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Recht und Gerechtigkeit
- Titel
- Recht und Gerechtigkeit
- Ein Märchen aus der Provinz
- Autoren
- Jörg Kachelmann, Miriam Kachelmann
- Verlag
- Heyne Verlag, 2012, ISBN 3-453-20025-X
Inhaltsverzeichnis
- Teil I Die Verhaftung
- Ein voller Aufzug
- Miriams Sicht: Die Verhaftung
- Frau Gottschalk und Herr Birkenstock
- Teil II Das Gefängnis
- Herzogenriedstraße 111, 68169 Mannheim, Zelle 1016 (verschissen)
- Der Knast und die virtuellen Kinder
- Die ersten Tage
- Spießrutenlauf in Mannheim
- Zelle 1328
- Hausreiniger Kachelmann
- Die falschen Zellennachbarn
- Die Theologen
- Knastleben im Sommer
- Justiz heute: der Deal
- Die Wolfsschanze
- Wetterstation Knast und Hundstage
- Was kommt in der Glotze?
- Männer weinen doch
- When will you be out of jail?
- Die letzten Tage in Herzogenried
- Das Oberlandesgericht
- Teil III Die Entlassung
- Es ist nicht alles gut
- Miriams Sicht: Der Anwalt
- Lügenstorys und Schauergeschichten
- Ende des Nachrichtenboykotts
- Teil IV Auf der Flucht
- Nordfriesland und Dänemark
- My Boys
- Teil V Der Prozess beginnt
- 6. September 2010
- Der Kröber
- Miriam als Zeugin vor Gericht
- Miriams Sicht: Die Aussage
- Große Frustration
- Teil VI Die Wende
- "Ja, Schwenn"
- Miriams Sicht: Aussagepsychologie
- Es weihnachtet sehr
- Geballter Schwachsinn
- Gutachterkriegsgeheul
- Lauter Lügen
- Wider die Journaille
- Zürcher Waterloo
- Wahrheit und Gerechtigkeit
- Teil VII Was sich ändern muss
- Miriams Sicht: Kein Einzelfall
- Was wird
- Anhang
- Dienstaufsichtsbeschwerde vom 7. Juni 2010
- Prof. Dr. Ralf Höcker: Die presserechtliche Seite
- Einstweilige Verfügungen, die Jörg Kachelmann über die Kanzlei Höcker erwirkte
Vorwort
Oje, nicht schon wieder, werden Sie sagen, nicht schon wieder der Kachelmann. Sie haben so viel gehört, mehr als Sie jemals über mich erfahren wollten und sollten, ein paar Dinge, die wahr waren und sehr viele, die frei erfunden wurden.
Schon im Gefängnis war mir klar, dass ich ein Buch schreiben wollte (und vielleicht wäre ich schneller aus dem Knast gekommen, wenn ich es nicht so laut angekündigt hätte, um ein "Ich lass mich von euch nicht unterkriegen" zu demonstrieren). Ich hatte in den hundertzweiunddreißig Tagen in acht Quadratmetern Mannheim viel Zeit, so viel Zeit wie noch nie, über mich nachzudenken. Über die Dinge, die ich in meinem Leben richtig gemacht habe und die Dinge, die ich falsch gemacht habe.
Die richtigen Dinge aufzuzählen wäre vermessen, womöglich sähe ich mich zu positiv im Rückblick und würde der Versuchung erliegen, mich Ihnen anzubiedern. Nichts läge mir ferner, ich will Sie ja nur einladen, dieses Buch zu lesen, das zu schreiben für Miriam und mich eine viel schwierigere Aufgabe war, als wir uns das ursprünglich gedacht hatten. Aber wir haben auch eine Mission, nämlich mitzuhelfen, dass das, was mir passiert ist, am besten niemandem nach mir passiert und dass die, die unschuldig wegen einer Falschbeschuldigung im Knast sitzen, bald ein neues Verfahren mit einem Freispruch bekommen.
