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Geopolitik
Der Begriff Geopolitik bezeichnet die macht-, militär- und wirtschaftspolitische Beurteilung und Interpretation von geographischen Gegebenheiten auf Basis politologischer Expertisen.
Geopolitik am Beispiel Ukraine
Geostrategie und EmotionenDiese Emotionalisierung ist gewollt, denn wer emotionalisiert, also wütend, verängstigt, entsetzt und so weiter ist, dessen Fähigkeit zu rationalem Denken ist ausgeschaltet. Und wer nicht rational, sondern emotional denkt, der ist über seine Emotionen leicht lenkbar. Das ist ein bewährtes Mittel zur Lenkung der Massen. Wenn wir aber Geopolitik verstehen wollen, müssen wir vollkommen trocken und "gefühllos" analysieren. Geopolitik ist wie ein Schachspiel und wir alle wissen, dass noch nie jemand ein Schachspiel mit Emotionen gewonnen hat, sondern dass immer der gewinnt, der besser und kaltblütiger analysiert. Das gilt auch für den Beobachter eines Schachspiels, der das Spiel und die Strategien der Spieler nur verstehen kann, wenn er das Spiel genauso kalt und sachlich beobachtet, wie die Spieler es spielen. In der Geopolitik sind diese Beobachter des Spiels die Analysten, zu denen ich mich zähle. Man muss die politischen Ereignisse beobachten, wie ein Schachspiel. Wenn man beim Schach Mitgefühl mit dem Bauern hat, der als das bekannte "Bauernopfer" geschlagen vom Feld genommen wird, dann hat man das Spiel nicht verstanden. Der Bauer ist nur eine Figur und er wurde geopfert, um für seine Seite einen Vorteil zu generieren, indem er zum Beispiel im Tausch gegen einen Läufer geopfert wurde. Das geopolitische SchachbrettIn der Geopolitik sind Länder und Völker die Spielfiguren. Wer Geopolitik verstehen will, der muss denken, wie ein Geostratege. Und einem Geostrategen ist es vollkommen egal, ob ein Land zerstört und hunderttausende Menschen dabei ermordet werden, für den Geostrategen zählt nur, dass seine Seite dabei einen Vorteil erlangt hat und dass die Gegenseite dabei geschwächt wurde. Das zerstörte Land und die hunderttausenden unschuldigen Toten sind das Baueropfer. Und der Geostratege hat mit denen genauso wenig Mitgefühl, wie der Schachspieler mit dem aus Holz geschnitzten Bauern, den er gegen einen Läufer des Gegners getauscht hat. Das ist zynisch, aber so ist die Realität in der Geopolitik. Ich bin froh, dass ich "nur" Analyst bin. Ich beobachte und kann - während ich an meinen Analysen arbeite - meine Gefühle ausblenden. Ich könnte kein Geostratege sein, der diese Entscheidungen trifft, die "bei Bedarf" hunderttausenden Menschen den Tod bringen. Zum Verständnis der Geopolitik müssen wir wissen, dass sie so funktioniert, wie ich es gerade beschrieben habe, und dass die Entscheider die Welt als Schachbrett ansehen, wobei die Länder und ihre Völker die Figuren sind. Die mächtigen Staaten - vor allem die USA, Russland und China - sind die Spieler und alle anderen Staaten sind die Spielfiguren, so müssen wir uns das in einer - zugegeben etwas vereinfachten Darstellung - vorstellen. Und verschiedene Länder sind verschieden wichtig und mächtig, einige sind nur Bauern, andere sind Läufer, Springer oder Türme. Aber sie sind von den Entscheidungen der Spieler abhängig, sie sind trotzdem nur Spielfiguren. Interessen oder Freundschaft?Nachdem wir verstanden haben, dass Geopolitik nur wenig mit Menschlichkeit zu tun hat, hat sich die Frage, ob es unter Staaten Freundschaften gibt, eigentlich schon wieder erledigt. Die Antwort ist nein, es gibt in der Geopolitik keine Freundschaften, auch wenn Politiker