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Moscheeverein

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Der Begriff Moscheeverein bezeichnet eine Organisationsform nach dem Vereinsrecht[wp] für eine rechtsfähige Vereinigung, die entweder eine Moschee[wp] betreibt oder als Bauträger[wp] eine solche zu errichten beabsichtigt. Die islamische Variante ist eine "fromme Stiftung" (Waqf)[wp], die den Unterhalt einer Moschee zur Aufgabe hat.

Moscheevereine in Deutschland

Vielfach sind diese Vereine[wp] aus türkischen bzw. marokkanischen Kultur­vereinen mit angeschlossenem Gebetsraum, volkstümlich Hinterhof­moscheen[wp] genannt, hervorgegangen. Schätzungen der Bundesregierung zufolge gibt es in Deutschland rund 2600 Moscheevereine.[1]

In Deutschland haben sich seit 1973 mehrere Moscheevereine zu regionalen Verbänden und landesweiten Dachverbänden zusammen­geschlossen. Die Zusammen­schlüsse geschahen entlang der Grenzen bestimmter Nationalitäten und waren teils durch sprachliche, durch religiöse oder auch durch politisch-ideologische Differenzen gekennzeichnet.[2] Die Moscheevereine traten an die Stelle der Arbeitervereine[wp] und wurden zu Kristallisations­punkten einer entstehenden islamischen Infrastruktur und wirkten als Orte islamischer Identitäts­findung in einem nicht­islamischen Lebensumfeld. Der Aufbau überregionaler Organisations­strukturen entlang nationaler, politischer und religiöser Trennungs­linien wider­spiegelte religiöse, politische und kulturelle Differenzen, Spannungen und Konflikte der Heimatländer. Die Herkunfts­länder haben ihrerseits sehr bald die Chancen genutzt, durch finanzielle und personelle Unterstützung Einfluss auf den Islam in Deutschland[wp] zu nehmen.[3]

Vereinsmitglieder und Moscheegänger

Moscheevereine unterscheiden sich von anderen Vereinen in Deutschland durch ein anderes Verhältnis von Mitglieder- und Beteiligungs­struktur. Ursula Neumann von der Universität Hamburg beschreibt dies so: "Übliche eingetragene Vereine und Organisationen sind in der Regel mitglieder­bezogen, d. h. eine Anzahl von eingeschriebenen und beitrags­zahlenden Mitgliedern sind im Rahmen einer gemeinsamen Satzung tätig und werden über einen Vorstand repräsentiert; Nichtmitglieder haben keine Beteiligungs­möglichkeit. Islamische Religions­vereine bestehen hingegen aus einer kleinen Gruppe von Mitgliedern, welche als Träger einer Moschee fungieren, die sich aber einer großen Zahl von Besuchern für eine aktive Beteiligung öffnet. Die Gläubigen fühlen sich einer bestimmten Moschee zugehörig, beteiligten sich aber außer durch Spenden und das gemeinsame Gebet nur informell am Willens­bildungs­prozess in der Moschee."[4] Dieses Selbstverständnis der Moscheevereine wird zurückgeführt auf die Tradition der islamischen Stiftungen[wp], deren Angebote für alle offen sind.[5]

Der Organisationsgrad der in Deutschland lebenden etwa 3,4 Millionen Muslime ist eher gering. Nach Angaben des Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland haben nur knapp 400.000 Muslime[6], also eine Minderheit von 10 bis 15 % eine Mitgliedschaft in Moschee­vereinen im rechtlichen Sinne erworben.[7] Den höchsten Organisationsgrad haben die türkischen Muslime.[8] Knapp ein Viertel aller türkisch­stämmigen Muslime (23 %) ist selbst Vereinsmitglied, weitere 22 % sind über einen Familien­angehörigen an einen Verband gebunden. Mehr als zwei Drittel (72 %) besuchen zumindest bei Gelegenheit Moscheen und 40 % nutzen deren kulturellen, sozialen oder Bildungsangebote.[5]

