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Gesinnungsjustiz
Der Begriff Gesinnungsjustiz ist ein Fehdewort und unterstellt eine weltanschaulich bestimmte, beziehungsweise ideologisch motivierte Rechtsprechung.
Gesinnungsjustiz - Begriff und Erscheinung[1]
In den letzten Jahren hat die Ideologisierung des Rechts in der Bundesrepublik Deutschland ein Ausmaß angenommen, bei dem man getrost von einer Tendenz zur Gesinnungsjustiz sprechen kann. Dieser Begriff löst bei den Opfern des dahinterstehenden Sachverhaltes regelmäßig Reaktionen der Angewidertheit aus. Doch nicht nur bei den Opfern: auch die Täter geben sich in höchstem Maße entrüstetet, wenn man das Motiv ihrer Willkürhandlungen als das benennt, was es ist. An dieser Stelle müssen wir zunächst hinterfragen, was denn damit gemeint sein soll, wenn wir von Gesinnungsjustiz oder politischer Justiz sprechen. Genauer gesagt, gilt es folgende Frage zu beantworten: Was ist Gesinnungsjustiz, gibt es sie und wie ist sie zu bewerten? Zur Beantwortung sei folgende Definition zugrundegelegt:
Es wird ersichtlich, daß zwischen Rechtsetzung und Rechtsanwendung, also Rechtsprechung zu unterscheiden ist. Anders ausgedrückt, gibt es bereits auf der Ebene der Gesetzgebung eine illegitime weltanschauliche Einflußnahme, die sich dann in der auch korrekten Anwendung dieser illegitimen Gesetze auf den Rechtsunterworfenen auswirkt, und es gibt daneben an sich legitime Gesetze, deren politisch motivierter Mißbrauch zu Gesinnungsjustiz führt. Im Falle illegitimer Gesetzgebung handelt es sich überwiegend um Sondergesetze. Politische oder weltanschauliche Einflußnahme auf Recht und Justiz sind prinzipiell weniger überraschend, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn geltendes Recht ist immer Ergebnis einer politischen und damit weltanschaulichen Entscheidung. Als solche drückt es mit innerer Notwendigkeit die ihr zugrundeliegende politische Haltung sowie den religiösen und kulturellen Hintergrund aus. Ob Handtaschendiebstahl hart oder weniger hart bestraft wird, die Konsumierung von Drogen "entkriminalisiert" und damit gesellschaftsfähig gemacht wird, ob Homosexuelle heiraten dürfen oder nicht, ist immer nur vordergründig eine juristische Frage. Rechtsnormen verkörpern die Politik, die mit ihnen umgesetzt wird. Recht ist Politik. Besonders prägnant wurde das bei der Vernichtung der deutschen und der Schaffung der doppelten Staatsbürgerschaft im Jahre 1999. Die Feststellung, daß in der bundesdeutschen Rechtsordnung politische Tendenzen aufscheinen, ist daher keine Besonderheit und führt auch nicht zwingend zur Illegitimität des Rechts. Ob diese weitere Voraussetzung gegeben ist, hängt davon ab, welchen Charakter sich der Staat selbst gibt. In einem Staat, der sich als religiös oder weltanschaulich fundiert versteht, muß die gesamte Staatsgewalt im Sinne dieser Anschauung handeln. Um einen solchen Staat handelte es sich im Falle des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation[wp], das sich als irdisches Gehäuse der Christenheit verstand.[3] Die ganze Geschichte dieses Reiches, die Italienpolitik der deutschen Könige, ihr Kampf um die römische Kaiserkrone und gegen das Papsttum sind nur aus diesem Selbstverständnis zu verstehen. Ein solcher Staat würde sich selbst in Frage stellen, wenn seine Rechtsprechung die Ketzerei nicht verfolgte, bzw. dem christlichen Weltbild abträgliche Meinungen unbeanstandet ließe. Aus dem Blickwinkel einer solchen Ordnung ist der Begriff Gesinnungsjustiz daher ohne Aussagekraft. Gleiches gilt bei einem Staate wie der DDR[wp], der sich dem Kommunismus verpflichtet fühlte. Prinzipiell anders ist das in einem Staat, der sich wie die Bundesrepublik Deutschland mit dem Grundgesetz für das Prinzip der Rechtstaatlichkeit und der Rechtsgleichheit entschieden hat. In Artikel 3 GG heißt es, daß niemand aufgrund (u.a.) seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Hiermit wird für die Bundesrepublik Deutschland das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz festgeschrieben. Dieses Grundrecht müßte eigentlich Garant dafür sein, daß erstens keine Sondergesetze geschaffen werden und zweitens keine ungleiche