uns gerne erzählen, zum Beispiel die USA oder Frankreich wären Deutschlands Freunde. In der Geopolitik geht es um handfeste Interessen. Dass zum Beispiel Russland und China heute "eng befreundet" sind, liegt daran, dass sie in sehr vielen Bereichen die gleichen Interessen haben. Sie sind an Stabilität in Asien interessiert, weil kein Staat gerne Unruhe in der Nähe seinen Grenzen hat. Russland ist an Chinas Technologie und industrieller Macht interessiert, China braucht Russlands Rohstoffe und auch Unterstützung auf den Technologiefeldern, auf denen Russland führend ist. Hinzu kommt, dass die beiden Staaten von den USA regelrecht zur Zusammenarbeit gezwungen werden, weil die USA beide Staaten offiziell zu ihren Gegnern erklärt haben, die die USA seit Jahren offen mit Sanktionen und anderen Mitteln bekämpfen. Die USA wollen die Weltmacht Nummer eins bleiben, also die Weltherrschaft behalten. Das nennt sich unipolare Welt, in der es nur einen Machtpol gibt. Russland und China teilen daher das Interesse, diesen Machtpol, der sie zu Feinden erklärt hat und sie bekämpft, zu brechen. Das ist ein defensives Verhalten der beiden Länder, denn es waren nicht sie, die die USA zum Gegner erklärt und Sanktionen und andere Maßnahmen gegen die USA eingeführt haben, es war umgekehrt: Die USA überziehen Russland und auch China seit vielen Jahren mit Sanktionen, wirtschaftlichen "Strafmaßnahmen" und versuchen Verbündete gegen Russland und China zu finden. Russland und China streben eine Weltordnung an, in der es keine dominierende Macht gibt, die allen anderen ihre Regeln aufzwingen kann und möchte. Sie streben eine multipolare Welt an, in der es mehrere, gleichberechtigte Machtpole gibt, die ihre Interessen auf Augenhöhe besprechen und Lösungen suchen, ohne dass einer den anderen dominiert. Wenn sich Staaten zusammenschließen, dann steckt dahinter keine Freundschaft, sondern die Tatsache, dass sie gemeinsame Interessen haben. Die VorgeschichteDie USA sind auf dem Spielbrett unter Druck geraten, denn sie haben den Höhepunkt ihrer Macht in den 1990er und 2000er Jahren erlebt und danach immer mehr an Einfluss verloren. In den 1990er Jahren war die Sowjetunion zerfallen, Russland war schwach, China war noch ein rückständiges Land. Die USA konnten auf der Welt schalten und walten, wie es ihnen gefiel und das haben sie auch getan. Sie waren die Weltmacht, das Imperium, wie Historiker eine Weltmacht nennen. Aber in den 2000er Jahren ist Russland unter Putin wieder "auf die Füße" gekommen und auch Chinas Aufstieg verlief in der Zeit rasant. In den 2010er Jahren war China bereits eine selbstbewusste Weltmacht, Russland war noch zurückhaltender und sich seiner eigenen Kraft noch nicht wirklich sicher. Die Entscheidung bei Russland kam mit dem Maidan 2014, als Russland sich gezwungen sah, den Ambitionen der USA in Russlands "Hinterhof" entgegenzutreten. Wie sich herausstellte war Russland bereits gefestigt und wirtschaftlich stark genug, um die Sanktionen, mit denen die USA Russland für sein "Aufmucken" gegen den Maidan-Putsch bestraft haben, zu überstehen. Russland wurde durch den Sanktionsdruck sogar noch stärker, was die Verantwortlichen in Washington zunächst nur irritiert, dann aber zunehmend in Angst versetzt haben dürfte. Die Sanktionen sind an Russland regelrecht abgeperlt. China wurde erst später von den USA angegangen. Das geschah ab 2017 unter Präsident Trump, der China zum Gegner Nummer eins ausgerufen hatte, weil China angefangen hat, die wirtschaftliche Dominanz der USA zu bedrohen. Die wirtschaftliche