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Das Private ist politisch

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Hauptseite » Politik » Das Private ist politisch

Die Parole "Das Private ist politisch" gehört zum politischen Konzept Politik der ersten Person[wp], das eine so genannte Stellvertreter­politik ablehnt, die Trennlinie zwischen "privat" und "öffentlich" zurückweist und die Politisierung der Privatsphäre[wp] beinhaltet.[1]

Politik der ersten Person

Die Politik der ersten Person wurde vor allem in der zweiten Frauenbewegung der 1970er Jahre entwickelt. Anders als noch in der ersten Frauen­bewegung ging es nicht nur um Fragen wie die des Wahlrechts oder um die Einbindung und Teilhabe an politischen Entscheidungs­prozessen. Mit der Parole "Das Private ist politisch" oder auch "Das Persönliche ist politisch" wurde ein neues Politikfeld geöffnet, in welchem unmittelbar gekämpft wurde.[2]

Weiber bildeten seit Ende der 1960er Jahre consciousness-raising-Gruppen[3] und problematisierten dort ihre persönlichen Beziehungen zu Männern, über Sexualität, Menstruation, Schwangerschaft, Kinder­erziehung und Gewalt. Damit begannen sie, diese Bereiche zu politisieren. So heißt es in dem Buch Sexual Politics von Kate Millett aus dem Jahr 1969:

"Das Wort 'Politik' wird deshalb verwendet, weil es bei dem Versuch, die wahre Natur der Geschlechts­rang­ordnung sowohl aus historischer Perspektive wie aus dem Gesichts­winkel der Gegenwart zu untersuchen, das einzig zutreffende ist. Unsere historische Situation fordert, dass wir eine Psychologie und Philosophie der Macht­verhältnisse entwickeln, die auf die heutige Zeit zugeschnitten sind und die über die simplen Begriffs­kategorien der traditionellen Struktur hinausgehen. Man muß die Definition einer Theorie der Politik versuchen, die die Macht­verhältnisse auf weniger konventioneller Basis betrachtet, als wir es gewohnt sind. Es schien mir deshalb angebracht, die persönlichen Beziehungen und Wechsel­wirkungen dieser Verhältnisse zu definieren, wie diese sich zwischen Gliedern klar umrissener und ausgeprägter Gruppen ergeben, seien diese Gruppen Rassen, Kasten, Klassen oder die Geschlechter. Denn gerade weil in verschiedenen politischen Strukturen gewisse Gruppen keine Vertreter haben, ist ihre Position so stabil, ihre Unterdrückung so wirkungsvoll." [4]

Waren diese Frauengruppen zunächst auf Hochschulen in den USA, Großbritannien und der BRD beschränkt, so gewannen sie durch Kampagnen für die Legalisierung der Abtreibung in den 1970er Jahren eine große Öffentlichkeit. Weitere Kampagnen folgten wie Bewegungen gegen Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung, Gewalt in Medien, in der Werbung und Pornographie. Diese Bewegungen gingen in der Regel von autonomen Frauen­gruppen aus, die sich zum Teil auch in Institutionen verankern konnten. So setzte die Frauen­bewegung in West­deutschland beispielsweise in den Studenten­vertretungen autonome Frauen­referate durch.[5]

Soziale Bewegungen

Die Politik der ersten Person entstand parallel zur Etablierung der neuen sozialen Bewegungen[wp] und hatte einen großen Einfluss auf die Bürger­initiativ­bewegung, die Alternativ­bewegung und zunächst auch auf die Partei Die Grünen, sowie auf basis­demokratische[wp] Konzepte. Auch die Bewegung der Autonomen übernahm weitgehend das Konzept der Politik der ersten Person[wp].[6]

Auf erkenntnistheoretischer[wp] Ebene ist die Politik der ersten Person mit der Standpunkt-Theorie verbunden. Hieraus folgte auch, dass ein Paternalismus strikt abgelehnt wurde und eine Unterstützung stets nur "Hilfe zur Selbsthilfe" sein konnte. Der Ansatz war hier, dass politische Aktionen von den Betroffenen auszugehen haben oder zumindest in enger Abstimmung mit ihnen und nicht über ihre Köpfe hinweg.

Fazit

In der Praxis hat die Parole "Das Private ist politisch" dazu geführt, dass der ureigenste und private Bereich des Menschen dem Zu- und Eingriff des Staates geöffnet wurde. Der Paternalismus[wp] wird jetzt vom Staatsfeminismus ausgeübt.

