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Kuckuckszitat
Der Begriff Kuckuckszitat bezeichnet ein Zitat, welches ohne Fälschungsabsicht und im Bewusstsein von seiner tatsächlichen Herkunft einer anderen Person als seinem tatsächlichen Urheber zugeschrieben wird. In Verbindung mit einem Bild ist es eine Zitat-Collage[wp] und fällt unter die Kunstfreiheit[wp].
Die Wortbildung spielt auf den Brutparasitismus des Kuckucks[wp] an und erfolgt analog zu Kuckuckskind und Kuckucksei.
Abgrenzung
Im Unterschied zum Falschzitat
Zitat: | «Das durch Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Persönlichkeitsrecht[wp] schützt auch davor, dass jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getätigt hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Ein falsches Zitat kann daher gegen Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 GG verstoßen.[1]»[2] |
stellt das Kuckuckszitat keine Persönlichkeitsverletzung dar. Das Kuckuckszitat kann eine Hommage[wp] sein, ein öffentlicher Ehrenerweis auf eine berühmte Persönlichkeit, oder aber im Sinne der Kunst eine Collage[wp] - oft verbunden mit einem Bild -, mit der eine Verstärkung der Aussage bezweckt wird.
Während ein Falschzitat auf Irrtum beruhen kann oder auch vorsätzlich mit dem Ziel einer Verleumdung[wp] eingesetzt wird, wird bei einem Kuckuckszitat die Aussage von Duktus und Thema dem Untergeschobenen im positiven Sinne glaubhaft zugetraut. Manchmal handelt es sich um ein auf eine aktuelle Situation leicht abgewandeltes echtes Zitat.
Beispiele
Dieses in konservativen und rechtsextremen Kreisen beliebte Zitat kann nicht von Aristoteles stammen, da der Begriff "Toleranz" erst am Ende des Mittelalters aufkam[3], und es stammt auch nicht von Aristoteles[wp], sondern wurde am Ende des 20. Jahrhunderts in Amerika geprägt. Dieses Kuckuckszitat, mit dem man seiner Geringschätzung für die Idee der Toleranz philosophische Autorität verleihen will, geht auf den konservativen amerikanischen Prediger D. James Kennedy[wp] zurück, der es allerdings nicht Aristoteles unterschob:
Seit dem Jahr 2007 wird dieses Zitat in leicht abgewandelten Versionen auch auf Deutsch Aristoteles unterschoben.
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– Gerald Kriegsopfer[8] |
Der kanadische Astrophysiker und Umweltschützer Hubert Reeves[wp] hat vor vier Jahren auf seiner Facebook-Seite gebeten, dieses Zitat nicht mehr unter seinem Namen weiterzuverbreiten, da es ihm fälschlich zugeschrieben wird. Diese Bitte hat Hubert Reeves bisher nicht viel genützt. Im Gegenteil. Das Zitat wird ihm seither auf Twitter und auf Facebook öfter unterschoben als davor. Wer das Zitat geprägt hat und wer es vor etwa zehn Jahren das erste Mal Hubert Reeves unterschoben hat, ist unbekannt. Das Kuckuckszitat taucht im Jahr 2010 in Internetforen zuerst auf Englisch auf, ein paar Jahre später auch auf Französisch, Deutsch und Italienisch:
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– Gerald Kriegsopfer[9] |
Zitat: | «Ein Zitat macht Furore: "Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft" - das stamme von Aristoteles. Man liest das jetzt immer öfters. Auf der Internetseite Politically Incorrect, wo Flüchtlinge als "Invasoren" bezeichnet werden. Auf www.deutschelobby.com. Auf der Facebook-Seite des NPD-Landesverbandes Bayern. Das Zitat nebst dem Urheber-Namen Aristoteles wurde sogar schon in Riesenlettern auf einem Transparent Gassi geführt, bei einer Demo von Dügida ("Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes") - wenn auch dort mit einem jecken Komma hinter dem Wort Toleranz, was den Schluss zulässt, dass die, hüstel, rechts-rheinischen Aristoteliker die Zeichensetzung mit karnevalesker Lässigkeit handhaben.