Dominanz der USA ist die Grundlage für ihre militärische Dominanz, weshalb China in Wahrheit für die USA der wichtigere Gegner ist, als Russland. Ich greife jetzt vor, aber das erklärt übrigens, warum die USA sich zuerst um Russland "kümmern" wollten, denn sie hielten Russland (vor allem wirtschaftlich) für schwach und dachten anscheinend, sie könnten es in einer Art wirtschaftlichen "Blitzkrieg" durch die Sanktionen entscheidend schwächen, bevor sie sich China zuwenden würden. EurasienDer Schlüssel zur Weltmacht, zur "Worldwide Dominance", wie die USA es nennen, ist die Herrschaft über Europa und Asien, über den sogenannten eurasischen Kontinent. Wer dort herrscht, der beherrscht die Welt. Das ist der Grund, warum die USA Russland traditionell als gefährlichen Gegner ansehen. Russland selbst hat keine aggressiven Absichten gegen niemanden, Russland hat mehr Land und Bodenschätze, als es braucht und wäre auf die nächsten hundert Jahre damit beschäftigt, sein riesiges Land zu entwickeln. Aber das ist das Problem: Russland ist ein riesiges Land auf dem eurasischen Kontinent und damit ein Problem für die USA, wenn es sich dem Willen der USA nicht unterordnet. Und genau diese Unterordnung verweigert das unter Putin wieder selbstbewusst gewordene Russland. Dass Russland keinerlei aggressiven Absichten hat, ist nicht meine blühende Fantasie oder russische Propaganda, das hat einer der mächtigsten Think Tanks der USA, die RAND-Corporation[wp], 2019 in einer Studie herausgearbeitet. Darüber war man in den USA aber nicht etwa erfreut, man war stattdessen verärgert und hat sich daher Gedanken gemacht, wie man Russland so reizen kann, dass es endlich mal aggressiv reagiert, die Details der Studie finden Sie hier. Das mag für Sie unverständlich klingen, ist aber eine logische Folge, wenn man geopolitisch denkt. Die USA mussten eine Koalition schmieden, um Russland in die Knie zu zwingen, denn es behindert, solange es den USA gegenüber ungehorsam ist, auch ohne irgendwen zu bedrohen, schon aufgrund seiner schieren Größe den US-Anspruch, die dominante Macht in Eurasien zu werden. Aber wie schmiedet man eine Koalition gegen einen friedlichen Nachbarn? Ganz einfach: Indem man ihn so sehr reizt, dass er nicht mehr friedlich reagiert, und dann kann man den anderen sagen: "Seht her, Russland ist gefährlich, wir müssen uns zusammentun und Russland stoppen!" So zynisch funktioniert Geopolitik und deshalb war die Erkenntnis der RAND-Corporation, Russland habe keinerlei aggressive Absichten, für die USA eine schlechte Nachricht. SpielfigurenDie Ukraine war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion[wp] das Land mit dem besten Potenzial in Osteuropa. Das Land hatte eine - zwar marode - aber trotzdem leistungsfähige Industrie mit durchaus konkurrenzfähigen Produkten. Es gab Flugzeugbau, Schiffbau, Weltraumtechnik, Nukleartechnik und Schwerindustrie, außerdem ist die Ukraine reich an Bodenschätzen wie Kohle und hat die fruchtbarsten Böden Europas, wahrscheinlich sogar der Welt. Aber im Westen wollte man keine Konkurrenz in der Industrie und da traf es sich gut, dass sich bei der vom Westen geförderten Privatisierung kurzfristig denkende, gierige Oligarchen die Filetstücke des Landes sicherten. Die Ukraine hat ihr Potenzial nie genutzt, sie blieb ein Leichtgewicht in Europa, im Schach würde man sagen, sie ist ein Bauer. Sie hätte zu einer Dame werden können, aber wer hat schon ein Interesse daran, dass ein potenzieller Gegner plötzlich eine Dame auf dem Brett stehen hat? Aufgrund der aus Sowjetzeiten engen