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Skeptikerbewegung
Die Skeptikerbewegung ist ein internationales Netzwerk[1] von Vereinigungen und Einzelpersonen mit dem Anspruch einer kritischen Auseinandersetzung mit pseudo- und parawissenschaftlichen[wp] Themen, die unter anderem in den Bereich des Aberglaubens[wp] oder der Alternativmedizin[wp] fallen. Im Sinne einer sozialen Bewegung[wp] wird der Begriff auch als Eigenbezeichnung verwendet.[2][3]
Begriffsklärung
Der Begriff Skeptiker oder Skeptikerbewegung wird von einer sektenhaften Gruppe materialistischer Dogmatiker bewusst irreführend verwendet, um sich in einen Zusammenhang mit dem philosophischen Skeptizismus[wp] oder einem wissenschaftlichen Weltbild zu bringen. Die Selbstbezeichnung "Skeptiker" seitens der Gegner natürlicher Medizin ist sachlich falsch, zeugt von philosophischer Unkenntnis und ist anmaßend.
Philosophischer Skeptizismus hat eine lange Tradition im Abendland und bezeichnet ein Denken, das sich selbst ständig kritisch hinterfragt. Skeptiker im Wortsinne erheben den Zweifel zum weltanschaulich wichtigsten Werkzeug, und zwar den Zweifel an der eigenen Position, die dadurch in einer Art hermeneutischem Zirkel[wp] immer weiter geklärt wird und sich der Wahrheit nähern kann, deren endgültiges Erreichen viele Skeptiker für unmöglich halten.
Das bloße Bezweifeln einer gegnerischen Position hat überhaupt nichts mit Skeptizismus zu tun, sondern ist im schlimmsten Fall ein rein ideologischer Standpunkt. Diejenigen, die sich als so genannte "Skeptiker" ins Gespräch zu bringen versuchen, sind tatsächlich Dogmatiker eines fundamentalistischen Szientismus[wp]. In sachlichen oder wissenschaftlichen Texten sollte der Begriff deshalb in Anführungszeichen gesetzt werden oder man sollte von Pseudo-Skeptikern sprechen.[4]
Charakteristik
Vertreter der Skeptikerbewegung behandeln häufig Homöopathie[wp] und andere alternative Behandlungsmethoden[wp], Wünschelrutengehen[wp], Astrologie[wp], Parapsychologie[wp], außersinnliche Wahrnehmungen[wp], angebliche Fälle von Entführungen durch Außerirdische[wp], aber auch religiöse Lehren und Konzepte wie beispielsweise Kreationismus[wp] und Reinkarnation[wp]. Außerdem diffamieren sie Kritik an der offiziellen Darstellung der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 oder derjenigen des anthropogenen Klimawandels als Verschwörungstheorien.[5][6][3]
Vereinigungen
Skeptikervereinigungen sind auf europäischer Ebene im European Council of Skeptical Organisations (ECSO), einer 1995 gegründeten Dachorganisation, organisiert. Im deutschsprachigen Raum ist die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) die bekannteste Skeptikerorganisation.
Guerilla-Skeptizismus auf Wikipedia
Im Jahr 2010 startete Susan Gerbic[wp] den Guerilla-Skeptizismus auf Wikipedia (GSoW)[7], ein "Projekt zur Verbesserung skeptischer Inhalte auf Wikipedia".[8][9] Im Jahr 2017 wurde Gerbic zum Gefährten des "Komitees für Skeptische Untersuchung" ernannt.[10] Sie und ihr GSoW-Team erhielten eine Auszeichnung von der James Randi Educational Foundation[wp], die "der Person oder Organisation verliehen wird, die den Geist der Stiftung am besten repräsentiert, indem sie kritische Fragen fördert und unvoreingenommene, sachbezogene Antworten sucht. Wir freuen uns, Susans Bemühungen zu würdigen, ein Team von Redakteuren zu gewinnen und auszubilden, die Wikipedia als öffentliche Ressource für Rationalität und wissenschaftliches Denken kontinuierlich verbessern."[11]
Im Juli 2018 berichtete das Magazin Wired, dass das GSoW-Team auf mehr als 120 freiwillige Redakteure aus der ganzen Welt angewachsen sei und sie gemeinsam für die "Erstellung oder Verbesserung einiger der meistverkauften Wikipedia-Artikel zu skeptischen Themen" verantwortlich seien. Bis Juli 2018 hat die GSoW mehr als 630 Wikipedia-Artikel in vielen Sprachen erstellt oder komplett neu geschrieben, die zusammen über 28 Millionen Seitenaufrufe gesammelt haben.[12][4][13]
Michael Steinkellner hielt auf der SkepKon 2014 in München einen Vortrag "Guerilla-Skeptizismus auf Wikipedia".[14]
Kontroversen
Der Mitbegründer und damalige Redaktionsleiter des Publikationsorgans Skeptiker Edgar Wunder[wp] verließ 1999 im Zuge einer vereinsinternen Auseinandersetzung innerhalb der GWUP die Skeptiker-Organisation. Nach Wunder ist ein strukturelles Merkmal der Skeptikerbewegung eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. So würden etwa viele GWUP-Mitglieder einen Weltanschauungskampf ohne hinreichende fachliche Kenntnis führen, und selektiv und unsachlich argumentieren. An wissenschaftlichen Untersuchungen von Parawissenschaften seien sie höchstens insofern interessiert, "als deren Ergebnisse 'Kanonenfutter' für öffentliche Kampagnen liefern könnten."[15] Die GWUP hat 2007 zu der Kritik Stellung bezogen[16][3]
Kritische Auseinandersetzung
Zitat: | «Der wirkliche Skeptizismus ist eine philosophische Tradition, die es sich zur Leitschnur gemacht hat, gängige Dogmen und die Lehrsätze des eigenen Weltanschauungsgebäudes in Zweifel zu ziehen. Der Skeptizismus gehört unbedingt zur Aufklärung, und wir haben ihm die große Freiheit unseres heutigen Denkens zu verdanken. Wahre Philosophie wird immer einen guten Anteil Skepsis in sich tragen müssen, sofern sie sich in der Tradition des sokratischen Denkens und Hinterfragens sieht.