Zitat: «Der Ruf nach dem Staat führt zum Eindringen der öffentlichen Gewalt in diese privat abgeschirmte Sphäre, führt à la longue zu einer Vergesellschaftung der familiären Gemeinschaft.» - Udo Di Fabio[7]
Zitat: «Inzwischen wird einem das Gebot der Selbstoptimierung nicht nur vom sozialen Umfeld, sondern auch von staatlicher Seite aufgedrückt. Der Staat hat sich unter allgemeiner Zustimmung des Themas Fitness angenommen. Nichtrauchergesetze, Kampagnen für gesunde Ernährung, Förderung des Sports und Prävention gegen Laster aller Art nehmen mittlerweile breiten Raum im politischen Betrieb ein. Gehörte das körperlichen Wohlergehen des Einzelnen früher zur Privatsphäre, so wird es heute zunehmend durch Gesetze und Verordnungen geregelt. Dies hat unter anderem die Nebenwirkung, dass man dem Bürger immer weniger zutraut, selbstverantwortlich zu leben, sondern ihn als Objekt staatlicher Betreuung und Fürsorge betrachtet. Eine sachliche Überprüfung der zahlreichen Präventions­maßnahmen findet nicht statt. Das Ziel "Gesundheits­schutz" entwickelt sich zur Blanko­vollmacht für staatliche Eingriffe aller Art. Gesundheits­bewusstsein ist zur sittlichen Norm geworden. Angeblich reicht gesunder Menschenverstand und das eigene Erfahrungs­wissen für die Bewältigung des Alltags nicht mehr aus.» - Michael Miersch[8]
Frage
Was bedeutet der Slogan "Das Private ist politisch"?
Regarding the feminism movement: What does the slogan "Make the personal political" mean?
Erin Pizzey
Was er wirklich bedeutet, ist: Wenn jemand ein persönliches Problem hat - und eines der offensichtlichen Dinge der frühen Tage des Feminismus war, wieviele der radikalen Führerinnen der Bewegung selbst einen wirklich gestörten (familiären/persönlichen) Hintergrund hatten und selbst sehr, sehr gewalttätig waren - und wenn man das dann politisch macht, bedeutet das im Klartext: wenn mein Vater Scheiße ist, dann sind alle Männer Scheiße. Wenn man das sagt, dann kann man alles sagen, was man will. Man geht vom persönlichen aus und macht es politisch. Und so passierte Folgendes: Wortgewaltige Frauengruppen kamen zusammen, um bitterböse Kampagnen zu führen.[9]

Reflexion

Der Slogan, wie ihn Linke gemeinhin verstehen, bedeutet die Abschaffung der Eigenverantwortung des Menschen für sein Leben, die Ausweitung staatlicher Regulierung bis in die Details des Privatlebens hinein. Weil Politik in diesen Kreisen eben mit staatlicher Kontrolle im Namen vermeintlicher "Fürsorge" gleichgesetzt wird, soll das Private der staatlichen Kontrolle preisgegeben werden (wir sehen die typische Linke vor uns, wie sie mit weit aufgerissenen Augen ausruft: "da muss der Staat doch was machen!"). Zum Wohle aller, versteht sich. Wir denken an staatliche Massnahmen im Gesundheitswesen (etwa Kampagnen gegen Rauchen oder Dick­leibig­keit) oder der familiären Arbeitsteilung (wo Frauen mit Quoten­gesetzen und mit hohem propagandistischen Aufwand in Büro- oder wenigstens Pflege-Jobs hinein- und aus der Familienarbeit heraus­getrieben werden) - oder auch der staatlich finanzierte "Kampf gegen Hass und Hetze" - alles Eingriffe in Bereiche, die eigentlich in der Verantwortung des einzelnen liegen. Der Trend geht in Richtung "mehr davon".

Dennoch ist der Satz Das Private ist politisch in einem tieferen Sinne richtig. Der Denkfehler ist nur, dass der Staat hier den Begriff des Politischen usurpiert, während in Wahrheit der Bürger der Politiker ist. Der Staat ist nicht die Gesellschaft, sondern von ihr getrennt zu sehen, er besteht aus von der Gesellschaft delegierten und legitimierten Amtsträgern, die mit der Herrschaft betraut sind, also der Verwaltung der gemeinsamen Angelegenheiten, um dem Bürger Rechtssicherheit zu gewährleisten und ihn vor innerer und äußerer Aggression zu schützen. Staatliche Herrschaft ist also eine wichtige Grundlage, damit das Projekt Zivilisation überhaupt gelingen kann.

