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Subsidiarität

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Subsidiarität
Höhere gesellschaftliche Einheiten werden nur dann helfend (subsidär) tätig, wenn die Vermögen der niederen Einheiten nicht ausreichen, bestimmte Funktionen wahrzunehmen.[1]
Subsidiaritätsprinzip
Institutionen gleich welcher Art dürfen nur dann tätig werden, und Funktionen von Personen oder von sozialen Systemen niederer Stufe nur dann hilfsweise übernehmen, (a) wenn und solange deren Vermögen nicht ausreichend und (b) deren Funktionen für das Gemeinwohl erheblich sind.
Ohne (oder gar gegen) den Willen der Betroffenen können Institutionen nur tätig werden, wenn sonst das Gemeinwohl ernsthaft und anhaltend gefährdet wird. In diesen Fällen kann eine Pflicht, einzugreifen, entstehen.[1]
Dieser Begriff, der die Delegation von Verantwortung auf die tiefst mögliche Ebene beschreiben soll, beschreibt eine Regel, die in Unternehmen, Staaten und innerhalb der Gesellschaft erfolgreich angewendet wird: Je näher die Verantwortlichen am Problem angesiedelt sind, desto besser sind ihre Entscheidungen.[2]
auch: Vorrangprinzip
Subsidiarismus
[von lat. subsidium "Hilfe"], eine gegen staatlichen Zentralismus[wp] und Kollektivismus[wp] gerichtete Gesellschafts­auffassung, die für die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der kleineren Sozialgebilde eintritt. Besondere Bedeutung erlangte der S. in der kath. Soziallehre. In der Sozialenzyklika "Quadragesimo anno"[wp] (1931) wurde gegen den um sich greifenden Totalitarismus (Kommunismus, Faschismus) das Subsidiaritäts­prinzip als Zuständigkeits­prinzip der Gesellschaft formuliert. Den Ausgangspunkt bildet die Überlegung, dass das, was der Einzelne aus eigener Initiative leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gemeinschaft übertragen werden darf, diese vielmehr im Bedarfsfalle zur Hilfeleistung verpflichtet ist. Dieser Gedanke wird auf die Gesellschaft angewendet, die sich von unten her aufbaut, von der Familie und den Primär­gruppen, deren Eigenart in dem persönlichen Kontakt der Mitglieder und in ihrer Überschaubarkeit besteht, über die Sekundär­gruppen örtlicher oder funktionaler Art (Gemeinden, Berufsverbände, Gewerkschaften) bis hin zum Staat als der umfassenden politischen Gemeinschaft. Die Aufgaben, welche diese verschiedenen Sozialgebilde erfüllen, dürfen nicht vom Staat übernommen und zentral gesteuert werden, im Gegenteil, der Staat soll, wie dies auch dem Sozialstaats­prinzip entspricht, die Voraussetzungen schaffen und dafür Sorge tragen, dass die Sozialgebilde funktionsfähig bleiben. E. LINK: Das Subsidiaritäts­prinzip (1955); A. F. UTZ: Formen u. Grenzen des Subsidiaritäts­prinzips (1956); A. RAUSCHER: Subsidiaritäts­prinzip u. berufsständ. Ordnung in Qua dragesimo anna (1958); S. HEINKE in: Gesellschaftspolit. Realitäten, hg. v J. DÖHRING (1964); C. CORDES u R. HERZOG: Subsidiaritäts­prinzip, in: Evang. Staatslex., hg. v. H. KUNST u S. GRUNDMANN (1966); J. ISENSEE: Subsidiaritatsprinzip u. Verfassungsrecht (1968); O. v. NELL-BREUNING: Bauges. Der Ges. (1968); R. ZUCK: Subsidiaritässprinzip u. Grundges (1968) [3]
Familie
Das Subsidiaritätsprinzip ist auch im Verhältnis von Staat und Familie zu wahren.
EUdSSR
Das Prinzip der Subsidiarität ist in Artikel 5 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft definiert.
Katholische Soziallehre
Der Begriff der Subsidiarität entstammt der katholischen Soziallehre[kp]. Er steht für ein gesellschaftliches Prinzip, das auf Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Entfaltung individueller Fähigkeiten abstellt.
Hiernach sollen staatliche Institutionen nur dort eingreifen, wo die Möglichkeiten des Einzelnen oder einer kleinen Gruppe (Gemeinde, Familie) nicht ausreichen, die Aufgaben der Daseins­gestaltung zu lösen. Zudem soll dort, wo ein staatlicher Einriff nötig ist, der Hilfe zur Selbsthilfe Vorrang vor unmittelbarer Aufgaben­übernahme durch den Staat gegeben werden.
Der individuelle Aspekt (Selbstverantwortung) und der gesellschaftliche Aspekt (Schaffung der materiellen Voraussetzungen für selbst­verantwortliches Handeln) des Subsidiaritäts­prinzips lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen. Daher können ihm - je nach Akzentuierung - sowohl markt­wirt­schaftliche wie auch wohlfahrts­staatliche Konzepte gerecht werden.
Das Subsidiaritätsprinzip ist ein zentrales Element des ordnungs­politischen Konzeptes der Sozialen Markwirtschaft. Außerdem hat es einen Eingang in das Verwaltungs- und Finanzrecht, die Sozialpolitik sowie die Dokumente der Europäischen Union gefunden.[4][5]
Zitat: «Der Begriff der Subsidiarität besagt, dass Entscheidungen auf dem unterst möglichen Niveau getroffen werden sollten - der Staat sollte also keine Verantwortung übernehmen, wo Familien eigentlich zuständig sind. Doch der Staat neigt dazu, den Leuten die Entscheidungen zu stehlen.