Diejenigen Kritikerorganisationen der Homöopathie und anderer alternativer Weltanschauungen oder Heilweisen aber, die so dreist sind, sich mit dem stolzen Titel der "Skeptiker" zu schmücken, sind das genaue Gegenteil. Sie ziehen nicht die Gedankengebäude des Establishment und ihre eigenen, liebgewonnenen Dogmen in Zweifel, sondern nur die Überzeugungen anderer, die ihnen nicht passen. Die Auffassung des weltanschaulichen Gegenspielers zu bezweifeln, hat aber nichts mit der Kunst und dem Anspruch des Skeptizismus zu tun. Die eigene Meinung für allein richtig und die des Gegners für indiskutabel falsch zu halten, ist günstigenfalls Fundamentalismus[wp] und schlimmstenfalls Stammtisch-Ideologie. Ein skeptischer Philosoph richtet das Schwert des kritischen Hinterfragens auf sich selbst und nicht auf den anderen. (Beispiel: ein christlicher Skeptiker ist einer, der das Christentum in Frage stellt, um seine Positionen besser aufzuklären, aber nicht einer, der den Islam oder den Buddhismus[wp] in Frage stellt.) Bei den gut organisierten Gruppen von Homöopathie-Gegnern, die sich selbst als "Skeptiker" bezeichnen, haben wir es vielmehr mit fundamentalistischen Ideologen zu tun, die einen Alleingültigkeitsanspruch auf ihre Vorstellung eines naiven Positivismus[wp] erheben und gesellschaftlich gegen andere Auffassungen durchzusetzen versuchen. Dies ist eine Art der Wissenschaftsgläubigkeit, die auch Szientismus genannt wird, aber keine Wissenschaft. Aufgabe der Naturwissenschaft ist es, Phänomene mit ihren sauber definierten Methoden zu erklären oder zu berechnen. Es gehört nicht zu ihren Aufgaben zu bestimmen, welche Phänomene in der Wirklichkeit auftreten können und welche nicht. Über die Existenz eines Phänomens entscheidet die Beobachtung und nicht die Theorie. Eine interessante Frage wäre noch, was diese "Skeptiker"-Gruppen motiviert? In einer Welt, in der es wahrlich genug wichtige und drängende Probleme gibt, erhebliche persönliche Lebenszeit, Kraft und Geld zu investieren, um eine so schwach vertretene und offensichtlich harmlose medizinische Methode wie die Homöopathie vehement zu bekämpfen, ist ein sehr außergewöhnliches Verhalten, für das es schwerwiegende Gründe geben muß. Die so genannten "Kritiker" haben sich inhaltlich ganz offensichtlich nie mit den von ihnen attackierten Themen beschäftigt, wie es bei sachbezogenen Kritiken üblich ist. Ein Literaturkritiker ist jemand, der Literatur liest und sich dann differenziert dazu äußert, aber nicht einer, der generell gegen Literatur ist und noch nie etwas gelesen hat. Neben den überzeugten Fundamentalisten, die ihre szientistische Weltanschauung mit aller Kraft verteidigen müssen, gibt es natürlich noch eine Menge Trittbrettfahrer, die sich mit dem Vertreten einer Auffassung, die dabei ist populär zu werden und in den Medien gehypt wird, leicht in den Vordergrund spielen können. Solche gibt es bei jeder populären Strömung, sie sind nicht spezifisch für dieses Thema, und eine wirkliche sachliche Auseinandersetzung ist naturgemäß auch nicht ihre Sache. Es liegt auf der Hand, dass die öffentliche Diffamierung von Heilmethoden, die beliebt, billig und effektiv sind und sich nicht gut in den etablierten Rahmen der medizinischen Technik und Chemie einbinden lassen, einigen mächtigen Interessensgruppen sehr entgegenkommt. Ob und in welcher Form diese Interessensgruppen sich die Ängste und den Fanatismus einiger Fundamentalisten zunutze machen und diese Grüppchen durch Finanzierung oder mediale Aufwertung bedeutender erscheinen lassen, als sie sind, ist nicht abschließend geklärt. Einige Recherche-Ergebnisse zum Beispiel von Markus Fiedler deuten aber stark darauf hin. Ein Buch, in welchem diese Gedanken auf teils recht amüsante Art vertieft werden, ist: "Angst vor Globuli?"