Anwendung der allgemeinen Gesetze nach politischer Zuordnung des Rechtsunterworfenen stattfindet. Genau das ist aber zunehmend der Fall. Eine weitere politische Grundentscheidung - neben der Rechtsstaatlichkeit - des Grundgesetzes ist die einer pluralistischen Demokratie, verankert in Artikel 20 GG. Sie gibt nach Zippelius[wp][4] allen möglichen Gruppierungen und Verbänden, die nach politischem oder sozialem Einfluß drängen, Gelegenheit, sich zu bilden und miteinander in Wettbewerb um Macht und Einfluß zu treten. Zentrales Element der pluralistischen Gesellschaft ist der offene Wettbewerb der Interessen und Meinungen. Das Modell der pluralistischen Gesellschaft räumt einer Vielfalt konkurrierender Gruppen eine eigenständige Entfaltungsmöglichkeit ein. Für Jürgen Habermas[5] ist der herrschaftsfreie Diskurs, der Vorgang der Meinungsbildung an sich geradezu der Inbegriff der Demokratie. Ihr Gegenbild ist die zentral manipulierte, gleichgeschaltete Gesellschaft.[6] Auch dieses Staatsziel wird unterlaufen, wenn bspw. bestimmte politische Denkweisen kriminalisiert (und dadurch andere vorgeschrieben) werden oder wenn verschiedene politische Interessengruppen Sonderrechte erhalten. Rechtsetzung - Gesinnungsrecht Erste Ebene der Schaffung von Gesinnungsrecht ist, wie erwähnt, diejenige der Gesetzgebung. Durch Tendenzgesetze wird unerwünschten politischen Richtungen der Kampf angesagt, um ein einseitiges Gesinnungsklima zu schaffen. Es werden gesetzliche Maulkörbe geschaffen. Paradebeispiel hierfür ist der mehrfach neugefaßte Volksverhetzungsparagraph, § 130 StGB. Lautete die Fassung bis zu seiner entscheidenden Veränderung im Jahre 1994:
so wurde er nun ergänzt und folgender Absatz drei neu geschaffen:
Der Unterschied ist offensichtlich: war früher lediglich der Angriff auf Personen und dadurch auf die Menschenwürde Einzelner, die in bestimmten Fällen dadurch tangiert sein konnte, daß man ihnen absprach, Opfer der NS-Verfolgung zu sein[7], strafbewehrt, so stellt der neue Zusatztatbestand die Äußerung einer rein historischen Aussage als solche unter Strafe, auch wenn sie keinerlei personale Bezüge hat. Besonders pikant ist die 3. Alternative "Verharmlosen". Im Kommentar zum StGB von Tröndle/Fischer wird von der negativen Einzigartigkeit[8] des Holocaust gesprochen, deren Nichtanerkennung strafbewehrt ist. Demnach macht sich also nicht nur strafbar, wer behauptet, den Holocaust habe es nicht gegeben ("Leugnen"), oder wer behauptet, es habe ihn zwar gegeben, das sei aber zu begrüßen ("Billigen"), sondern auch jemand, der den Holocaust auch in der Größenordnung von 6 Millionen anerkennt, aber diese 6 Millionen für nicht so schlimm hält, wie die 20 Millionen Toten bei Stalin! Denn das ist nach Auffassung der Gesetzgeber "Verharmlosen", weil sich der Täter anmaßt, Unvergleichbares zu vergleichen. Freilich hat der Gesetzgeber für sich genau dieses Recht des Vergleichs in Anspruch genommen! Dieses mit heißer Nadel gestrickte Gesetz (der Wortlaut des Absatzes III wurde erst zwei Tage vor der zweiten und dritten Lesung in den Bundestag eingebracht[9]), leidet an diversen juristischen Mängeln. Beispielsweise tritt in der Tatbestandsvariante "Leugnen" das sogenannte Vorsatzproblem auf: Wer von der Nichtexistenz des Holocaust überzeugt ist, kann es rechtstechnisch nicht leugnen. Denn Leugnen bedeutet die Behauptung einer falschen Tatsache wider besseres Wissen![10] Aber das ist nicht das entscheidende Defizit. Das ist vielmehr der Gesinnungscharakter der Vorschrift, der sich bei der Durchleuchtung dessen, was hier eigentlich zu schützen ist, zeigt. Hat man es ansonsten im Strafrecht mit Rechtsgütern wie Eigentum, Vermögen, Leben, körperlicher Unversehrtheit, Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Organe, usw. zu tun geht es im Falle der Volksverhetzung um ganz andere Kategorien: So wird die historische Wahrheit als das Schutzgut der Vorschrift benannt, oder auch das Allgemeininteresse daran, daß das politische Klima nicht vergiftet werde.