Unsereins weiß da nichts mehr zu erwidern. Sicher, der Spruch klingt vorderhand doch eher wie einer braunen Bratzbirne entfleuchter Dumpfstuss; aber wer wären wir, dem größten Geist der Antike zu widersprechen?»[10] |
Zitat: | «Der griechische Philosoph Aristoteles soll behauptet haben, Toleranz sei "die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft". Der Satz wird ihm seit Jahren zugeschrieben und ist in den sozialen Medien weit verbreitet.
BEWERTUNG: Es gibt keinen Beleg für dieses angebliche Zitat von Aristoteles. Ein sehr ähnlicher Satz stammt allerdings von einem evangelikalen Pastor aus den USA.»[11] |
Zitat: | «Auch wenn die Zuordnung zum Urheber falsch sein mag, so ist doch der Inhalt mehr als plausibel.»[12] |
Weitere Kuckuckszitate
Zitat: | «Wer halb Kalkutta aufnimmt, rettet nicht Kalkutta, sondern der wird selbst Kalkutta.», Peter Scholl-Latour |
Zitat: | «Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum.», Albert Einstein[wp][13] |
Zitat: | «Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.», Karl Valentin[wp][14] |
Zitat: | «Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen.», Lenin[wp] |
Zitat: | «Der Sturm wird immer stärker. Das macht nichts, ich auch!», Pippi Langstrumpf, Astrid Lindgren[wp] |
Toleranz und Demokratie
Das Toleranz-Paradox wurde von Karl Popper[wp] beschrieben. In Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band 1, schreibt er:
Die logische Konsequenz, die Popper und der Tolerante bis heute ziehen: Eine tolerante Gesellschaft muss der Intoleranz intolerant begegnen, um tolerant zu bleiben. Das Toleranz-Paradox lässt sich nicht entwirren oder auflösen. Das Toleranz-Paradox muss, so die Lehre der Toleranten, durchschlagen werden, wie einst Alexander den Gordischen Knoten[wp] mit dem Schwert durchtrennte. Keine Toleranz der Intoleranz - zack! Nicht erst seit Popper diese feine Distinktion erkannte, wurde auch zuhauf drauf und rein gehauen! Wo die Toleranten auch nur ein Schleifchen möglicher Intoleranz vermuteten, ob dieses Schleifchen nun gordisch, logisch oder von sonstiger Natur war, überall schlug man drauf als ob zwar das Zubinden der Schuhe erfunden, aber das Aufbinden selbiger weiterhin ein Mysterium wäre! Beim Hauen und Stechen gegen alle Intoleranz rutschte das Land der Verrichter und Verrenker ins Toleranz-Paradox-Paradox, wie einst die französische Revolution[wp] ins Blutbad der Guillotinen[wp] hinabglitt. Beste Absicht plus scharfe Klingen ergibt volle Friedhöfe. | ||
– Dushan Wegner[15] |
In eine ähnliche Richtung geht das von Ernst-Wolfgang Böckenförde formulierte Böckenförde-Diktum[wp]:
Zitat: | «Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und - auf säkularisierter[wp] Ebene - in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.»[16] |
Die damit verbundene Frage lautet, wie eine demokratische Gesellschaft mit undemokratischen Entwicklungen umgehen kann, um dabei demokratisch zu bleiben. Aktuell ist diese Frage in Zusammenhang mit illegalen Invasoren, kriminellen Migrantenbanden, kommunistischen Mitgliedern der SED-Nachfolgepartei "Die Linke" und Angehörigen von Stammesgesellschaften etwa aus Afghanistan, Kurdistan und Somalia.