Die Zahl an Falschbeschuldigungen dieser Art ist erschreckend hoch, Experten gehen inzwischen davon aus, dass eine womöglich deutliche Mehrheit aller Vergewaltigungsanzeigen auf keiner realen Basis beruht - nicht selten liegen die Gründe dafür darin, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte in Deutschland unkritisch alles glauben, was ihnen da erzählt wird. Und selbst wenn sie es nicht tun, führt eine Falschbeschuldigung immer wieder zum Erfolg: Das wohl dramatischste Beispiel ist der Fall des Lehrers Horst Arnold, der unschuldig seine volle Strafe abgesessen hatte und starb, bevor die Justiz sich bequemen wollte, sich der Falschbeschuldigerin anzunehmen. Was der Spiegel in seiner Ausgabe vom 16. Juli 2012 darüber schrieb, ist symptomatisch: "Was passiert eigentlich Staatsanwälten, die ihren Job schlecht machen? [...] Es passiert ihnen nichts. [...] Was passiert Richtern, die [...] Fehlurteile fällen? Ihnen passiert schon gar nichts."
Beim Schreiben in den letzten Monaten kam ich zu der Erkenntnis, dass auch in Mannheim weder den Polizisten und Staatsanwälten noch den Richtern irgendetwas passierte. Egal wie fehlerhaft sie sich im Zusammenhang mit meinem Fall verhalten haben, ich weiß nicht, ob sie gelogen oder sonst die Wahrheit verbogen haben, um mir bewusst zu schaden, oder ob sie sich in etwas verrannt hatten und dann keinen Ausweg mehr sahen, außer den einmal eingeschlagenen Weg unter dem Beifall großer Teile der veröffentlichten Meinung immer weiter zu verfolgen, auch dann, als er sich als falsch erwies. Was ich aber weiß, ist, dass niemand dafür zur Rechenschaft gezogen wurde. Die meisten Beteiligten sind sogar befördert worden.
Andererseits gehört für mich zu meinem neuen Leben auch, das alte zumindest zur Kenntnis zu nehmen und zu wissen, dass ich eben früher Fehler gemacht habe. Ich hatte schon während der Olympischen Spiele in Kanada, wo ich mich bis zur Verhaftung aufgehalten hatte, Zeit zum Nachdenken und wusste, was ich wollte und nicht mehr wollte, sodass die anschließende Denkpause so recht gar nicht mehr notwendig gewesen wäre. Aber sie war da, wenn auch ungerecht und zwangsweise - und im Gefängnis, umgeben von den vielen Kakerlaken, Ratten und Hakenkreuzen in der JVA Mannheim, ist die Erkenntnis weiter gewachsen (ich möchte nicht sagen, dass hundertzweiunddreißig Tage unschuldiges Sitzen für irgendwas gut sein können, aber wenn, dann dafür), dass nicht nur mein Leben, sondern auch ich selbst manchmal nicht so war, wie ich mir das wünschte und es richtig gewesen wäre.
Aber es gab nie Gewalt, Übergriffe, Jekyll und Hyde, Hebel, die sich umlegten, einen eiskalten Blick oder was auch immer mir in frei erfundenen Medienberichten angedichtet wurde. Die Fehler, die ich gemacht habe, waren andere und gehören in keinen Gerichtssaal: Ich habe über viele Jahre ein rastloses Leben geführt, habe mich im Beruf rumscheuchen lassen und war der falschen Meinung, dass das für das Wohlergehen der Firma notwendig sei. Ich habe immer wieder neue Menschen kennengelernt und nicht unterscheiden können oder wollen, wer und was gut für mich ist und wer nicht - als ich es mit der Zeit wusste, war ich zu feige, mich von ihnen zu trennen, und habe mich irgendwie durchgewurschtelt, ein Jongleur mit viel zu vielen Bällen. Ich war über Jahre in Beziehungsdingen nicht immer ehrlich, hatte mehrere Geliebte auf einmal. Einige von ihnen haben, um Rache zu üben, für Geld ihre Seele und die Wahrheit geopfert und mir damit letztendlich nicht nur bewiesen, dass sie nie Liebe empfunden haben, sondern auch gezeigt, dass ich nicht so feige hätte sein müssen - mein Rat an alle in einer ähnlichen Situation: lieber das Ganze gleich beenden, dann muss man nicht mehr oder weniger lustige Räubergeschichten erfinden, nur um doch bitte selbst verlassen zu werden, weil das vielleicht vor der Rache der Ex schützt.