[11] Das ist mit den Geboten der Demokratie und der Rechtsgleichheit des Art. 3 GG nicht vereinbar. Schließlich verstößt ein solcher Gesinnungsparagraph auch gegen das in Art. 5 GG normierte Grundrecht zur freien Meinungsäußerung. Es ist zwar gemäß Absatz 2 des Art. 5 durch ein allgemeines Gesetz einschränkbar. Aber bei § 130 StGB handelt es sich nicht um eine allgemeines, sondern um ein Sondergesetz. Diese These wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur nahezu einheitlich vertreten. Dabei wird unter einem Sondergesetz gegen die Meinungsfreiheit ein Gesetz, das gegen eine bestimmte, inhaltliche, in seinem Tatbestand genannte Meinung gerichtet ist, verstanden. Dies gilt vor allem wenn die Meinungsäußerung eine öffentlich interessierende, insbesondere politische Frage betrifft, weil in diesem Bereich die Versuchung besonders groß ist, mißliebige Meinungen zu unterdrücken.[12] Für Huster[13] stellt § 130 III StGB
Nach dem Grundrechtslehrbuch von Rolf Schmidt[14] ist
Aufgrund der Tatsache, daß § 130 Absatz 3 StGB kein allgemeines Gesetz ist, bildet er keine verfassungsgemäße Schranke der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Absatz 1 GG und kann dementsprechend auch keine Strafbarkeit begründen. Dieser Schluß wird in der Wissenschaft auch gezogen:
Jedoch wird das als unerwünschte Konsequenz gesehen.
Schmidt postuliert im weiteren Verlauf in aller Klarheit:
Solche Stimmen lassen mehr als deutlich erkennen, daß die Konsequenz aus der Nichtallgemeinheit des Gesetzes unbefriedigend sei und deshalb, also um das politisch gewünschte Ergebnis doch noch contra constitutionem zu erreichen, nach anderen Konstruktionen gesucht werden müsse.[18] Ein weiterer Verstoß des § 130 III StGB gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes liegt in der Beschränkung der geschützten Personengruppe auf die Opfer des Nationalsozialismus. Lediglich sie werden davor geschützt, daß man die an ihnen begangenen Verbrechen in Abrede stellt, während andererseits ungesühnt bleibt, daß z. B. die Zahl der durch den angloamerikanischen Bombenterror ermordeten Zivilisten in Dresden von Jahr zu Jahr mehr heruntergerechnet wird.[19] Die 60. Wiederkehr des Jahrestages der Bombardierung von Dresden[wp] am 13. Februar 2005 hat einmal mehr Zeugnis dafür abgelegt, wie seitens der herrschenden Kreise die Geschichte umgedeutet wird. Vorschriften wie der § 130 StGB unterstützen das. In der Öffentlichkeit wurde sofort nach dem Staatsanwalt gerufen, als der sächsische Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel die Ermordung der Zivilbevölkerung von Dresden als Bombenholocaust bezeichnete. In anschaulicher Form faßt der Erlanger Strafrechtler Streng das in verschiedenen Gesetzesinitiativen zum Ausdruck gebrachte Anliegen der 130er Vorschrift zusammen:[20]
Also: kollektive Scham als geistige Grundlage der BRD und das Strafrecht zu ihrem Schutz. Auf dieser Linie lag dann auch die bislang letzte Verschärfung des § 130 StGB, der im März 2005 folgenden neuen Absatz 4 erhielt:
Die Änderung wurde erklärtermaßen geschaffen, um erwartete Aussagen auf rechtsgerichteten Versammlungen zu kriminalisieren und auf diese Weise einen Verbotsgrund im Sinne des § 15 des Versammlungsgesetzes zu schaffen. Namentlich ging es dabei um die Verhinderung von Versammlungen angesichts des 60. Jahrestages der deutschen Kapitulation am 8. Mai 2005. Tröndle/Fischer halten das für
Es ist dem Verfasser nicht bekannt, ob bereits Bürger verurteilt wurden, weil sie sich positiv über den Reichsautobahnbau oder die KdF[wp]-Organisation geäußert haben.[22] Die Neuregelung des Paragraphen 130 StGB bedeutet im übrigen nicht, daß die bisherige Vorschrift gegenstandslos geworden wäre. Vielmehr lebt sie in den ersten beiden Absätzen weiter und dient oft dazu, mißliebige Aussagen gegen die Überfremdung zu pönalisieren. Auch hier finden wir wieder einen beschränkten Kreis der geschützten Personengruppe: geschützt wird nämlich nur die Menschenwürde abgrenzbarer Teile der Bevölkerung, wozu für das Gesetz zwar Ausländer gelten, aber nicht die Deutschen selbst, da sie kein abgrenzbarer Teil der Bevölkerung sein sollen, sondern die Bevölkerung als solche! Diskriminierungs-, bzw. Gesinnungstatbestände finden sich indes nicht nur im Strafrecht: Im Arbeitsrecht ist die Neufassung des § 104 Betriebsverfassungsgesetz ein derartiges Beispiel.