[17] Und eine ausgezeichnete Auseinandersetzung mit pseudo-skeptischen Argumenten findet sich in englischer Sprache hier[ext]. Dr. Edgar Wunder[wp], der Mitbegründer des "Skeptiker"-Vereins GWUP war und dann zu seinem kritischen Begleiter wurde, verfasste über das "Skeptiker-Syndrom" einen ausführlicher Artikel.[15]»[18] |
Einzelnachweise
- ↑ Peter Lamont: Extraordinary Beliefs: A Historical Approach to a Psychological Problem. Cambridge University Press, 2013, S. 229, 238
- ↑ Inge Hüsgen, Amardeo Sarma: Skeptiker-Organisationen auf GWUP mit Stand vom 13. Dezember 2010
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Wikipedia: Skeptikerbewegung, Version vom 10. August 2017
- ↑ 4,0 4,1 FreeWiki: Skeptikerbewegung, Version vom 2. Juni 2019
- ↑ GWUP - Themen nach Gebiet
- ↑ Phil Molé: 9/11 Conspiracy Theories: The 9/11 Truth Movement in Perspective, Skeptic am 11. September 2006
- ↑ Guerrilla Skepticism on Wikipedia
- ↑ Susan Gerbic[wp]: Guerrilla Skepticism: Wikapediatrician Susan Gerbic Discusses Her Guerrilla Skepticism On Wikipedia Project, Skeptical Inquirer[wp] am 8. März 2013
- ↑ Susan Gerbic: Is Wikipedia A Conspiracy? Common Myths Explained, Skeptical Inquirer, Band 39, Nr. 5, September/Oktober 2015
- ↑ The CFI Newsletter - No. 99[webarchiv], Cause & Effect am 7. Februar 2018; archiviert am 16. Februar 2018 (Cause & Effect is the biweekly newsletter of the Center for Inquiry (cfi) community, covering the wide range of work that you help make possible.)
- ↑ 2017 JREF Award, James Randi Educational Foundation[wp] am 11. Januar 2018
- ↑ Louise Matsakis: The 'Guerilla' Wikipedia Editors Who Combat Conspiracy Theories, Wired am 25. Juli 2018
- ↑ Siehe auch auf der englischsprachigen Wikipedia: Susan Gerbic - Abschnitt "Guerrilla Skepticism on Wikipedia"
- ↑ Guerilla-Skeptizismus auf Wikipedia - Michael Steinkellner auf der SkepKon 2014 in München (31. Mai 2014, 17:00-17:35) (Länge: 21:32 Min.) ;
Bernd Harder: "Guerilla-Skeptizismus auf Wikipedia" jetzt als Video von der SkepKon 2014, GWUP - Die Skeptiker am 14. Dezember 2014;
Skepkon 2014 - Abstracts, Seite 14 - ↑ 15,0 15,1 Edgar Wunder[wp]: Das Skeptiker-Syndrom auf skeptizismus.de
Edgar Wunder: Das Skeptiker-Syndrom auf esowatch.de - ↑ Skeptiker Pro und Contra, Der Wissenschaftsrat der GWUP im Mai 2007
- ↑ HaJo Fritschi: Angst vor Globuli?, Books on Demand und Kindle, 2017, ISBN 3-7431-3508-6
- ↑ Jörg Wichmann[ew]: Gedanken über "Skeptiker" als erklärte Homöopathie-Gegner, provings.info am 14. Dezember 2017
Netzverweise
- Wikipedia führt einen Artikel über Skeptikerbewegung, Liste von Skeptikern und Skeptikervereinigungen
- Die "Skeptiker"-Bewegung in der kritischen Diskussion - Edgar Wunder[wp], 2000 (31 Seiten, 246 kB)
- European Council of Skeptical Organisations: Website der ECSO-Dachorganisation von zwölf europäischen Skeptikerorganisationen (englisch)
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Gedanken über "Skeptiker" als erklärte Homöopathie-Gegner von Jörg Wichmann[ew], 14. Dezember 2017. |