Wahre Liebe ist ein seltenes Gut, und ich habe Gefühle vorgetäuscht bekommen und selbst manchmal Gefühle vorgetäuscht, wo eigentlich keine waren. Das tut mir leid und wird mir in diesem Leben nicht mehr passieren. Ich habe in dieser Zeit viele Dinge gelernt und wichtige Menschen in meinem Leben hinzugewonnen, aber auch etwas verloren: Vertrauen in die Justiz und ihre Vertreter, das bis zu meiner Verhaftung unerschütterlich war. Miriam versucht in ihrem Kapitel am Ende des Buchs zu beschreiben, was falsch läuft im Staat, der ihrer ist, warum es falsch läuft und was geändert werden müsste, damit Deutschland wieder gewissenhaft als Rechtsstaat bezeichnet werden kann.
Wenn Sie private Abrechnungen und Bettgeschichten erwarten, werden Sie enttäuscht werden. Das Buch fängt mit dem Tag meiner Verhaftung an und wird nicht das Ende der Aufarbeitung meines Falls sein. Es ist unser Ziel, dass Falschbeschuldiger verurteilt und dass Justiz und Öffentlichkeit dafür sensibilisiert werden, dass es sich bei Tätern auch um Frauen handeln kann und diese nicht aufgrund ihres Geschlechts von vornherein und automatisch Opfer sind.
Ich widme dieses Buch meiner Liebe und klugen Koautorin, meiner tapferen Mutter, meinen Kindern, meinen Verteidigern Andrea Combé und Johann Schwenn, ohne die das Gericht seinen furchtbaren Furor wohl hätte bis zu einer Verurteilung ausleben können, sowie den Freunden, die uns am 31. Mai 2011 begleitet haben, und besonders auch all denen, die mir in der Not Geld geliehen haben and God bless Charles Linda and Al and the Highland community for all your prayers. Ich danke darüber hinaus allen, die mir in den Knast geschrieben und Mut gemacht haben und mir das Gefühl gaben, nicht alleine zu kämpfen. Auch im Namen meiner Frau danke ich all jenen, die uns unterstützt haben in schwieriger Zeit, Verwandte, Freunde, die uns Unterschlupf gewährt und uns kreativ geholfen haben im Kampf gegen die Paparazzi und auf der Flucht vor ihnen. Ich danke den Anstaltsgeistlichen für ihren Dienst am Mitmenschen, den meisten Vollzugsbeamten, die im dritten Stock des U-Haft-Trakts der JVA Mannheim Dienst taten, für ihre Menschlichkeit, meinem Schänzerkollegen und Freund René und all meinen Mitgefangenen auf dem Stockwerk - besonders dafür, dass keiner von ihnen für noch so viel Geld seine Seele und mich an die Medien verkauft hat -, und nicht zuletzt der Kanzlei Höcker, die versucht hat, den medialen Kloakenmahlstrom zu kontrollieren und dessen Verursacher mit ziviler deutscher Rechtsprechung zu begegnen. Ich erinnere mich dankbar an das wichtige Vertrauen von Christian Heeb (damals Radio Basel), Marco Maier von Radio Primavera sowie Michael Aigner von Aton-Solar - noch weit vor der Rechtskraft des Freispruchs, immerhin drei Persönlichkeiten, die verstanden haben, was der Rechtsstaat mit der Unschuldsvermutung meint. Und wir danken dem Heyne Verlag für den Mut, mit uns ein Buch zu machen - ein Mut, der heutzutage nicht selbstverständlich ist, wie wir feststellen mussten.
(...)