Weitere ließen sich anführen. Die Analyse zeigt, daß die untersuchten Vorschriften einen ins Auge stechenden illegitimen Charakter haben, ja schreiendes Unrecht sind, und zwar nicht, wie hervorzuheben ist, weil einem möglicherweise die Ergebnisse ihrer Anwendung nicht gefallen (z. B. im Zündelprozeß[wp] vor dem LG Mannheim im Jahre 2007), sondern weil sie in eklatanter Weise diejenigen Grundsätze brechen, die der sie anwendende Staat im Gewande der größten anzunehmenden Heiligkeit selbst aufgestellt hat. Rechtsanwendung - Gesinnungsjustiz Auch auf der Ebene der Rechtsprechung bieten sich mannigfaltige Möglichkeiten zur Verfolgung oder Bevorzugung bestimmter Gesinnungen, und zwar auch ohne, daß es vom Gesetz angelegt wäre. Hierfür bietet sich als erstes das allgemeine Strafrecht an, z. B. die Beleidigungsdelikte. Der Gemeinderat der Stadt Coburg erklärt per Beschluß einen im Ort ansässigen Verlag zur unerwünschten Einrichtung. Jemand erfährt das aus der Presse und verschickt an die Stadt des Geschehens eine E-Mail, in der er zum Ausdruck bringt, daß dies seiner Ansicht nach Nazi-Methoden seien. Vor Gericht gestellt wird nicht der jenseits aller kommunalrechtlichen Kompetenzen stehende und damit rechtswidrige Beschluß der Stadt, sondern der Bürger, der diesen Skandal rügt. Er wird verurteilt wegen Beleidigung.[23] Den umgekehrten Fall stellt eine Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft Chemnitz dar:[24] Ihr lag eine Strafanzeige des Landesvorsitzenden Sachsen der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen wegen Beleidigung zugrunde, der in einer örtlichen Zeitung als Neonazi gebrandmarkt worden war. Der Staatsanwalt schreibt dazu:
Demnach ist der diffamierende Angriff auf eine Person, der ohne jeden sachlichen Zusammenhang geschieht, eine legitime Gruppenbezeichnung, die Kritik hingegen an einem rechtswidrigen Ausgrenzungsbeschluß durch ein Kommunalorgan eine Beleidigung. Ein weiteres Beispiel ist der Zigeunerjudenfall aus Kempten: In einer Pressemeldung hatte der Kreisvorsitzende einer politischen Oppositionspartei das Kesseltreiben gegen deren zurückliegenden Bundesparteitag 2000 zusammengefaßt und dabei den seinerzeitigen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrates der Juden[wp], M.F., der später wegen Kokain- und Rotlichtgeschichten in die Schlagzeilen geriet, als "Zigeunerjuden" bezeichnet, der
Nachdem der Beschuldigte zunächst vom Amtsgericht einen Strafbefehl wegen Beleidigung erhalten hatte, wurde er in der Berufungsinstanz des Landgerichts Kempten freigesprochen.[25] Es vergingen keine zwei Stunden, bis die unberufensten Münder der Republik von der damaligen Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin bis hin zum bayerischen Innenminister Beckstein unter Verstoß gegen den in Art. 20 GG verorteten Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz einen Entrüstungssturm entfacht hatten, der seinesgleichen suchte. Das Revisionsgericht hob den Freispruch auf[26] und verwies die Sache an eine andere Kammer des Landgerichts zurück. Erwartungsgemäß übte es sich in Gehorsam gegenüber der Politik und den Medien und verurteilte den Kommunalpolitiker. In den Gründen seines Urteils[27] findet sich folgende bemerkenswerte Passage:
