Berufungsprozess: Ist Frauenhass Volksverhetzung? - WDR 5 Westblick - aktuell
Diese Frage beschäftigt Ermittlungsbehörden seit neun Jahren. Angeklagt ist ein 70-jähriger Bonner. Zuletzt hatte das OLG Köln einen Freispruch aufgehoben. Die Details hat Tobias Al Shomer.
- Dammmüller
- Frauenhass, Volksverhetzung. Mit dieser Frage beschäftigen wir uns jetzt: Ist Frauenhass Volksverhetzung?
- Darum geht's heute am Landgericht Bonn. Angeklagt ist ein 70-jähriger Mann eben aus Bonn, der klar sagt: Ja, ich bin rechts. Und unstrittig ist, dass der Mann die Internetseite Weiberplage führt und da meint, verachtende Äußerung über Frauen verfassen und verbreiten zu müssen. Aber ob das Volksverhetzung ist, war bisher juristisch nicht klar. Unser Reporter Tobias Al Shomer war heute vor Ort im Gericht und hat sich das Forum auch im Internet angeschaut. Warum, Herr Al Shomer, ist das überhaupt noch online?
- Al Shomer
- Weil es da bislang so ein hin und her gab. Der Fall beschäftigt die Justiz schon seit Jahren. Angefangen hat das alles wirklich fast schon zehn Jahren mit der Landesanstalt für Medien. Die hat ein Bußgeld verhängt. Das hat lange gedauert, diese ganzen Verhandlungen. Schließlich gab es auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Das führte zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Bonn 2019. Da hat man ihn wegen Volksverhetzung verurteilt. Das Landgericht hat dann aber in einer Berufung ihn freigesprochen.
- Dammmüller
- Wieso freigesprochen?
- Al Shomer
- Also das lag nicht daran, dass die Kammer, dass die Berufung diese Aussagen harmlos fand. Richter prüfen bei Verhandlungen Paragraphen, da müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein und diese Voraussetzungen haben die Richter nicht erfüllt gesehen. Das hat also wirklich formale Gründe. Das Ganze ist dann auch im Sommer noch zum Oberlandesgericht gegangen. Wieder ist dagegen Revision eingelegt worden und die Richter vor dem Oberlandesgericht Köln haben dann geurteilt - daran sieht man, die Justiz ist sich auch nicht immer so einig - doch, doch, doch, Frauenhass kann Volksverhetzung sein, haben den Freispruch aufgehoben und das ist auch der Grund, warum es heute wieder in Bonn losgegangen ist.
- Dammmüller
- Und dieser 70-Jährige aus Bonn, den man wohl Frauenhasser nennen darf, was ist das für ein Typ?
- Al Shomer
- In der Anmoderation klang schon an: Er sagt, ich bin klar rechts. In dem Forum, was ich mir angeguckt habe, das immer noch online ist, da finden sich nicht nur frauenverachtende Äußerung, da finden sich auch viele politische Äußerungen, so gegen Bundeskanzlerin Merkel. Das sind so klassisch rechte Parolen. Und da heute im Gerichtsaal ist mir auch aufgefallen, dass der Angeklagte auffallend häufig Bezüge zum so genannten Dritten Reich erwähnt hat.
- Dammmüller
- Frauenhass und Rechtsextremismus, ... kommt mir so vor, als hätte ich das schon öfter gehört. Das liegt schon mal nah beieinander, nicht?
- Al Shomer
- Das kann eine ganz schön gefährliche Kombination sein, siehe Halle[wp] und Hanau. In Hanau, da gab es Anfang des Jahres kurz vor Karneval, wir erinnern uns, einen rassitischen Anschlag. Beide Attentäter waren Frauenhasser. Der Hanau-Attentäter hatte nach eigenem Bekunden, das stand in seinem Bekennerschreiben, in seinem ganzen Leben noch nie eine Freundin. Und ich habe bei Recherchen im Internet festgestellt, es gibt tatsächlich eine Community im Netz von solchen Menschen. Die nennen sich "Incels", das steht für involutary celibate, unfreiwilliges Zölibat. Das sind wirklich Menschen, die noch nie Sex gehabt haben, unfreiwillig. Dafür machen sie Frauen verantwortlich. Und in diesen Incel-Foren ist rechtsextremes Gedankengut wirklich weit verbreitet. Ich habe mit einer Expertin gesprochen, die intensiv schon seit Jahren da forscht, Veronika Kracher und die wundert es überhaupt nicht, dass in dem Milieu auch Rechtsterroristen zu finden sind.
- Veronika Kracher
- Incels fühlen sich gekränkt, weil sie keinen Sex haben. Und es ist ja nun mal auch so, dass ein erfolgreiches Sexleben irgendwie so ein wichtiger Teil von "hegemonialen Männlichkeitsvorstellungen" ist. Aber anstatt zu erkennen, dass das gesellschaftliches Problem ist, werden Frauen zu Schuldigen deklariert. Und man macht diese Entmannung und narzisstische Kränkung[wp] quasi wieder gut, indem man sich eine Waffe schnappt und endlich den Leuten das heimzahlt, was sie einem die ganze Zeit angetan hat. Man wird also von dem gebeutelten Looser zum Mann.
- Al Shomer
- Aber ganz, ganz wichtig: Also, Bezüge von Rechtsterroristen zum Forum Weiberplage, die sind bislang nicht bekannt.
- Dammmüller
- Das führt uns nun zurück zu den Fall jetzt konkret in Bonn, und punktgenau zur Sendung ist das Urteil reingekommen.
- Al Shomer
- Ja, genau, gerade ganz frisch, ganz selten haben wir sowas, aber... das Gericht hat in seinem Urteil tatsächlich in weiten Teilen die Anklage bestätigt, hat Volksverhetzung geurteilt. Das bedeutet eigentlich, dass der Betreiber der Seite die angeklagten Inhalte entfernen muss. Aber halt, ich habe es schon gesagt, eigentlich. Denn mir haben die Angeklagten und auch der Anwalt des Angeklagten schon während der Gerichtsverhandlung gesagt, dass sie das Urteil nicht akzeptieren werden, dass sie dagegen weiter vorgehen werden und notfalls auch bis nach Karlsruhe klagen wollen.
- Dammmüller
- Frauenhass ist Volksverhetzung, urteilt heute Nachmittag das Bonner Landgericht und Tobias Al Shomer hat berichtet aus Bonn im Westblick in WDR5.
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