Hildegard Schooß hat sehr schön gezeigt, wie seit den 1970er Jahren die "Professionalisierung der Sozialarbeit den zertifizierten Ausbildungs­formen und Tätigkeiten einen absoluten Vorrang vor den im Umgang mit Menschen und in der Familie erworbenen Kompetenzen einräumte."» - Norbert Bolz[6]

Zitat: «Für den Begriff Subsidiarität ein allgemein akzeptiertes, einfacheres Wort zu finden, ist wohl noch nicht gelungen. Seine Bedeutung jedenfalls ist diese: Soweit die Bürger ihre Angelegenheiten besser selbst und in eigener Verantwortung regeln können, soll sie der Staat (mit seinen Unter­gliederungen und seinen Behörden) in Ruhe lassen und nicht hineinfunken. Eine große Rolle spielt das gegenwärtig in der familienpolitischen Diskussion. Die Familie muss die volle Entscheidungs­freiheit haben, der Staat darf in die herkömmlich-natürliche Institution Familie nicht ideologisch und lenkend hineinregieren, nur eines darf und muss er ausdrücklich: Er muss diese Institution schützen.» - Klaus Peter Krause[wp][7]
Zitat: «Demokratie und Subsidiarität sind ein nicht zu trennendes Paar. Nur wenn Vor-Ort-Entscheidungen auch von Vor-Ort-Verantwortlichen gefällt werden, dann hat der Wähler die Möglichkeit, sie für ihr Tun zu bestrafen oder zu belohnen.» - Karl Schmitt[8]
Zitat: «[In der EU] wurde das bewährte Prinzip der Subsidiarität, das heißt der Zuständigkeit der kleinstmöglichen Einheit, mit der geringsten Entfernung sachlich und auch im örtlichen Abstand, abgeschafft.» - Karl Schmitt[8]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Wörterbuch Redlichkeit für Führungskräfte (N-T), abgelesen am 1. August 2011 (Webseite existiert nicht mehr, es wird ins Webarchiv verlinkt)
  2. Hans-Olaf Henkel: Henkel trocken: USE = EUdSSR, Handelsblatt am 3. Oktober 2011
  3. Brockhaus 1973, ISBN 3-7653-0000-4
  4. Einführungen in die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Glossarverzeichnis: Subsidiaritätsprinzip (Uni Münster)
  5. Merksatz: "Das Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre fordert, dass kleine gesellschaftliche Einheiten in die Lage versetzt werden, ihre Probleme selbst zu lösen. Demnach ist ein Eingreifen von größeren gesellschaftlichen Einheiten (beispielsweise der Staat) nur gestattet und gefordert, wenn dieses Prinzip versagt."
  6. Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit, 2009, S. 96; Hildegard Schooß: Mütterzentren als Antwort auf Über­professionalisierung im sozialen Bereich, 1977, S. 232
  7. Die Kehrseite der Europäischen Union (II) - Gern beschworen, zu häufig mißachtet - das Prinzip der Subsidiarität, Klaus-Peter-Krause-Blog am 4. Mai 2008
  8. 8,0 8,1 Karl Schmitt: Die heimliche Abschaffung deutscher und europäischer Nationalstaatlichkeit, Michael-Mannheimer-Blog am 16. Dezember 2012

Querverweise

Netzverweise