Anders ausgedrückt, wäre der Verfasser von der CDU gewesen, hätte eine andere strafrechtliche Würdigung erfolgen müssen. Sowohl die (zweite) Revision, als auch die Verfassungsbeschwerde blieben erfolglos, wobei sich das Revisionsgericht[28] zu der Äußerung verstieg, die Parteimitgliedschaft falle nicht in den Schutzbereich des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG, weil sie nicht Ausdruck der politischen Tätigkeit, sondern der sozialen Herkunft sei (sic!). Aber nicht nur das Strafrecht wird zur Durchsetzung ideologischer Standpunkte mißbraucht. Auch das Verwaltungsrecht und selbst das Zivilrecht kommen dafür in Betracht. In einer soldatenrechtlichen Entscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht dazu hinreißen lassen, die Äußerung eines Zeitsoldaten, er fände die Darstellung des deutschen Überfalls auf Polen nicht überzeugend, als Dienstvergehen zu bewerten.[29] Im Zivilrecht[wp] entstehen für politische Aktivisten in neuerer Zeit Gefahren im Bereich des Internets und allgemein der äußeren Gestaltung von Flugblättern, usw. Hier wird das Wettbewerbs- und Urheberrecht gerne genutzt, um die Einstellung von Inhalten ins Netz oder den Gebrauch von Symbolen zu untersagen, weil sie gegen Marken, Patente oder eben das Urheberrecht verstoßen. Das ist immer mit Gerichts- und Anwaltskosten in vierstelliger Eurohöhe verbunden. Das LG Köln hatte im Jahre 2000 zu entscheiden, ob eine Wahlkampfzeitung einer politischen Partei in ihrer äußeren Gestaltung der FAZ zu ähnlich sei und damit ein Fall der Rufausbeutung vorliege.[30] Für den neutralen Beobachter war das nicht der Fall. Signifikante Abweichungen ergaben sich aus dem Namen der Zeitung ("NRW 2000"), des erheblich kleineren Formates, der geringeren Spaltenzahl, der seitenverkehrten Anordnung des Impressums, sowie vor allen Dingen des Abdruckes eines großen Bildes auf der Titelseite. Hierzu konnte die Partei einen Brief der FAZ vorlegen, in dem es ausdrücklich hieß, der durchgehende Verzicht auf ein Titelbild sei ein besonderes Markenzeichen der Zeitung. All das konnte den Richter nicht dazu bewegen, die abwegige Klage gegen die Partei abzuweisen und ihrem Rechtsmittel stattzugeben. Während der Verhandlung setzte er den Prozeßvertreter unter Druck, indem er ihm vorrechnete, welche Kosten die verschiedenen Arten der Verfahrensbeendigung nach sich zögen (Anerkenntnis, Rücknahme des Widerspruchs, usw.), wobei er apodiktisch klar machte, daß sie nicht gewinnen könnte. Den bisherigen rechtsdogmatischen Höhepunkt der bundesdeutschen Gesinnungsjustiz bildet ein Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2001[31] zum Versammlungsrecht. In dem Verfahren ging es um ein Verbot des Aufmarsches einer Kameradschaft einen Tag später (also am 27. Januar). Mit salbungsvollen Worten bestätigt das Verfassungsgericht das Verbot:
Glaubte man bis dato, daß das sittliche Empfinden in der BRD nur noch ein Relikt spießbürgerlicher und durch die 1968er Revolte überwundener Zeiten sei, so erfährt es durch das Bundesverfassungsgericht eine überraschende Reanimation[32]; dies aber nicht für tatsächliche, althergebrachte kulturelle Kristallisationspunkte wie das Weihnachts- oder Osterfest. Statt dessen wird das schamhafte Andenken des sogenannten Tätervolks an Auschwitz zum zentralen Bestandteil des sittlichen Empfindens der Allgemeinheit überhöht und somit vom Verfassungsgericht mit nahezu religiösen Weihen ausgestattet. Auf der Linie der Verschaffung begünstigender Sonderrechte durch die Justiz liegen demgegenüber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Moslems das Schächten von Wirbeltieren erlaubt ist, da es zu ihrem unverzichtbaren religiösen Selbstverständnis gehört[33] und ein Urteil des Bundesgerichtshofes zur Vergewaltigung. Der BGH stellte darin klar, daß eine Vergewaltigung in der Ehe dann ein minder schwerer Fall ist, wenn sie von dem Angehörigen des Islam begangen wird.