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Richterliche Unabhängigkeit
Der Begriff Richterliche Unabhängigkeit bezeichnet im deutschen Recht den Grundsatz, dass Richter nur dem Gesetz unterworfen sind. Neben Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes enthalten auch § 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und § 25 des Deutsches Richtergesetzes (DRiG) entsprechende Bestimmungen. Einer Dienstaufsicht[wp] unterstehen Richter gemäß § 26 Abs. 1 DRiG nur insoweit, wie ihre Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird.
Bedeutung
Richter sind somit nicht weisungsgebunden, das heißt weder unmittelbare Vorgesetzte (z. B. der Direktor eines Amtsgerichts oder der Präsident eines Landes- oder Oberlandesgerichts) noch der jeweilige Landesjustizminister können Richtern Anweisungen erteilen, wie sie in einem bestimmten Fall zu entscheiden haben. Auch dienstliche Beurteilungen oder Maßnahmen der Dienstaufsicht dürfen keinerlei Weisungen mit Blick auf künftige Entscheidungen beinhalten. Diese Grundsätze gelten auch für Richter auf Probe.
Zum Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit gehört die Rechtsprechung als solche. Diese umfasst den Inhalt einer Entscheidung mit ihrer Würdigung des Parteivorbringens sowie der Sach- und Rechtslage, also die Verbindung der Rechtssätze mit den konkreten Tatsachen. Außerdem liegt die Art der Verfahrensführung und die Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung im unabhängigen richterlichen Ermessen, solange der Richter hierbei nicht ausdrücklich gegen Gesetze wie beispielsweise die Zivilprozessordnung[wp] verstößt.
Die so genannte "sachliche Unabhängigkeit" wird unterstützt durch die "persönliche Unabhängigkeit" (jene besitzen gemäß Art. 97 Abs. 2 GG nur die auf Lebenszeit angestellten Richter). Nach ihr dürfen Richter nicht gegen ihren Willen entlassen oder versetzt werden (§ 30 DRiG), was verhindern soll, dass unliebsame Richter entlassen oder versetzt werden. Gleichwohl gibt es Entlassungen oder auch Versetzungen als Disziplinarmaßnahme[wp]; sie sind aber nur durch Urteil eines Gerichts in einem entsprechenden Verfahren möglich.
Dienstaufsicht
Die richterliche Unabhängigkeit entzieht den Richter nicht der Dienstaufsicht. Allerdings wird diese von den zuständigen Landgerichten zumindest teilweise nur sehr unzureichend wahrgenommen.
Pro
In der Theorie gilt die richterliche Unabhängigkeit als ein grundlegendes Merkmal von Rechtsstaatlichkeit. Es heißt, die richterliche Unabhängigkeit garantiere die für den Rechtsstaat unerlässliche Gewaltenteilung und gewährleiste die Neutralität der Richterschaft, indem sie die rechtsprechende Gewalt vor Eingriffen der Legislative und der Exekutive schützen würde. Insofern sei die richterliche Unabhängigkeit keineswegs ein Standesprivileg von Richtern, sondern sie läge im Interesse des rechtsuchenden Bürgers.
...und Contra
Letzteres wird zunehmend bezweifelt. So sagt Prof. Dr. Gerd Seidel von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin in seinem Beitrag "Die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit" (AnwBl 2002, 325-330), die wirklichen Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit würden von der Rechtsprechung selbst ausgehen. Durch offensichtlich grob unverhältnismäßige und völlig unplausible Entscheidungen und Eskapaden im persönlichen Verhalten einzelner Richter werde die gesamte Richterschaft und oft auch der Rechtsstaat in Misskredit gebracht. Als Beispiel wird ein Richter des AG Idstein angeführt, der bei seiner Entscheidung in einer Unterhaltssache ernsthaft die Auffassung vertrat, die unbefleckte Empfängnis sei "wissenschaftlich nicht auszuschließen", zumal die Kulturgeschichte des christlichen Abendlandes "zu einem nicht unerheblichen Teil" auf der Erscheinung der jungfräulichen Geburt beruhe.[1]
Mehr als solche bizarren Begründungen in einzelnen Fällen gibt es Anlass zur Sorge, dass offenbar mehr als nur einige wenige Richter unter dem Schutzschirm der richterlichen Unabhängigkeit in Verfahren ausgesprochen einseitig bzw. voreingenommen agieren, nach Belieben Sachverhalte falsch darstellen sowie Verfahrensrecht und elementare Rechtsgrundsätze missachten. Hier wären eine nahezu willkürliche Handhabung des Amtsermittlungsgrundsatzes und die häufige Verweigerung rechtlichen Gehörs zu nennen. Richter können ein faires Verfahren verweigern, ohne dass dies irgendwelche Folgen hätte. Darüber hinaus verleitet das Bewusstsein, sich nahezu alles erlauben zu können, einzelne Richter dazu, ungeniert gegen Gesetze zu verstoßen.
Für den Bereich der Sorgerechts- und Umgangsverfahren sei beispielhaft auf den Beitrag "Strukturkonservative Familiengerichte" verwiesen und selbst die üblen, quasikriminellen Manipulationen einer Familienrichterin, die jegliche Bodenhaftung verloren hat
wurden vom LG Koblenz anlässlich einer Dienstaufsichtsbeschwerde nicht beanstandet.
Des weiteren sorgt es für Unmut bei Betroffenen, dass sogar im Falle extremer Prozessverschleppungen auf die richterliche Unabhängigkeit verwiesen wird.