Miriam und ich möchten eine Stiftung oder einen Verein gründen, um mit Gutachtern und Anwälten, die ihr Handwerk verstehen, den Männern zu helfen, die zu Unrecht angeklagt wurden, und den Frauen, die wirklich einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind. Ein Teil der Erlöse dieses Buchs wird in diese zu gründende Einrichtung fließen. Es wäre uns eine Ehre, wenn sie den Namen von Horst Arnold tragen dürfte, einem falsch beschuldigten Mann, der nicht mehr erleben durfte, wie seiner Peinigerin der Prozess gemacht wird.
Inhaltsangabe
Jörg Kachelmann arbeitet den Kachelmann-Prozess auf, von der Inhaftierung, der fünfmonatigen Haftzeit über den Prozess selbst bis zu den juristischen Nachspielen.
Rezensionen
- "Was sich ändern muss, heisst Kapitel VII.
- Tja, schöne Worte und gute Ansätze, aber ich glaube nicht, dass sich in Zukunft irgendetwas ändern wird. Der nächste Promifall wird kommen, und die Hyänen werden ihren Frass bekommen - Wulff war ja schon ein solcher Fall! Die Journaille wird sich nicht ändern. Wie sonst könnte Friede Springer[wp] mal schlankerhand 74 Millionen verschenken. Von Hubert B. ganz zu schweigen. Man lebt vom Leid, von der Lüge, von falschen Sensationen, die verbreitet werden, doch gut!
- Es ist naiv zu glauben, dass irgendwelche Gesetze geändert werden, dass sich das Beamtentum, sprich Polizei, anders verhalten wird. Keine Rede davon wird sein, dass Staatsanwaltschaften bei der nächsten Gelegenheit den Auftrag - auch entlastende Beweise für den Beschuldigten zu berücksichtigen - wenn es nicht in ihren Kram passt, nachkommen werden.
- Die Richter und Staatsanwälte in Mannheim, aber nicht nur dort, werden das Buch lesen, davon bin ich überzeugt. Aber ich sehe schon ihr müdes Lächeln, mit dem sie es als Quatsch abqualifizieren.
- Falschbeschuldigungen wird es auch weiterhin geben, hat es schon vor und nach Kachelmann gegeben. Wir haben viele aufgelistet. Den jeweiligen Täterinnen, und das sind sie, wird überhaupt nichts passieren. Dafür sorgen schon die "Opferverbände" oder die unsägliche Schwarzer mit ihrem falschen Paktieren mit solchen Frauen. Solange sie in Talk-Shows, Pressemitteilungen und Vorworten weiterhin ihr Gift verspritzen darf, wird sich da nichts ergeben.
- Möglich, dass in der ehemaligen DDR in Bezug auf Emanzipation, alles besser ist/war (S. 343)? Ist es eigentlich besser, von einem totalitären Staates gegängelt zu werden und so "Emanzipation" zu lernen? Ich weiss es nicht, aber vielleicht ergibt sich ja eine Diskussion mit "älteren" ehemaligen DDR-Bürgerinnen, die uns das bestätigen können.
- Ich bin sehr gespannt, wie das Netzwerk oder die Stiftung aussehen wird, ob die ihre hehren Ziele erreichen wird und in welchem Zeitraum. Bedauerlich finde ich, dass Horst Arnold das nicht mehr erleben darf.