[34] Eine solche Rechtsprechung leistet den Auswüchsen der multikulturellen Gesellschaft Vorschub und begünstigt die Entstehung von Parallelgesellschaften. Wie weit unser Staat damit inzwischen vorgedrungen ist, beweist der aktuelle Fall der Frankfurter Familienrichterin, die einer Frau, die unter massiven Mißhandlungen ihres Ehemannes litt, die Scheidung verweigerte, da der Koran dem Manne ein Züchtigungsrecht einräumt.[35] Mit den aufgezeigten Vorgängen wird in Deutschland Gesinnungsjustiz festgeschrieben. Es wird dabei ein von den Herrschenden (Wesel bezeichnet die in der Jurisprudenz so genannte herrschende Meinung[wp] generell als Meinung der Herrschenden[36]) vorgegebenes Geschichtsbild in allen Facetten (Kriegsschuldfrage, Auschwitz) nicht nur zum Gegenstand der Jurisdiktion sondern auch zum Selbstverständnis dieses Staates erhoben. Gleiches gilt für bestimmte politische Auffassungen, die vorgeschrieben werden. Abweichler müssen mit gerichtlichen Konsequenzen rechnen. Nach den anfangs skizzierten staatsrechtlichen Prinzipien wäre es zwingend, daß die BRD als ein pluralistischer, liberaler Rechtsstaat keinen Anspruch darauf erhebt, eine bestimmte moralische Haltung oder Geschichtsauffassung rechtsverbindlich vorzuschreiben, eine Wahrheit zu verkünden und ihre Nichtanerkennung strafrechtlich zu ahnden oder Sonderrechte zu begründen. Rohrmoser postuliert demgemäß den Verzicht auf eine öffentlich anerkannte Wahrheit als zentrales Element für jede liberale Ordnung.[37] Die Bundesrepublik hält sich jedoch nicht an die Maßstäbe, die sie selber gesetzlich ja verfassungsgesetzlich aufgestellt hat. Sie stellt bestimmte geschichtliche und moralische Wahrheiten auf, schreibt eine reine Lehre fest und sichert Verstöße gegen sie justiziell ab. Ein Endpunkt der Entwicklung ist nicht abzusehen. Im Jahre 2005 wurde mit Vehemenz daran gearbeitet, das Versammlungsrecht zu verschärfen, was ausdrücklich mit dem Kampf gegen Rechts begründet wurde. Nach der Föderalismusreform[wp] des Jahres 2006 ist die diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz in die Hoheit der Bundesländer übergegangen, was dazu führen dürfte, einen sich wechselseitig überbietenden Eifer der Gesinnungsapostel in den Parlamenten sich austoben zu sehen. Der Rechtsstaat weicht dem Gesinnungsstaat. Das ist nicht nur nicht hinnehmbares Unrecht, sondern Schlimmeres: Von Berthold Brecht[wp] stammt der Satz:
In diesem Sinne, nicht im formalrechtlichen Sinne des Strafgesetzbuches ist Gesinnungsjustiz in einem Rechtsstaat dasselbe wie die Abschaffung der Freiheit unter Berufung auf sie oder die Bekämpfung der Demokratie in ihrem eigenen Namen: ein grandioses Verbrechen! |
– RA Dr. iur. Björn Clemens[wp][38] |
Einzelnachweise
- ↑ Die Abhandlung orientiert sich an einem Vortrag, den der Verfasser auf dem Kongress der Gesellschaft für freie Publizistik[wp] am 12. Mai 2007 in Bad Kissingen gehalten hat. Sie ist um einen Beispielsfall erweitert und läßt einige Exkurse weg.
- ↑ Zur grundsätzlichen Differenzierung zwischen Legalität[wp] und Legitimität siehe das gleichnamige Werk von Carl Schmitt aus dem Jahre 1932.
- ↑ Siehe dazu bspw. Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. Aufl., 2005, § 9 I 1.