Die Zahl der männlichen "Teilnehmer des wöchentlichen Freitagsgebets" wird vom Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland[wp] mit 493.000 angegeben.[1] Eine Studie von 2001 über türkische Arbeitnehmer ergab, dass 7,3 % der Türken mehrmals in der Woche Gottesdienste oder andere religiöse Veranstaltungen besuchen, 24,7 % einmal in der Woche und 24,8 % wenigstens einmal im Monat.[9] Eine repräsentative Studie über Muslime in Deutschland 2007 ermittelte, dass 11,4 % mehrmals in der Woche Moscheen besuchen, 17,1 % einmal in der Woche, 8,1 % mehrmals im Monat und 4,5 % höchstens einmal im Monat.[10]

Dies deckt sich grob mit Beobachtungen eines türkischen muslimischen Funktionärs des Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland[wp]: "Wir erreichen mit unserer Arbeit von 150.000 Muslimen in Norddeutschland rund zehn Prozent, also 15.000 Muslime, 5.000 sind regelmäßige Moscheegänger. Ich vermute, dass der Organisationsgrad der islamischen Gemeinden rund 30 bis 40 Prozent der Muslime erfasst, wobei wir unterscheiden müssen zwischen Mitgliedern in den islamischen Vereinen und zwischen den Moscheen­gängern."[11]

Angebote

Die Moscheevereine bieten eine Fülle von Aktivitäten, in der Reihenfolge der Nutzung laut einer Studie: Religiöse Betreuung/Korankurse, Freizeit­gestaltung/Sport, Räume für Heirat oder Beschneidung, Kultur, Bildung (Haus­aufgaben­betreuung und Nachhilfe­unterricht), Lebens­mittel­laden, soziale und rechtliche Beratung, lebens­praktische Beratung, Friseur­dienst­leistungen und Pilgerfahrt[wp]-Organisation.[5] Moscheevereine bieten teilweise eigene Deutsch- oder Integrations­kurse an, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert werden.[12] Letzteres meist in Moscheevereinen der DITIB[13] aber auch über andere Träger wie die "Islamische Gemeinde Penzberg".[14]

Seit 1997 veranstalten viele Moscheevereine in Deutschland jährlich am 3. Oktober[wp] den Tag der offenen Moschee[wp], zu dem insbesondere Nicht-Muslime eingeladen sind.

Finanzierung

Die Finanzierung des Moscheevereins läuft in aller Regel über Spenden der Moschee­besucher, nur zu einem geringen Teil über Mitglieds­beiträge. Wenn ein Moscheeverein als gemeinnützig anerkannt ist, sind Spenden in gleicher Weise steuerlich absetzbar[wp] wie entsprechende Zuwendungen an öffentlich-rechtliche Körperschaften[wp] oder andere gemeinnützige Einrichtungen.[1] Außerdem kalkulieren viele Moschee­vereine mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung[wp] von Geschäfts­betrieben (Friseur, Lebens­mittel­laden, Café, Buchhandlungen) und Festräumen. Für einige Veranstaltungen werden Eintritts­gelder oder Kursgebühren erhoben.

Nach den der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnissen gewähren außerdem die Türkei, Saudi-Arabien und Iran muslimischen Organisationen in Deutschland finanzielle Unterstützung.[1]

Finanzierungsprobleme können zu Mietschulden bis hin zur Zwangs­versteigerung der Moschee führen.[15] Auch der Genehmigungs­prozess an sich kann Finanzierungs­probleme hervorrufen, wenn er das Vertrauen der Spender nachhaltig erschüttert.[16]

Dachverbände

Hauptartikel in Wikipedia: Islamische Organisationen in Deutschland

Vereinsverbote

Seit der gesetzlichen Abschaffung des Religionsprivilegs[wp] im November 2001 können Moscheevereine wie alle anderen Vereine von den deutschen Innenministern verboten werden, wenn "deren Zweck oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder [sie] sich gegen die verfassungs­mäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völker­verständigung richten" (Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 Vereinsgesetz). Entsprechend wurden ab Dezember 2001 die Ortsvereine des Kalifatstaats[wp] und im Dezember 2005 das Multikulturhaus[wp] in Neu-Ulm verboten.[17] Nur bei sehr wenigen Moscheen in Deutschland (15 bzw. 39 von ca. 2600) befürchtete 2006 der Verfassungsschutz, diese könnten "als Radikalisierungs- und Rekrutierungs­märkte fungieren".[18]

