im Ausland. Es gibt keine ernsthafte Alternative dazu.»[10]
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Einzelnachweise
- ↑ Wolfgang Schütz: Krieg in der Ukraine: hilosoph Peter Sloterdijk definiert Russlands Politik als offenen Faschismus, Augsburger Allgemeinen am 3. Juni 2022
- Anreißer: Philosoph Sloterdijk sagt, Russland versinke vor den Augen der Welt in einer unsäglichen Schande. Für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj hat er viel Lob übrig.
- ↑ Europa im freien Fall: Orientierung in einem neuen Kalten Krieg, petersloterdijk.net
- ↑ Italienischer Soziologe: "Die Ukraine hat alles verloren", RT Deutsch am 1. April 2025
- Anreißer: Dem EU-Kriegsfieber, welches nach Trumps Wahlsieg neuerdings wöchentlich steigt, widersetzen sich regelmäßig rare Stimmen der Vernunft. Dass sie im Antlitz der gleichgeschalteten Propaganda überhaupt noch ertönen, ist lobenswert.
- ↑ Peter Sloterdijk, in: "Metamorphosen des Mehrwerts", sat1 am 18. Mai 2008 um 23:35 Uhr
- ↑ Michael Klonovsky: Deutschland: Sagen Sie mal, Peter Sloterdijk ..., Focus am 3. November 1997
- ↑ Marc Beise: Peter Sloterdijk: Wider die Verteufelung der Leistungsträger, Süddeutsche Zeitung am 17. Mai 2010 (Philosoph Sloterdijk über Zwangssteuern, Zusatzanstrengungen der Stärkeren.) (Leistung)
- ↑ Marc Beise: Peter Sloterdijk: Wider die Verteufelung der Leistungsträger (3), Süddeutsche Zeitung am 17. Mai 2010
- ↑ 8,0 8,1 8,2 8,3 Gabor Steingart und Torsten Riecke: Peter Sloterdijk: Die Staaten verpfänden die Luft und Banken atmen tief durch, Handelsblatt am 17. Dezember 2011
- ↑ 9,0 9,1 9,2 Gabor Steingart und Torsten Riecke: Peter Sloterdijk: Die Staaten verpfänden die Luft und Banken atmen tief durch (2), Handelsblatt am 17. Dezember 2011
- ↑ Thomas Wolf: Political Correctness: Was darf man in Deutschland sagen - und was nicht?, Focus am 30. Januar 2013
Netzverweise