Mögliche Abhilfe
Der oben erwähnte Prof. Seidel schlägt vor, die bisherigen Beurteilungen durch den Dienstvorgesetzten sollten ersetzt werden durch Evaluierungen, die alle zwei Jahre stattfinden könnten und von Kommissionen durchgeführt würden, die mit Richtern des gleichen Gerichts und des übergeordneten Beschwerdegerichts besetzt sein sollten.[1]
Das allein dürfte aber kaum ausreichen. Wünschenswert wäre, dass die enge und restriktive Definition des Tatbestands der Rechtsbeugung gelockert würde. Dagegen ist die derzeit gültige "Rechtsprechung" des BGH nichts anderes als unverfrorener Kollegenschutz, dank derer eine Strafverfolgung von rechtsverletzenden Richtern in der Praxis so gut wie ausgeschlossen ist. In weniger groben Fällen würde es an sich genügen, wenn Dienstaufsichtsbeschwerden tatsächlich objektiv nach gegangen wird, aber dies ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle realiter nicht gegeben.
Fazit
Viele Bürger haben bereits erlebt, dass dem folgenden Satz sehr viel Wahrheit innewohnt:
Zitat: | «Bei näherer Betrachtung des Falls Mollath kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass manche Richter "Unabhängigkeit" mit "Narrenfreiheit" verwechseln.» - Joachim Bode[2] |
Faktisch können deutsche Richter dank der richterlichen Unabhängigkeit (bzw. der exzessiven Ausdeutung des Begriffs durch die dienstaufsichtführenden Kollegen) machen, was sie wollen. Zumindest Richterpersönlichkeiten, denen die charakterliche Eignung für ihr Amt abgeht, nutzen das gnadenlos aus. Dabei schützt sie ein weiteres Vorrecht, dass exklusiv für ihre Berufsgruppe gilt: das sogenannte "Richterprivileg". Wie zahllose Veröffentlichungen im Internet belegen, hat eine wachsende Zahl von Menschen, darunter auch viele Rechtsanwälte, indessen kein Verständnis mehr dafür, dass es im angeblichen Rechtsstaat offenbar nicht möglich ist, Richtern beizukommen, die selbstherrlich Recht und Gesetz ignorieren. Richter, die Mitbürger als ihnen ausgelieferte Untertanen betrachten, werden in der demokratischen Bürgergesellschaft zunehmend als Fremdkörper empfunden.
Auch angesichts ihrer doch recht häufigen Fehlleistungen ist es ein Unding, dass Richter in einem demokratischen Rechtsstaat einer wirksamen gesetzlichen Kontrolle entzogen sind. Fachleute gehen davon aus, dass bei Zivilverfahren über zehn Prozent Fehlurteile angefertigt würden. Das sei zum Teil auf unzureichende fachliche Kenntnisse und zum Teil sogar auf mangelnde charakterliche Eignung einiger Richter zurückzuführen. Viele alt gediente Anwälte berichten, dass es in Deutschland wegen der richterlichen Unabhängigkeit weder eine funktionierende Rechtsaufsicht noch eine Qualitätskontrolle für Urteile gebe.[3]
Noch deutliche höhere Zahlen von Fehlurteilen werden in einem Artikel von "Zeit online" genannt. Dort wird Ralf Eschelbach, Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit dem Satz zitiert, dass jedes vierte Strafurteil in Deutschland ein Fehlurteil sein könnte. Und Sabine Rückert, Gerichtsreporterin und Autorin des Buches "Unrecht im Namen des Volkes. Ein Justizirrtum und seine Folgen" schrieb 2011: "Wie oft es in Deutschland tatsächlich zu Fehlurteilen aufgrund falscher Beschuldigungen kommt, wird nicht erforscht. Im Gegenteil: Für Gerichte, Staatsanwaltschaften und sogar für die Wissenschaft sind Fehlleistungen der Strafjustiz kein Thema. Insgesamt bloß etwa 90 Wiederaufnahmen bei über 800.000 rechtskräftig erledigten Strafsachen zählt das Bundesjustizministerium pro Jahr. Die Zahl derer, die in unserem Land unschuldig verurteilt werden, dürfte allerdings erheblich höher liegen. Wie hoch, lässt sich daran ablesen, dass Zivilgerichte nach einem Schuldspruch im sich anschließenden Schadensersatzprozess in 30 bis 40 Prozent der Fälle zu einem anderen Urteil kommen als das zuvor damit befasste Strafgericht."[4]
Insofern gehört die Ausgestaltung der richterlichen Unabhängigkeit tatsächlich auf den Prüfstand. Die derzeitige Rechtsstellung von Richtern, die sie praktisch jeder Verantwortung für ihr Tun enthebt, hat bereits das Vertrauen weiter Kreise der Bevölkerung in die Justiz beschädigt (siehe dazu den Abschnitt "Vertrauen in die Justiz? - Was die Bürger denken" im Beitrag "Richter"). Es gilt, weiteren Schaden zu verhindern und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 JuraWiki: Gerd Seidel, Die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit, AnwBl 6/2002
- ↑ Richter am Amtsgericht i. R.
- ↑ Streitfall des Tages: Wenn Richtern alles egal ist, Handelsblatt am 20. November 2012
- ↑ Falsche Zeugen: Lügen, die man gerne glaubt, Die Zeit am 11. Juli 2011
- ↑ Karl Albrecht Schachtschneider: "Rechtsproblem Familie", S. 23, S. 28-31
Rechtsproblem Familie in Deutschland (41 Seiten)