Moscheebau

Für den Standort eines Moscheevereins sind neben den Mietkosten und der Wohnortnähe auch der Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel von ausschlag­gebender Bedeutung.[19]

Die Strategien im Umgang mit den bei Moscheebau auftretenden Konflikten sind unterschiedlich. Viele Kommunen minimieren die Konflikte, indem sie Moscheebau­vorhaben möglichst unauffällig in Gewerbe­gebieten genehmigen, andere nutzen Moschee­bau­konflikte aktiv, um nachhaltige Dialog­strukturen aufzubauen. Moscheevereine nutzen verstärkt den Weg, sich mit Moschee­neubauten endgültig in der deutschen Gesellschaft zu beheimaten.[20]

Die Interessenkonflikte beim Bau von Moscheen werden in Deutschland meist im Rahmen des öffentlichen Baurechts (Art und Maß der baulichen Nutzung gemäß Flächen­nutzungs­plan und Bebauungsplan; Stellplatz­verordnung) und Immissions­schutz­rechts (Lärmbelästigung) ausgetragen. Bekannte öffentliche Kontroversen wurden beispielsweise um den Bau der Khadija-Moschee[wp] der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Berlin-Heinersdorf, um die Moschee­projekte des Berliner Vereins Inssan[wp] und um die DITIB-Zentralmoschee Köln-Ehrenfeld[wp] geführt, wohingegen die DITIB-Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh[wp] als besonders konfliktarmes Moscheebau­projekt gilt.

Moscheevereine in Österreich

Hauptartikel in Wikipedia: Moscheevereine in Österreich

Moscheevereine in der Schweiz

Hauptartikel in Wikipedia: Moscheevereine in der Schweiz

Moscheevereine in Frankreich

Hauptartikel in Wikipedia: Moscheevereine in Frankreich

Literatur

Moscheeverein
  • Jan-Peter Hartung: Die fromme Stiftung (waqf). Eine islamische Analogie zur Körperschaft? In: H.G. Kippenberg (Hrsg.): Die verrechtlichte Religion. Der Öffentlichkeitsstatus von Religionsgemeinschaften., Tübingen 2005, S. 287-313, ISBN 3-16-148432-0
  • Thomas Schmitt: Islamische Organisationen und Moscheevereine in Deutschland, Eine Übersicht 2003
Vereinsleben
  • Pdf-icon-extern.svg Zur Situation islamischen Gemeindelebens in Berlin[ext] (30 KB) - Pdf-icon-extern.svg Islamstudie - Ergebnisse[ext]
Architektur
  • Salomon Korn: Moschee auf der Alm: Zu schwach, um Fremdes zu ertragen?, FAZ am 27. Oktober 2008
  • Josef Peter Schuller: Die verborgene Moschee. Zur Sichtbarkeit muslimischer Gebetsräume in Wien, hrsg. Ulrike Bechmann / Wolfram Reiss: Anwendungsorientierte Religionswissenschaft, Beiträge zu gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen, Band 4, Tectum, 2013, ISBN 3-8288-3177-X
Moscheebaukonflikte
  • Claus Leggewie[wp], Angela Joost, Stefan Rech: Der Weg zur Moschee - Eine Handreichung für die Praxis, Herbert-Quandt-Stiftung, 2002, ISBN 3-00-009382-6
  • Renate Holzapfel: Keine Moschee in Zeiten des Terrors?, in: "Islam in europäischen Dörfern", Otto Lembeck, 2002, ISBN 3-87476-403-6
  • Der Moschee-Streit. Eine exemplarische Debatte über Einwanderung und Integration., Kiepenheuer & Witsch, 2008, ISBN 3-462-04010-3
  • René Peter Hohmann: Konflikte um Moscheen in Deutschland: Eine Fallstudie zum Moscheebauprojekt in Schlüchtern (Hessen), VDM-Verlag, 2008, ISBN 3-83643-810-0
  • Thomas Schmitt: Moscheen in Deutschland. Konflikte um ihre Errichtung und Nutzung., Dissertation 2000, 2003 aktualisiert, ISBN 3-88143-073-3
  • Alexander Häusler: Rechtspopulismus als "Bürgerbewegung". Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008, ISBN 3-531-15919-4
  • Arbeitsgemeinschaft Lokaler Aktionsplan Pankow: Pdf-icon-extern.svg Der Moscheebaukonflikt in Pankow-Heinersdorf und Kommunale Handlungsmöglichkeiten[ext], Berlin im Januar 2007