familiären Bindungen der Menschen und der engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der Ukraine und Russland war die Ukraine aber ein sehr wichtiger Bauer. Zusammen mit Russland hätte die Ukraine zu einer Dame werden können und Russland selbst hätte sich viel schneller entwickeln können. Das zu verhindern, war schon in den 1990er Jahren eines der wichtigsten Ziele der Geostrategen in Washington, wie der einflussreiche Geostratege Zbigniew Brzeziński[wp] schon 1997 in seinem wichtigen Standardwerk "Die einzige Weltmacht" detailliert ausgeführt hat. In dem Buch kann man im Grunde das nachlesen, was in den folgenden zwei Jahrzehnten geschehen ist. Die USA haben die anti-russischen Kräfte in der Ukraine massiv gefördert, um einen Keil zwischen Russland und die Ukraine zu treiben. So blieb die Ukraine, die potenzielle russische Dame, ein schwacher Bauer. Dass die Menschen in der Ukraine seit 30 Jahren in Armut leben, spielt für die Geostrategen dabei keine Rolle, denn Geopolitik ist nun einmal zynisch und nicht menschenfreundlich. Der Kampf um den BauernDa Russland immer stärker wurde, wuchs aus Sicht der USA die Gefahr, dass die Ukraine sich Russland zuwenden könnte, denn Russland wurde für viele Nachbarn ein attraktiver Partner. Wenn ein Zusammengehen mit Russland zu mehr Wohlstand bei den Ukrainern geführt hätte, hätte die Ukraine den Einflussbereich der USA verlassen können. Das galt es aus Sicht der USA zu verhindern. Russlands Interessen waren andere, Russland wollte die Ukraine nicht zu einem Satelliten machen. Russland war aufgrund der NATO-Osterweiterungen und der immer konfrontativeren Politik der EU an einer Brücke zu Europa interessiert. Die Ukraine hätte aus russischer Sicht erstens ein Puffer zwischen der NATO und Russland, und zweitens eine Brücke zu Europa werden sollen, über die Wirtschaft, Handel und kultureller Austausch hätten laufen können. Russlands Interesse und Putins großes Ziel, das er schon 2001 in seiner Rede im Bundestag umrissen hat[1], war der große gemeinsame Raum von Lissabon bis Wladiwostok, in der europäische Industrie und Technologie zusammen mit russischen Bodenschätzen und Manpower eine gemeinsame Macht gebildet hätten, in der die EU und Russland aufeinander angewiesen gewesen wären, ohne dass einer den anderen dominieren könnte. Die Ukraine war der letzte Schlüssel zu diesem Ziel, nachdem die USA die baltischen Staaten in die US-dominierte NATO gezogen hatten und Weißrussland vom Westen geächtet war. Daher war es das oberste Ziel der USA in Europa, die Ukraine endgültig und nachhaltig von Russland zu trennen. Der von den USA orchestrierte und finanzierte Maidan-Putsch[cp], der in Kiew anti-russische, ja sogar neonazistische Regierungen an die Macht gebracht hat, war ein wichtiger Sieg für die USA. Aber die USA hatten aus der Vergangenheit gelernt, denn es hatte vorher schon die Orangene Revolution[wp] gegeben, die aber nicht endgültig gewesen ist und nach der wieder ein eher pro-russischer Präsident die Wahlen gewonnen hatte. Den hatte man mit dem Maidan[wp] erfolgreich weggeputscht. Um eine Wiederholung "ungewollter" Wahlergebnisse zu verhindern, brauchten die USA etwas, das den Keil unumkehrbar zwischen die Ukraine und Russland treiben konnte. Und was ist dazu besser geeignet, als ein Krieg? In meinem Buch über die Ukraine-Krise von 2014 habe ich aufgezeigt, dass es der CIA-Chef war, der den damaligen Machthabern in Kiew den Krieg im Donbass befohlen hat. Er war bei der entscheidenden Sitzung des ukrainischen Sicherheitsrates inkognito in Kiew