- Natürlich kann man das Buch empfehlen, warum denn nicht. Es ist doch recht informativ. Querlesen aber ist nicht die richtige Methode, man braucht sehr viel Aufmerksamkeit, Kaffee und Zigaretten! Vielleicht wird es ja einmal Pflichtlektüre für Jurastudenten, damit sie wissen, wie man einen Prozess nicht führt. Auch Unmögliches ist möglich!" - Rita Eva Neeser[1]
- "Wenn sich konservativ-christliche Provinz (Vereinsmeierei und Lokalpolitik inbegriffen) und feministisch-fundamentaler Mainstream verschwistern, dann führt das geradezu zwangsläufig zur Vorverurteilung des Mannes und zur Zementierung einer Opferolle der Frau führt." - Gabriele Wolff[2]
- "Falls das Buch wahr ist, dann müssen wir Deutschen uns ernsthaft um unseren Rechtsstaat Sorgen machen. Bevor man vorschnell urteilt - der Fall Kachelmann an sich ist hier wirklich Nebensache - soll man bitte das Buch lesen. Habe ich getan, weil ich Grippe habe. Falls das Buch wahr ist, dann dürfte manchem bürgerlich verankertem Menschen in Deutschland der Schreck in die Glieder fahren. Das Buch ist stilistisch einfach gehalten - direkt und schonungslos. Man hat als Bürger dieses Staates ja immer ein wenig den Verdacht, dass bei bestimmten Themen allzu gerne beschönigt oder weggeschaut wird. Dass dies bei Polizei und Justiz so sein könnte, ist auch nicht wirklich verwunderlich. Der kalte Blick auf den Polizei-und Justizapparat und die sezierende, schonungslose Analyse eines, zugegeben Betroffenen, über die Abgründe die man als Bürger dieser - sich für unfehlbar haltenden - Staatsgewalt ausgesetzt sieht, haben mir Angst eingeflößt. Vielleicht ist vieles im Staate schlimmer als man befürchtet hatte..." - Bernd Winkler [3]
- Gabriele Wolff: "Jörg & Miriam Kachelmann: Recht und Gerechtigkeit - mehr als eine Rezension"
- Teil IV, 11. November 2012
- Teil III, 31. Oktober 2012
- Statt der Fortsetzung der Rezension ein Intermezzo, 25. Oktober 2012
- Teil II, 19. Oktober 2012
- Teil I, am 13. Oktober 2012
Folgende Rezensionen stammen aus Wikipedia:[4]
- Marianne Quoirin bemängelte in ihrer Rezension in der Frankfurter Rundschau, dass "Wut und Hass" "das Buch von Jörg Kachelmann über seinen Prozess" bestimmten.[5]
- Hannelore Crolly schrieb in der Tageszeitung Die Welt über das Buch: "Kachelmann hat sich die Wut von der Seele geschrieben und sie mit teils deftigen Thesen garniert."[6]
- Auch Jochen Neumeyer äußerte sich in der Sächsischen Zeitung ähnlich: "Jörg Kachelmann schreibt mit viel Wut im Bauch über seine Zeit im Gefängnis und über den Prozess." Er meint allerdings auch: "Doch es gibt nicht nur Polemik - sondern auch Tipps für das Überleben im Knastalltag."[7]
- Sophie Albers schrieb bei Stern.de, Jörg Kachelmann verallgemeinere seine persönlichen Erfahrungen und schreibe ihnen "universelle Gültigkeit und Moral" zu. Das "wie eine Rachefibel klingende" Buch könne damit Schaden anrichten, weil es im Gegensatz zur gesellschaftlichen Wirklichkeit stehe.[8]
- Susanne Klaiber befragte für Focus Online einige Experten und Organisationen zu den Behauptungen des Buches. Veit Schiemann, Sprecher des Weißen Rings, verteidigte seine in Kachelmanns Buch als "Schutzorganisation krimineller Falschbeschuldigerinnen" bezeichnete Organisation. Der Weiße Ring schule seine Mitarbeiter, um nach Möglichkeit falsche Beschuldigungen zu erkennen, aber es gebe auch "unheimlich gute Schauspieler und unheimlich schlüssige Geschichten". Er gehe allerdings davon aus, dass die Staatsanwaltschaft erst Anklage erhebe, wenn sie aller Voraussicht nach auch das nötige Beweismaterial für ein Urteil habe. Der Kriminologe Rudolf Egg wandte sich ebenfalls gegen die Behauptung einer Häufung von Falschbeschuldigungen bei Vergewaltigung. Christian Pfeiffer[wp], Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen[wp] (KNF), nannte die Thesen über massenhafte Falschbeschuldigungen "Unsinn". Er warnte davor, eigene Erfahrungen zu generalisieren und nannte Jörg Kachelmanns Haltung "exzessives Selbstmitleid".[9]