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Große Anfrage zum "Stand der rechtlichen Gleichstellung des Islam in Deutschland" vom 29. Juni 2006 (Bundestagsdrucksache 16/2085) und Antwort der Bundesregierung vom 19. April 2007 (Bundestagsdrucksache 16/5033)
  2. Cibedo - Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz: Die Anwerbung seit 1961 und die Entwicklung islamischer Organisationen in Deutschland
  3. Cibedo - Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz: Die wichtigsten islamischen Organisationen in Deutschland
  4. Pdf-icon-extern.svg Prof. Dr. Ursula Neumann gegenüber dem Ausschuß des Schleswig-Holsteinischen Landtags[ext], Umdruck 15/4468, 30. April 2004 (60 KB)
  5. 5,0 5,1 5,2 Pdf-icon-extern.svg Islam in Deutschland - Einstellungen der türkisch­stämmigen Muslime: Religiöse Praxis und organisatorische Vertretung türkisch­stämmiger Muslime in Deutschland, Ergebnisse einer bundesweiten Befragung des Zentrum für Türkeistudien[ext] - Faruk Şen / Martina Sauer, 2006 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im August 2018)
  6. Islamkonferenz: Im Zeichen alter Gegensätze, FAZ am 27. September 2006 (nach Angaben des Zentralinstitut Islam-Archiv-Deutschland e.V.)
  7. Daten und Fakten zum 2. Plenum der Deutschen Islam Konferenz (DIK) in Berlin, BMI 2. Mai 2007
  8. Stichwort: Islam in Deutschland, Deutsche Welle am 29. März 2006
  9. Situation ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familien­angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland. Repräsentativ­untersuchung 2001, Teil A: Türkische, ehemalige jugoslawische, italienische sowie griechische Arbeitnehmer und ihre Familien­angehörigen in den alten Bundesländern und im ehemaligen West-Berlin. Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Januar 2002. Tabellenband, S. 112, Tabelle 7.15 (Auszug bei Pdf-icon-extern.svg "Muslime" in Deutschland - Eine Annäherung von Carsten Frerk[ext])
  10. Karin Brettfeld u. Peter Wetzels, Muslime in Deutschland, Hamburg BMI 2007, Seite 110
  11. Moscheen als Mittler von Ahmet Yazici, stellvertretender Vorsitzender des Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland[wp], 7. Juni 2006
  12. Deutsche Verben in der Moschee, Westdeutsche Zeitung am 12. September 2007
  13. BAMF: Liste der zugelassenen Kursträger
  14. Deutsche Merkwürdigkeiten in 600 Stunden, Merkur Online vom 29. Dezember 2006
  15. Kreuzberger Moschee wird zwangsversteigert, Der Tagesspiegel am 21. Dezember 2006
    Auszug: Mevlane Moschee am Kottbusser Tor in Kreuzberg zwangs­versteigert, andere Moschee der Föderation in Charlottenburg wurde bereits im Juli zwangsversteigert, Mietschulden auch bei der Emir Sultan Moschee in Schöneberg
  16. Ditim räumt Spenden-Mangel ein, Merkur Online am 2. September 2008
  17. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2006, S. 42 und 88.
  18. 39 Moscheen in Deutschland verdächtig, Netzeitung am 18. März 2006
  19. Islamisches Gemeindeleben 'made in Berlin': Pluralisierung, Professionalisierung und urbane Kompetenz von Alexa Färber
  20. Pdf-icon-extern.svg Islam weitgehend in Deutschland angekommen - Bilanz eines zweijährigen Forschungsprojekts[ext] - Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart (91 KB)

Querverweise

Netzverweise


Dieser Artikel basiert nur leicht gekürzt und ohne Bilder auf dem Artikel Moscheeverein (15. Dezember 2015) aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Der Wikipedia-Artikel steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar, die vor Übernahme in WikiMANNia am Text mitgearbeitet haben.