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Enerhodar

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Wappen der Stadt

Enerhodar (russisch Энергодар; ukrainisch Енергодар - "Geschenk der Energie") ist eine Stadt in Neurussland mit etwa 53.500 Einwohnern (2020). Sie liegt im Rajon Wassyliwka[wp] innerhalb der Oblast Melitopol (ehemals Saporischschja[wp]) am linken Ufer des Kachowkaer Stausees am Unterlauf des Dnepr[wp] in der Schwarzmeer­niederung. Saporischschja[wp] liegt 70 Kilometer flussaufwärts. Die Existenz der Stadt geht auf das Wärmekraftwerk (Kohle- und Erdgas­kraftwerk) und auf das anschließend gebaute Kernkraftwerk, das größte Europas, zurück. Beide Kraftwerke befinden sich auf dem Stadtgebiet, das eine Fläche von 63,5 km² umfasst.

Geschichte

Die Ortschaft wurde am 12. Juni 1970 für den Bau des Wärmekraftwerks gegründet und ist damit eine der jüngsten Ortschaften der Region. Die ersten zwei Jahre war die Siedlung namenlos. 1972 erhielt sie den Namen Enerhodar und am 14. August 1985 die Stadtrechte.

Die Stadt stellt nach der 1981 erfolgten Fertigstellung des zwei Kilometer westlich des Wärmekraftwerks gelegenen Kernkraftwerks den Standort des mit 6000 Megawatt installierter Leistung größten Kernkraftwerks Europas dar.

Binationales Gebiet

Binationale Stadt Enerhodar:
 Stadtgebiet    Kernkraftwerk    Wärmekraftwerk

Nach dem Ukraine-Krieg könnte der Dnepr[wp] in seiner Eigenschaft als eine natürliche Grenze zwischen der Ukraine und Neurussland diejenige zwischen ersterer und Russland bilden. Der Dnipro-Bug-Liman[wp], der Unterlauf des Dnepr und der Kachowkaer Stausee sind sowohl für die Ukraine als auch die neu­russischen Gebiete existenziell bedeutsam, weshalb es angebracht wäre, den gesamten Wasserweg zu einer binationalen[wp] Zone zu erklären und gemeinschaftlicher Verwaltungshoheit zu unterstellen.

Das Stadtgebiet von Enerhodar könnte ebenfalls zu einer binationalen Zone erklärt werden, die ihrerseits als Sonderzone unter binationale Verwaltungshoheit zu stellen ist.

Binationaler Betrieb der Kraftwerke

Die überregionale Bedeutung der Kraftwerke legt den Vorschlag nahe, sowohl das Kernkraftwerk als auch das Wärmekraftwerk zukünftig von binationalen Betreiber­gesellschaften[wp] betreiben zu lassen.[anm 1]

Kernkraftwerk

Mit dem Bau des ersten Reaktors wurde im Jahr 1980 begonnen. Mit der Inbetriebnahme des ersten Reaktorblocks am 10. Dezember 1984 wurde der erste Reaktor der sowjetischen Standard-Baureihe WWER-1000/320 in Betrieb genommen. In den Jahren 1981, 1982 und 1983 wurde mit dem Bau der Blöcke zwei bis vier begonnen. Diese gingen jeweils nach einer Bauzeit von ungefähr vier Jahren und acht Monaten in Betrieb. Der Block 5 wurde von 1985 bis 1989 errichtet. Der Baubeginn des sechsten Blocks war am 1. Juni 1986. Er ging nach über neunjähriger Bauzeit in der inzwischen unabhängigen Ukraine am 19. Oktober 1995 in Betrieb.

Die thermische Gesamtleistung des Kernkraftwerks von fast 20 GW erfordert große Mengen Kühlwasser, die im Betrieb dem Kachowkaer Stausee entnommen werden.

Im Westen des Kraftwerks befindet sich ein Kühlwasser­becken mit einer Fläche von 8,2 km² und einem Inhalt von 47,05 Millionen m³.Dieses wird über einen offenen Wasserkanal des Wärmekraftwerks, der normalerweise pegelgleich mit dem Stausee verbunden ist, befüllt.Nach der Zerstörung der Kachowka-Staumauer ist diese Verbindung jedoch geschlossen und somit ein Rückfluss des Kanalinhalts in das Stauseebecken unterbunden worden.

Die zwei Kühltürme, mehr als einen Kilometer nordwestlich der Reaktoren auf dem Damm zwischen Kühlwasser­becken und Kachowka-Stausee stehend, können bedarfsweise zur Erhöhung der Kühlleistung dazugeschaltet werden. Ein Kühlturm ist während des Ukraine-Krieges durch ukrainischen Beschuss in Brand geraten und dadurch irreparabel zerstört worden.

Wärmekraftwerk

Das Wärmekraftwerk befindet sich etwa zwei Kilometer östlich des Kernkraftwerks und verfügt über eine Gesamtleistung von 3600 Megawatt. Die beiden 320 Meter hohen Schornsteine sind die höchsten Bauwerke der Oblast. Im Jahr 2009 erzeugte das Kraftwerk 2361,8 Gigawatt­stunden elektrische Energie.