dabei, wie das Weiße Haus nur Tage später eingestehen musste. Der Krieg im Donbass war der eigentliche Sieg der USA, denn damit konnte man die ukrainische Bevölkerung gegen Russland einschwören und vor allem war dadurch, dass die russische besiedelte Krim und der russische besiedelte Donbass nicht mehr an Wahlen in der Ukraine teilnehmen konnten, sichergestellt, dass nur noch anti-russische Kräfte bei Wahlen gewinnen. Der Bauer Ukraine war endgültig unter die Kontrolle der USA geraten. Das BauernopferDie USA hatten danach immer noch das große Ziel, ihre beiden Gegner im Kampf um die Macht in Eurasien zu besiegen, der Maidan war nur ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Der Kampf gegen China ist ein anderes Thema, daher bleiben wir bei Russland. Russland wurde trotzdem immer stärker, auch alle ab 2014 unter allen möglichen Vorwänden verhängten Sanktionen konnten daran nichts ändern. Während westliche Experten 2014 Russlands baldigen Staatsbankrott und Zusammenbruch prophezeiten, wuchs Russlands Wirtschaft, seine Devisenreserven verdoppelten sich und auch der Wohlstand der Menschen in Russland blieb erhalten. Die schon erwähnte RAND-Corporation hat 2019 eine weitere 354-seitige Studie verfasst, in der sie im Detail ausgearbeitet hat, wie man Russland schwächen könnte. Ich habe der Studie eine 20-teilige Serie gewidmet, in der ich aufgezeigt habe, was die USA geplant haben, um Russland zu schwächen. Fast alles, was in der Studie vorgeschlagen wurde, wurde in der Folge umgesetzt, man kann die Macht dieser Geostrategen in den USA gar nicht hoch genug einschätzen. Das beste Mittel, einen geopolitischen Gegner zu schwächen, ist es, ihn in einen teuren Stellvertreterkrieg[wp] zu treiben. Das Prinzip ist nicht neu, wir kennen das aus Vietnam und Afghanistan. Ein Stellvertreterkrieg ist für den Gegner teuer, er kostet Menschenleben, was zu Unzufriedenheit, Instabilität und Unruhe im Innern führen kann, und er lässt sich propagandistisch verwerten, um andere Länder gegen den Gegner aufzubringen und ihn so auch außenpolitisch zu schwächen. In der Strategie der RAND-Corporation war unter anderem enthalten, Russland mit der Stationierung von Atomwaffen nahe seiner Grenzen zu reizen. Zur Ukraine konnte man in der Studie der RAND-Corporation schwarz auf weiß lesen, dass die USA keinerlei Interesse an einem Frieden im Donbass hatten, sondern den Krieg im Donbass nach Bedarf nutzen wollten, um Russland zu reizen und Kosten für Russland zu erzeugen. Der ukrainische Präsident Selenskij hat Ende Februar 2022 auf der Münchner Sicherheitskonferenz[wp] offen mit der Entwicklung und Stationierung eigener Atomwaffen in der Ukraine gedroht. So etwas sagt ein Präsident nicht einfach so aus einer Bierlaune heraus, wer so etwas öffentlich ankündigt, hat es entweder schon umgesetzt, oder man steht kurz davor. Vor allem aber konnte Selenskij das nicht ohne Rückendeckung aus Washington verkünden. Hinzu kommt, dass die hochrangigen Vertreter des Westens Selenskij für diese Aussage Beifall klatschten, anstatt seiner Idee sofort zu widersprechen. Russland in der ZwickmühleDamit war eingetreten, was die RAND-Corporation angestrebt hat: Russland hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera, es konnte Atomwaffen an seiner Grenze, noch dazu unter Kontrolle eines von radikalen Anti-Russen regierten Staates zulassen, oder versuchen, das im letzten Moment militärisch zu verhindern. Russland entschied sich für letzteres, was ganz im Interesse der RAND-Corporation und damit der USA war. In der Ukraine wurde