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Meinungsführerschein

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Das politische Schlagwort Meinungsführerschein (Kofferwort aus den Begriffen Meinung im Sinne von öffentlicher Meinungs­äußerung und Führerschein im Sinne von Befähigungs­nachweis) bringt plakativ die Befürchtung zum Ausdruck, dass die in einem formal demokratisch verfassten Gemeinwesen zunehmende Reglementierung der Meinungs­äußerungs­freiheit durch die Elite zur Kontrolle und Lenkung des politischen Meinungs­bildungs­prozesses in logischer Konsequenz auf die Einführung einer behördlich ausgestellten Kompetenz­bescheinigung für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungs­äußerung sowohl für Bürger als auch ortsansässige Fremde hinausläuft.

Hintergrund

Ich hatte in Erinnerung, dass ich irgendwo in den Tiefen der Berge von TODO-Notizen und Hinweisen noch einen dritten Fall habe, in dem jemand der Allgemeinheit verbieten will, sich abweichend zu äußern, und man ein positives Recht der Meinungs­äußerung brauchen soll, habe das aber gestern nicht mehr gefunden, und wollte das am Wochenende weiterschreiben. Der Trend geht ganz offenbar in die Richtung, für Meinungs­äußerungen eine Meinungserlaubnis zu benötigen, vorher so eine Art Meinungsführerschein machen zu müssen und nur mit amtlichem Kennzeichen in der Öffentlichkeit herummeinen zu können. Dazu eine Meinungsverkehrsordnung.
Hadmut Danisch[1]
Besser wird es dadurch aber auch nicht, denn "Das Netz darf kein rechtsfreier Raum sein." ist Schlachtruf und untrügliches Merkmal aller Politschwätzer, die so gar keine Ahnung davon haben, wovon sie reden, aber nicht leiden können, dass es hier irgendwer noch wagt, selbst zu meinen.

Es wäre mal eine interessante Frage, wovon wir eigentlich mehr haben: Rechtswidrige Äußerungen oder falsche Vorwürfe der rechtswidrigen Äußerungen. Denn sagen wir es mal so: Kaum ein Polizist oder Staatsanwalt kennt sich halbwegs damit aus, was man darf, und mir würde jetzt auch kein einziger Politiker einfallen.

Ist mir ja gerade selbst so gegangen.

Wir brauchen mal eine Debatte darüber, was eigentlich schlimmer ist, die Meinungen oder Leute wie Voigt[wp], die keine Ahnung haben, wovon sie schwätzen, aber anderen die Meinungsfreiheit verbieten wollen.

Wie wäre es denn mal mit einem Gegenspruch? Das Parlament darf kein kompetenzfreier Raum sein!

Warum eigentlich sollen an einen Jedermann, der etwas twittert, soviel höhere Anforderungen an die Rechtskunde zum Äußerungsrecht gestellt werden, als an einen Politiker, der im Landtag spricht und Ministerpräsident werden und Gesetze machen will? Warum wird vom Bürger mehr Rechtskunde verlangt als vom Gesetzgeber selbst?

Es erinnert mich an ein Buch, "Furchtbare Juristen"[wp], in dem beschrieben wurde, dass man nach dem Weltkrieg und der Nazizeit eine einfache, einfältige Bauersfrau belangte, weil sie jemanden bei den Nazis angezeigt hatte, weil man unterstellte, dass sie hätte wissen müssen, dass die Nazis böse sind, und die für so etwas die Todesstrafe verhängen. Die Nazi-Richter selbst sprach man aber frei, weil sie - als Juristen - ja nur ihre Pflicht getan und nicht hätten erkennen können, dass die Nazis böse waren.

[...]

Nur so am Rande: Mir ist bis heute kein Jurist - außerhalb der Leute, die sich sehr auf Artikel 5 GG spezialisiert haben - begegnet, kein Richter und kein Staatsanwalt, der die Verfassungs­recht­sprechung zur Meinungsfreiheit so richtig beherrschen würde und Rechtsfragen klären könnte, ohne erst einmal langwierig Literatur zu wälzen. Es werden reihenweise Urteile aufgehoben, weil die Richter es nicht hinbekommen haben.

Trotzdem will man von der Allgemeinheit verlangen, für jeden Tweet die komplette Rechtslage zu kennen und richtig anzuwenden.

Wenn also einer so daherschwätzt, wie Mario Voigt, und meint, dass auch im Internet Recht gelten muss, weil es "kein rechtsfreier Raum sein dürfe", dann zeigt das für mich, dass der Mann keine Ahnung hat, wovon er schwätzt, denn das anzuwendende Recht ist so komplex, dass man als Bürger gar nicht mehr erkennen kann, was rechtmäßig ist, und diese Unsicherheit im Ergebnis darauf hinausläuft, dass man sein Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht mehr nutzen kann.

[...]

Dazu kommt, dass ich die CDU - Stichwort Uni Karlsruhe, Stichwort Kinder­pornosperre - im Ganzen bisher als ziemlich korrupt und rechtsbrecherisch vorgekommen ist, und ich CDU und CSU für inkompetent und durch und durch korrupt halte, die da auch auf geltendes Recht pfeifen, wenn es ihnen nicht passt. Und wenn die CDU dann von anderen eine Rechts­frömmigkeit fordert, während sie meint, dass für sie Recht nicht so gelte und man sich da nicht so dran halten müsse, dann ist das einfach nur verlogen.

Noch verlogener ist es, wenn die Rechts­frömmigkeit nur für Äußerungen in deutscher, aber nicht etwa in türkischer oder arabischer Sprache gelten soll.

– Hadmut Danisch[1]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hadmut Danisch: Das Geschwätz des Mario Voigt (CDU Thüringen), Ansichten eines Informatikers am 26. April 2024

Querverweise