- ↑ Reinhold Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 14. Aufl., 2003, § 26, a.A..
- ↑ Aus rechtstheoretischer Sicht dargelegt in Faktizität und Geltung, Frankfurt, 1992.
- ↑ Zippelius, a.a.O.
- ↑ Kommentarliteratur und Rechtsprechung gingen bei der alten Fassung übereinstimmend davon aus, daß das bloße Bestreiten der Judenmorde nicht strafbar war, vgl. Tröndle/Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 49. Aufl., 1999, § 130, Rn. 18.
- ↑ Rn. 18a zu § 130 StGB, 49. Aufl.
- ↑ Joachim Jahn, Strafrechtliche Mittel gegen Rechtsextremismus, Frankfurt, 1998, S. 136 unter Hinweis auf Dreher/Tröndle, § 130, Rn. 17.
- ↑ Zur Vorsatzproblematik bei § 130: Schönke/Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 27. Aufl. 2006, § 130, Rn. 20. Wörtlich heißt es dort: "kaum lösbare Probleme wirft hier die Frage des Vorsatzes auf."
- ↑ Jahn, a.a.O., S. 176.
- ↑ Zur Definition und w.N.: Huster, Das Verbot der Auschwitzlüge, die Meinungsfreiheit und das Bundesverfassungsgericht, NJW 1996, 487, 489.
- ↑ Ebenda.
- ↑ Grundrechte sowie Grundzüge der Verfassungsbeschwerde, 9. Aufl., 2007, Rn. 511.
- ↑ Von Mangoldt/Klein-Starck, GG, Aufl. 1999, Art. 5, Rn. 234.
- ↑ Schmidt, a.a.O..
- ↑ Huster, a.a.O..
- ↑ Der Kommentar von Tröndle/Fischer enthält seit der 51. Auflage, 2003, ab Rn. 24 einen eigenen Abschnitt zur Legitimität der Vorschrift, sicheres Anzeichen dafür, daß sie nicht gegeben ist.
- ↑ Die Exklusivität des Kreises der von § 130 geschützten Personen wird neben Tröndle/Fischer, 49. Aufl., Rn. 18a auch von Beisel, Neue Juristische Wochenschrift 1995, S. 1000 kritisiert.
- ↑ In der Anmerkung zu einem BGH-Urteil, Juristenzeitung Nr. 4/2001, S. 205.
- ↑ 54. Aufl., 2007, § 130, Rn. 2a.
- ↑ Eine Gefahr, die Tröndle/Fischer expressis verbis (Autobahnbau) beim Namen nennen!, a.a.O., Rn. 34.
- ↑ AG Coburg 3 Cs 5 Js 6178/01.
- ↑ Az.: 700 Js 22801/00.
- ↑ 3 Ns 211 Js 21631/00.
- ↑ BayObLG 1 StRR 173/01.
- ↑ 4 Ns 211 Js 21631/00.
- ↑ BayObLG 1 StRR 132/02.
- ↑ BVerwGE 111, 25 (amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts, Band 111).
- ↑ 31 O 354/00.
- ↑ Abgedruckt in: Neue Juristische Wochenschrift 19/2001, S. 1409ff; dieser Beispielsfall war nicht Gegenstand des Vortrages während der GfP-Tagung.
- ↑ Gleichzeitig wird das Rechtsinstitut der "öffentlichen Ordnung", das ansonsten kaum noch eine Rolle im Polizeirecht spielt wiederbelebt.
- ↑ Az.: 1 BVR 1783/99, im Netz: www.bverfg.de.
- ↑ Das ist kein Scherz, sondern bittere Rechtswirklichkeit: Urteil vom 29. August 2001, 2 StR 276/01, nachzulesen in: Der Strafverteidiger 1/2002, S. 20.
- ↑ Statt aller: Internetausgabe des Tagesspiegels vom 21. März 2007, der eine 13seitige Leserdebatte ausgelöst hat.
- ↑ Die verspielte Revolution, 1968 und die Folgen, München, 2002, S. 227.
- ↑ Günter Rohrmoser, Der Ernstfall, 2. Aufl., Frankfurt/Berlin, 1996, S. 95.
- ↑ Gesinnungsjustiz - Begriff und Erscheinung[ext], 2007 (10 Seiten)
Querverweise
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Gesinnungsjustiz - Begriff und Erscheinung von Björn Clemens, 2007. |