ein für Russland teurer Stellvertreterkrieg entfesselt, den die USA nach allem Kräften ausgeschlachtet haben, um Russland wirtschaftlich zu schwächen, Koalitionen gegen Russland zu schmieden und so weiter. Die USA hofften, Russland mit diesem Stellvertreterkrieg endlich endgültig zu schwächen und in die Knie zwingen zu können, was sie auch ganz offen sagten, wenn es in Washington hieß, das Ziel sei es, die russische Wirtschaft zu zerstören. Wie gesagt, Geopolitik ist menschenverachtend und zynisch. Aber so funktioniert sie nun einmal. Heute wissen wir, dass die US-Strategie nicht aufgegangen ist. Russland ist nicht am Boden und die USA haben nun das Problem, dass sie ihre eigenen Ressourcen für die Unterstützung der Ukraine gegen Russland zu verbrauchen, während China, der eigentliche Hauptgegner USA, bisher der lachende Dritte ist. Die Chronologie der EskalationZur Verdeutlichung werde ich noch einmal aufzeigen, wie es zu der Eskalation in der Ukraine gekommen ist. Anfang Dezember 2019 fand der letzte Normandie-Gipfel in Paris statt. Selenskij kam danach zurück nach Kiew und verkündete seinen Leuten hinter verschlossenen Türen, dass er das Abkommen von Minsk nicht umsetzen wird. Allen Beteiligten in der Ukraine war damit klar, dass ein Krieg mit Russland unvermeidbar geworden war und Kiew begann mit konkreten Kriegsvorbereitungen. Das hat der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Alexej Danilow, im August 2022 in einem Interview offen erzählt und auch Selenskij hat das nun in dem Spiegel-Interview bestätigt. Im Januar 2021 wurde Joe Biden US-Präsident. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Trump, der keine Eskalation in der Ukraine wollte, gab Biden Selenskij grünes Licht. Daraufhin begann Selenskij im Februar 2021 gegen die Opposition vorzugehen, woraufhin der Chef der größten Oppositionspartei unter Hausarrest gestellt und alle oppositionellen Medien wurden verboten wurden. Im März 2021 setzte Selenskij die neue Militärdoktrin der Ukraine in Kraft, in der ein Krieg mit Russland mit dem Ziel festgeschrieben wurde, die Krim gewaltsam zurückzuerobern und den Konflikt im Donbass gewaltsam zu entscheiden. Mitte April 2021 verkündete die Biden Regierung den Abzug aus Afghanistan bis zum 11. September. Im April und Mai 2021 stand die Ukraine kurz vor einem Krieg mit Russland, wurde aber von den USA noch einmal zurückgepfiffen. War der Grund, dass die US-Truppen noch in Afghanistan und damit verwundbar waren, oder dass die USA die Ukraine nicht so umfänglich unterstützen konnten, solange sie noch in Afghanistan gebunden waren? Mitte Juni 2021 fand ein Gipfeltreffen der Präsidenten Putin und Biden statt, bei dem es aber keine Annäherung gab. Im August 2021 fand die überstürzte Flucht der NATO- und US-Truppen aus Afghanistan statt. Während Kiew die Situation im Donbass ab Ende 2021 wieder eskaliert hat und die NATO ihre Truppenpräsenz in der Ukraine unter dem Vorwand von Manövern und Ausbildungsmissionen erhöht hat, haben Deutschland und Frankreich das Minsker Abkommen im November 2021 offiziell beerdigt, worüber es in westlichen Medien allerdings keine Berichte gab. Die Russland-Sanktionen wurden, wie Politico im Oktober 2022 berichtet hat, bereits mindestens ab November 2021 in Gesprächen zwischen Washington und Brüssel vorbereitet. Das war drei Monate vor dem Beginn der russischen Intervention in der Ukraine und just zu dem Zeitpunkt, als Berlin und Paris das Minsker Abkommen beerdigt haben. Dass die Abkehr vom Minsker Abkommen zum Krieg in der Ukraine führen würde, war