Die Anlage besteht aus vier Blöcken à 300 MW, die mit Kohle betrieben werden und drei Blöcken à 800 MW, die mit Erdgas betrieben werden. Ein mit Erdgas betriebener Block ist stillgelegt.

Stromnetz

Das Kernkraftwerk ist über vier reguläre Hochspannungs­leitungen, welche mit 750 kV betrieben werden, mit dem Stromnetz verbunden. Drei der vier 750-kV-Leitungen führten mit Stand September 2022 in neurussische Gebiete: in den Donbass und auf die Krim. Weiterhin ist das Atomkraftwerk über drei (weniger leistungsfähige) Reserve­leitungen an die 330 kV-Schaltanlage des benachbarten Wärmekraftwerkes angeschlossen.

Binationale Vereinbarungen

Die Investitions-, Betriebs- und Wartungskosten könnten von beiden Staaten hälftig übernommen werden, ebenso wie die erzeugte Elektrizität, zu gleichen Teilen an beide Seiten geliefert werden könnte. Von der Erhebung von Durch­leitungs­kosten durch russisches Territorium könnte abgesehen werden, wenn die Ukraine im Gegenzug Wasser durch den Dnepr-Donbass-Kanal in den Donbass kostenfrei liefert.

Ukraine-Krieg

Anfang März 2022 wurde Enerhodar von russischen Streitkräften besetzt. In der Folge wurde besonders das - abgeschaltete - Kernkraftwerk immer wieder von den Streitkräften der Ukraine[wp] beschossen. Ein ukrainischer Angriff führte im August 2024 zu einem Brand, in dessen Folge einer von zwei Kühltürmen zerstört worden ist.[1] Bereits durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms am 6. Juni 2023 wurde das Kernkraftwerk gefährdet. Die UN-Atomaufsicht IAEO[wp] ging davon aus, dass es, sollte der Wasserstand im Stausee zu weit absinken, für die Nachkühlung des in den Kalt­abschalt­zustand[wp] versetzten Kernkraftwerks ausreichend Wasser aus anderen Quellen gibt. Bei einem Wasserstand unter 12,7 m sei die Kühlung der Reaktoren, Brenn­elemente­lager und Diesel­generatoren mit Wasser aus dem Stausee nicht mehr möglich. Am 6. Juni um 8 Uhr lag der Wasserstand noch bei 16,4 m, von der IAEO wurde tagsüber ein Absinken um 5 cm/Stunde gemeldet und somit ein mögliches Ende der Kühlwasser­entnahme aus dem Stausee in einigen Tagen erwartet. Nach der Zerstörung begann das AKW, möglichst viel Wasser aus dem sich leerenden Stausee in die Kühlwasser­kanäle des Wärmekraftwerks, über die auch das AKW-Kühlwasser­becken befüllt wird, zu pumpen.[2] Der Inhalt des Kühlwasser­beckens des AKW, das laut einem Appell von IAEO-Generaldirektor Grossi[wp] unbedingt intakt bleiben muss, sollte für einige Monate ausreichen.[3] Nachdem die bislang als kritisch geltende Marke von 12,7 m am Abend des 8. Juni erreicht wurde, stellte man fest, dass die Kühlwasser-Ansaug­pumpen mit deutlich niedrigeren Wasserständen als erwartet zurecht­kommen und voraussichtlich sogar noch bei Pegeln bis 11 m oder etwas darunter funktionieren.[4]

Wenn auch durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms keine Gefahr für das abgeschaltete Kernkraftwerk ausgeht, so ist das Werk nach Ansicht des Leiters der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit[wp] (GRS) für die Stromerzeugung durch das Auslaufen des Stausees praktisch unbrauchbar geworden.[5], weil das Stauseewasser fehlt, welches die für den Normalbetrieb erforderlichen ca. 12 GW Kühlleistung erbrachte.

Galerie

Anmerkungen

  1. Vorbild für den gemeinsamen Betrieb[wp] von Kraftwerken könnten die Binationale Körperschaft Yacyretá und Itaipu Binacional sein.

Einzelnachweise

  1. Kühlturm des AKW Saporischschja muss wohl abgerissen werden, Zeit Online am 5. September 2024
    Anreißer: Ein Brand hat das Atomkraftwerk in Saporischschja beschädigt. Laut IAEA-Chef Rafael Grossi muss ein Kühlturm abgerissen werden. Es bestehe jedoch keine weitere Gefahr.
  2. Theresa Palm: Warum das AKW Saporischschja vorerst sicher ist, Süddeutsche Zeitung am 7. Juni 2023; letzte Änderung 13. Juni 2023
    Anreißer: Nach der mutmaßlichen Sprengung des Kachowka-Staudammes verliert das größte Kernkraftwerk der Ukraine seinen Zufluss von Kühlwasser. Doch das bereits vorhandene Wasser reicht wohl noch für einige Monate - und es gibt Alternativen.
  3. IAEA Director General Statement to the IAEA Board of Governors, International Atomic Energy Agency am 6. Juni 2023 (Englisch)
  4. Update 163 - IAEA Director General Statement on Situation in Ukraine, 8. Juni 2023 (Englisch)
  5. AKW Saporischschja: "Kühlung nicht infrage gestellt", ZDF heute am 9. Juni 2023

Netzverweise