Einzelnachweise
- ↑ OLG Köln, Urteil v. 03.07.2008 - Az.: 15 U 43/08 - spickmich.de; m.V.a. BVerfG NJW 1980, 2070, 2071
- ↑ ipwiki.de: Falschzitat
- ↑ Merriam-Webster: tolerance
- ↑ D. James Kennedy: Led by the Carpenter: Finding God's Purpose for Your Life, Thomas Nelson Incorporated, 1999, ISBN 0-7852-7039-6, S. 209
- ↑ D. James Kennedy: Solving Bible Mysteries: Unraveling the Perplexing and Troubling Passages of Scripture, Thomas Nelson Incorporated, The Kennedy Collection, 2000, Abschnitt "Mystery 4: Should we judge or not judge?
- ↑ D. James Kennedy: The New Tolerance, The Christian Post am 17. Mai 2007
- ↑ Anreißer: Aristoteles und das falsche Toleranz-Zitat.
Auszug: Vermutlich handelt es sich dabei um eine eingedeutschte Version des seit einigen Jahren in konservativen englischsprachigen Foren kursierenden Satzes "Tolerance is the last virtue of a depraved society" aus dem kurzen Text "The New Tolerance" des konservativen evangelikalen Predigers D. James Kennedy[wp] aus dem Jahr 2007. Dieser prangert dort, wenig überraschend, den vorgeblichen moralischen Relativismus der Moderne an und zeichnet dabei den Vorwurf der Intoleranz als neue Waffe der Progressiven. - ↑ Gerald Kriegsopfer: "Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft." Aristoteles (angeblich), Zitatforschung am 10. Juni 2018 (FALSCHZITATE mit Belegen und Kommentaren. Hunderte falsche Zitate, Memes, Kuckuckszitate, Zitaträtsel, apokryphe, problematische und entstellte Zitate, misquotations, misattributed and fake quotes.)
- ↑ Gerald Kriegsopfer: Der Mensch ist die dümmste Spezies! Er verehrt einen unsichtbaren Gott und tötet eine sichtbare Natur ..." Hubert Reeves (angeblich), Zitatforschung am 15. Dezember 2019 (FALSCHZITATE mit Belegen und Kommentaren. Hunderte falsche Zitate, Memes, Kuckuckszitate, Zitaträtsel, apokryphe, problematische und entstellte Zitate, misquotations, misattributed and fake quotes.)
- ↑ Peter Schwarz: Rundschlag: Aristoteles und die NPD, zvw.de am 3. November 2015
- ↑ dpa-Faktencheck: Dieser Satz stammt im Original von einem evangelikalen Prediger des 20. Jahrhunderts, am 19. Dezember 2019
- ↑ WGvdL-Forum: Vorsicht: "Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft", Don Camillo am 23. Februar 2020 - 17:27 Uhr
- ↑ Twitter: @krieghofer - 28. Nov. 2018 - 9:24 Uhr
- ↑ Händels Oper "Giustino" wird die aufwändigste Produktion der ganzen Spielzeit, Südkurier am 7. Oktober 2019
- ↑ Dushan Wegner: Das Toleranz-Paradox-Paradox, Dusan-Wegner-Blog am 15. Mai 2018
- ↑ Ernst-Wolfgang Böckenförde: Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Recht, Staat, Freiheit. 2006, S. 112 f.
Querverweise
Netzverweise
- Wikipedia führt einen Artikel über Kuckuckszitat (Der Artikel wurde zuerst in WikiMANNia am 26. März 2021 angelegt, in der deutschen Wikipedia erst am 22. Mai 2022.)
- Kuckuckszitate: Was Goethe, Loriot, Nietzsche und Co. nie gesagt haben - Capriccio[wp] (Bayerischer Rundfunk) (25. Juni 2020) (Länge: 5:17 Min.)
- Zitate, schlaue Sätze für besondere Situationen: Wer hat sie nicht gern parat. Aber sehr viele Zitate werden der falschen Persönlichkeit zugeordnet. Philosoph Gerald Krieghofer erforscht so genannte "Kuckuckszitate".