- Thomas Knellwolf, Autor des Buches Die Akte Kachelmann - Anatomie eines Skandals[10], hob im Tages-Anzeiger ebenfalls auf das Selbstmitleid in Jörg Kachelmanns Ausführungen ab. Sie seien "nur geeignet, Verschwörungstheoretiker wie die Pro-Kachelmann-Kampfblogger zu bekehren."[11]
- Auch Alex Baur kritisierte in der Weltwoche die persönliche und polarisierende Haltung, aus der heraus Recht und Gerechtigkeit geschrieben sei. Jörg Kachelmann habe in seinem "Drang nach Vergeltung" sein Ziel aus den Augen verloren, Missstände bei der Verfolgung von Sexualdelikten aufzudecken. Eine nüchterne Debatte über Falschanschuldigungen sei dagegen überfällig. Das Thema werde "in der Praxis ausgeblendet und tabuisiert."[12]
Stellungnahmen
Claudia Simone Dinkel, die Ex-Geliebte von Jörg Kachelmann, geht gegen das von ihm gerade eben bei Heyne publizierte Buch Recht und Gerechtigkeit vor, wurde gestern Abend gemeldet.[13]
Hier die Stellungnahme des Verlags im Wortlaut:
- Der Heyne Verlag und die Autoren haben der Presse entnommen, dass gegen das Buch Recht und Gerechtigkeit von Jörg und Miriam Kachelmann eine Einstweilige Verfügung wegen der dort erfolgten vollen Namensnennung der Anzeigeerstatterin des rechtkräftig abgewiesenen Vergewaltigungsvorwurfs ergangen sein soll.
- Dem Heyne Verlag wurde bislang keine Einstweilige Verfügung zugestellt. Der Vertrieb des Buchs Recht und Gerechtigkeit findet nach wie vor ohne Einschränkungen statt, die Nachfrage ist erfreulich.
- Der Verlag hatte sich vor Drucklegung nach reiflicher Abwägung und sorgfältiger rechtlicher Überprüfung bewusst für die volle Namensnennung der Anzeigeerstatterin entschieden, da diese selbst ihr Recht auf Anonymität preisgegeben hatte, indem sie für die Ausgabe der Zeitschrift BUNTE vom 16.6.2011 ein großes Interview gab und auch für ein unverpixeltes Coverfoto und zahlreiche Innenteil-Fotos zur Verfügung stand. Darüber hinaus war ihr Klarname auch bereits in der bundesweit versandten Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim "Freispruch für Jörg Kachelmann" vom 31.05.2011 mitgeteilt und damit öffentlich bekannt geworden.
- Schließlich stand ihr Klarname auch in einer EMMA-Ausgabe vom Herbst 2011. Damit ist sie zu einer "relativen Person der Zeitgeschichte" geworden, die gegen eine kontextbezogene Namensnennung keine rechtlichen Einwände vorbringen kann.
- Wie bekannt wurde, findet die für morgen geplante Pressekonferenz, zu der sich auch der Anwalt der Klägerin angekündigt hat, wie geplant statt. Das Medienaufkommen dürfte beträchtlich sein. Ein bloßes Gerücht ist allerdings, dass der Anvokat dort die vom Verlag ursprünglich fürs Catering vorgesehenen Dinkel-Brötchen beschlagnahmen will ...[14]
Einzelnachweise
- ↑ Jörg Kachelmann - und das Buch, RitaEvaNeeser's Blog am 8. Oktober 2012
- ↑ Gabriele Wolff: Recht und Gerechtigkeit - mehr als eine Rezension (I), Gabriele Wolff's Blog am 13. Oktober 2012
- ↑ Bernd Winkler am 15.10.2012 - 16:28 Uhr, aus den Kommentarspalten: Fall Kachelmann: "Wir passen aufeinander auf", FAZ am 15. Oktober 2012 (Jörg und Miriam Kachelmann haben gemeinsam ein Buch geschrieben. Mit der F.A.S. sprechen sie über Rache, zweite Chancen und aufdringliche Leserreporter.)
- ↑ Wikipedia: Recht und Gerechtigkeit (Buch), Version 21. Mai 2013
- ↑ Marianne Quoirin: Rachegelüste und tiefe Narben bei Frankfurter Rundschau
- ↑ Hannelore Crolly: Jörg Kachelmann schreibt sich die Wut von der Seele bei Welt Online
- ↑ Jochen Neumeyer:Kachelmanns Buch: Milchreis und Gerechtigkeit, Sächsische Zeitung vom 11. Oktober 2011
- ↑ Kachelmanns falsche Wahl der Waffen, Der Stern am 8. Oktober 2012
- ↑ Kriminologe wirft Kachelmann Selbstmitleid vor, Focus online am 10. Oktober 2012
- ↑ Thomas Knellwolf: Die Akte Kachelmann - Anatomie eines Skandals. Orell Füssli, Zürich 2011, ISBN 978-3-280-05443-7. (Leseprobe E-Book)
- ↑ Thomas Knellwolf: Die Kritiken des Tages. Jörg Kachelmann erzählt Märchen, Tages-Anzeiger am 11. Oktober 2012
- ↑ Alex Baur: Die Rache des Wetterfroschs, in: Die Weltwoche Nr. 42/2012, S. 16 f.
- ↑ EV gegen Kachelmann-Buch, 10. Oktober 2012
- ↑ Stellungnahme von Heyne zu EV gegen Kachelmann-Buch / Pressekonferenz zum Buch findet morgen statt, 11. Oktober 2012
Netzverweise
- Wikipedia führt einen Artikel über Recht und Gerechtigkeit (Buch)
- Der tiefe Fall eines Medienstars Jörg Kachelmann. Wettermoderator und Justizopfer.[ext] - SWR1 Leute[wp], 11. Oktober 2012, 10.00 Uhr (32:45 Min.) Text zur Sendung
- Arne Hoffmann: Jörg Kachelmann: "Sind Menschenrechte nicht unteilbar?", Cuncti - Haltbar am 19. Oktober 2012 (Jörg & Miriam Kachelmanns "Recht und Gerechtigkeit" und das mediale Echo)
- Frank Wiebe: Wie sich Recht und Gerechtigkeit unterscheiden, 27. August 2012 (Verrechtlichung unserer Gesellschaft: Da, wo auch ethische Grundsätze oder Sitten und Konventionen greifen könnten und sollten, hat oft schon das Recht die Herrschaft übernommen. Und Recht ist eben häufig sehr abstrakt, schwer auf den Einzelfall zu übertragen und im Extremfall sogar daher sogar "ungerecht". Wenn Recht und Ethik nicht sauber getrennt werden, dann leistet das aber der Entwicklung Vorschub, das positive Recht an Stelle der Ethik zu setzen oder sogar als bevorzugte Quelle der Ethik anzusehen. Dann pocht jeder nur noch mit dem Gesetzbuch unter dem Arm auf sein "Recht" und ist wirklichen Argumenten und Reflexionen gar nicht mehr zugänglich. [...] Abtreibungen sind in den meisten Beispielen unter bestimmten Umständen straffrei gestellt wofür es gute Gründe gibt. Ein Grund GEGEN diese Straflosigkeit ist die durchaus berechtigte Sorge, dass daraus im Umkehrschluss auf die ehtische Rechtmäßigkeit geschlossen und damit der ethische Grundsatz, dass menschliches Leben schützenswert ist, untergraben wird (natürlich kann man auch diesen Grundsatz für das Leben vor der Geburt ablehnen, aber man kann ihn auch für richtig halten und trotzdem aus praktischen Gründen für die Straffreiheit eintreten). Das Beispiel zeigt sehr drastisch, wie wichtig es ist, Recht und Ethik auseinanderzuhalten.)