Der Staat ist daher zwar notwendig für eine zivilisierte Gesellschaft, er ist aber kein Vaterersatz[ext]. Das Fortbestehen der Gesellschaft gründet letztlich auf der Freiheit und Verantwortung des einzelnen (Karl Albrecht Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S.9):

Souverän ist, wer frei ist, also der Bürger. Er gestaltet sein Leben und seinen Staat mit allen anderen Bürgern und ist darin Politiker. Souverän ist die Bürgerschaft, nicht etwa deren Vertreter in den Organen des Staates. Souveränität als Freiheit kann den Bürgern um ihrer Würde willen nicht genommen werden... Der schleichenden Entleerung der Souveränität müssen die Bürger um ihrer Würde und Freiheit willen Widerstand entgegensetzen.

Die Gesetze und die Freiheitsrechte bieten ja nur einen leeren Rahmen. In einem solchen leeren Rahmen, wenn er zum alleinigen Maßstab erklärt wird ("Hauptsache ist doch, alle halten die Straßen­verkehrs­ordnung ein, ansonsten soll doch jeder tun, wonach es ihn gelüstet!", blinzelt der Liberale verschmitzt), können sich Dekadenz und Fäulnis einnisten, wenn die Bürger nicht aus sich heraus ihre Freiheit und Verantwortung ergreifen, also den leeren Rahmen mit tragenden, wertvollen Inhalten füllen. Bis vor einigen Jahrzehnten noch füllten sie den Rahmen mit ihrem Selbstverständnis, als Glied in einer langen Generationen­kette ihre Fähigkeiten und Arbeitskraft zum Besten in die Gemeinschaft einzubringen und so an einem organischen Fortschritt ihres Volkes zu arbeiten - nicht zu verwechseln mit dem von oben aufgepfropften, ideologisch besetzten Fortschritts­begriff, wie ihn Linke und Liberale propagieren.

So gesehen, liegt in dem Ausspruch Das Private ist politisch eine tiefere Wahrheit. Tiefer als diejenigen erahnen, die ihn heute auf den Lippen führen.

– Rüdiger Plantiko[10]

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: Politik der ersten Person, abgelesen am 16. September 2013
  2. Ilse Lenz: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland., ISBN 3-531-17436-3, VS Verlag, 2. Auflage, 2010, 47f.
  3. Deutsch: Bewusstseinsbildung. Weiber gehen von der Subjektivität ihrer eigenen Biographie aus, die sie als Kette von Situationen erinnern und reflektieren. Wenn die daraus entstehende Betroffenheit sich mit der gefühlten Wahrnehmung anderer Frauen deckt, entsteht daraus (weibliches) Bewusstsein. Vergl. Voichita Nachescu: Becoming the Feminist Subject. Consciousness-raising Groups in Second Wave Feminism, 2006
  4. Zitiert aus: Sexus und Herrschaft. München 1974, ISBN 3-423-00973-X, S. 38
  5. Kristina Schulz: Der lange Atem der Provokation: die Frauenbewegung in der Bundesrepublik und in Frankreich 1968-1976. Campus, 2002, ISBN 3-593-37110-3, Pdf-icon-extern.svg überarbeitete pdf-Version 2012[ext]
  6. Roland Roth[wp], Dieter Rucht[wp]: Autonomie und die Politik der ersten Person. In: Die Sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch. Campus Verlag, 2008, ISBN 3-593-38372-1, S. 459f.
  7. Lufthoheit über Kinderbetten, Welt am 10. November 2002
  8. Auszug aus dem eBook von Michael Miersch "Die Hippies haben gewonnen", zitiert in: Der deutsche Konsens: 15 Dinge, in denen sich alle einig sind - 15. Das Private ist politisch, AchGut-Blog am 1. August 2012
  9. Youtube-link-icon.svg Erin Pizzey on Feminism (2. November 2011) (Länge: 3:26 Min.) (Erin Pizzey, author and highly regarded domestic violence expert (who opened the worlds first DV shelter) gives her opinions on the start of the women's movement.)
  10. Rüdiger Plantiko: Ist das Private doch politisch?, Microblog am 26. Juli 2016

Querverweise

Dieser Artikel basiert teilweise auf dem Artikel Politik der ersten Person (4. April 2013) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Der Wikipedia-Artikel steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar, die vor Übernahme in WikiMANNia am Text mitgearbeitet haben.