den Entscheidungsträgern in Washington und Brüssel (und wahrscheinlich auch in Berlin und Paris) offenbar klar, weshalb sie parallel die entsprechenden Sanktionen vorbereitet haben. Afghanistan war Vergangenheit und damit hatten die USA die Hände frei für einen neuen Konflikt. Im Dezember 2021 forderte Russland von den USA und der NATO ultimativ gegenseitige Sicherheitsgarantien und den Abzug der NATO-Truppen aus der Ukraine und erklärte, dass es im Falle einer Ablehnung gegenseitiger Sicherheitsgarantien gezwungen sei, "militärtechnisch" zu reagieren. Damit war klar, dass Russland auf weitere Bestrebungen, die Ukraine in die NATO zu ziehen, militärisch reagieren würde. Das war der Moment, in dem allen verantwortlichen Politikern bewusst war, dass eine Ablehnung von Verhandlungen mit Russland zu einem Krieg in der Ukraine führen würde. Der Krieg und all das Elend hätte verhindert werden können, wenn die USA bereit gewesen wären, einen neutralen Status der Ukraine dauerhaft zu akzeptieren und zu garantieren. Am 8. Januar 2022 wurde Scott Miller zum US-Botschafter in der Schweiz berufen. In einem Interview vom November 2022 erzählte er ganz offen, dass die USA "Geheimdienstinformationen über die Invasion" gehabt hätten und er diese sofort, also Anfang Januar 2022, der Schweizer Regierung gezeigt hätte. Da die Gespräche zwischen Russland und den USA über die Frage, ob es zu Verhandlungen über die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien kommen würde, zu diesem Zeitpunkt noch liefen, belegt die Aussage von Miller, dass die USA bereits beschlossen hatten, nicht in Verhandlungen einzutreten und sich der Folgen, nämlich der russischen Intervention in der Ukraine, in vollem Umfang bewusst waren. Miller bestätigte damit außerdem indirekt den Bericht von Politico darüber, dass die Sanktionen schon Monate vorher ausgearbeitet wurden, was Bundeskanzler Scholz und andere westliche Politiker später auch bestätigt haben, als sie sagten, dass die Russland-Sanktionen "von langer Hand vorbereitet" waren. Ende Januar 2022 wurde in den USA das Lend-Lease-Gesetz für die Ukraine eingebracht, über das bei seiner Einreichung in den Kongress geschrieben wurde:
Das bestätigt ein weiteres Mal, dass die USA sich bereits auf den Krieg vorbereitet haben, während sie offiziell noch immer mit Russland über mögliche Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsgarantien gesprochen haben, denn das Gesetz zur Unterstützung der Ukraine gegen die "russische Militärinvasion" wurde einen Monat vor der russischen Intervention in den Kongress eingebracht. Fast gleichzeitig mit der Einreichung des Gesetzes haben die USA und die NATO Ende Januar 2022 die von Russland vorgeschlagenen Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsgarantien abgelehnt. Am 19. Februar 2022 hat Selenskij auf der Münchner Sicherheitskonferenz unter dem Applaus der hochrangigen westlichen Zuhörer die atomare Bewaffnung der Ukraine angedroht. Damit war das russische Eingreifen nicht mehr zu verhindern, denn dass sich die Ukraine, die in ihrer Militärdoktrin offen einen Krieg gegen Russland vorbereitet hat, sich dazu auch noch mit Rückendeckung des Westens nuklear bewaffnen könnte, war für Russland eine inakzeptable Bedrohung der eigenen Sicherheit. Am 21. Februar 2022 hat Putin die Donbass-Republiken anerkannt und Beistandsabkommen mit ihnen geschlossen. In seiner Rede dazu hat Putin Kiew deutlich vor den Folgen einer weiteren Eskalation gewarnt. Kiew hat den Beschuss auf zivile Ziele im Donbass danach aber noch einmal demonstrativ erhöht. Am 24. Februar 2022 hat Putin in einer weiteren Rede den Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine verkündet. Am 29. März 2022 gab es bei Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau einen Waffenstillstand. Kiew selbst machte dabei den Vorschlag, die Krim als russisch anzuerkennen und eine Verhandlungslösung für den Donbass zu finden. Darüber hinaus hat Kiew zugesagt, keine ausländischen Truppen mehr in seinem Land zu stationieren und nicht NATO-Mitglied zu werden. Ein EU-Beitritt der Ukraine war hingegen möglich. Außerdem erklärte Russland als Zeichen des guten Willens, seine Truppen aus der Region Kiew abzuziehen, was westliche Medien sofort als militärische Niederlage Russlands umdeklarierten, obwohl der russische Rückzug ohne Kampfhandlungen stattgefunden hat. Am 3. April 2022 erschienen die Meldungen von angeblichen Massakern der russischen Armee in Butscha, die sich jedoch schnell als False-Flag-Operation herausstellten. Dennoch wurde Butscha als russisches "Verbrechen" bezeichnet und in den Medien breit behandelt, während die mögliche Verhandlungslösung, die nur Tage zuvor erreicht worden war, kein Thema in den Medien war. Großbritannien ist ebenfalls nicht auf die erreichte Verhandlungslösung eingegangen, sondern hat der Ukraine stattdessen am 8. April 2022 Militärhilfe in Höhe von 100 Millionen Pfund für die Fortsetzung des Kampfes gegen Russland versprochen. Einen Tag später, am 9. April 2022, reiste der britische Premierminister Johnson[wp] nach Kiew und sprach mit Selenskij, der das ukrainische Angebot im Anschluss an diese Gespräche zurückzog und stattdessen verkündete, die Entscheidung müsse auf dem Schlachtfeld erfolgen. Am 30. September 2022 hat der ukrainische Präsident Selenskij Verhandlungen mit einem von Putin geführten Russland per Dekret und Strafe gestellt. | ||
– Anti-Spiegel[2] |
Einzelnachweise
- ↑ Rede vor dem Deutschen Bundestag am 25. September 2001
- In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag erklärt Putin, dass Russland die Prozesse der Integration Europas mit Hoffnung sieht, gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Kalten Kriegs. Er bietet verstärkten Dialog und Zusammenarbeit an, um die gemeinsamen Potentiale besser ausschöpfen zu können.
- Putins Rede im Bundestag auf Deutsch (2001) - Alle sind schuldig, vor allem wir Politiker (25. September 2001) (Länge: 26:03 Min.)
- Russlands Präsident hat schon 2001 im Deutschen Bundestag angeboten, die Potenziale Russlands mit denen der anderen Teile Europas zu vereinigen, NachDenkSeiten am 17. Februar 2016
- "Rede Wladimir Putins vor dem Deutschen Bundestag 2001", Teil 1, 2, 3 - Wladimir Wladimirowitsch Putin (25. September 2001 vor dem Deutschen Bundestag in Berlin) (Länge: Putin spricht Deutsch ab 2:25 Min.)
- Rede Wladimir Putins vor dem Deutschen Bundestag 2001 - Wladimir Wladimirowitsch Putin (25. September 2001 vor dem Deutschen Bundestag in Berlin) (Länge: 26:02 Min. Putin spricht Deutsch ab 2:30 Min.)
- Rede Wladimir Putins, Präsident der Russischen Föderation, am 25. September 2001 vor dem Deutschen Bundestag (Wortprotokoll)
- In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag erklärt Putin, dass Russland die Prozesse der Integration Europas mit Hoffnung sieht, gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Kalten Kriegs. Er bietet verstärkten Dialog und Zusammenarbeit an, um die gemeinsamen Potentiale besser ausschöpfen zu können.
- ↑ Thomas Röper: Am Beispiel der Ukraine: Wie Geopolitik funktioniert, Anti-Spiegel am 18. Juni 2023