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V-Mann

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Hauptseite » Mensch » Mann » V-Mann

Wikipedia schreibt:

Zitat: «V-Person (auch V-Mann, abgekürzt VP genannt, Mehrzahl auch V-Leute) bezeichnet eine Verbindungs- oder Vertrauens­person, die als ständiger Informant eines Nachrichten­dienstes, des Zolls oder der Polizei arbeitet. Dabei agiert sie unerkannt etwa in vermeintlich politisch extremen oder kriminellen Organisationen oder kriminalitäts­verdächtigen Milieus, etwa der Drogenszene oder dem Rotlichtmilieu.

Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeld­verfahren definieren eine V-Person als eine Person, die, ohne einer Straf­verfolgungs­behörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen und deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird.

Die V-Person ist abzugrenzen vom Informanten, der lediglich im Einzelfall tätig wird, sowie vom verdeckten Ermittler, der Mitglied der Straf­verfolgungs­behörden ist.»[1]

Einen anderen Einblick liefert der Erfahrungsbericht von Matthias Frey[nw]:

Bevor ich in meiner eigenen Geschichte den V-Mann-Aspekt beschreibe, muss ich zunächst die Funktion von V-Leuten in der Drogenszene schildern. Es ist wohlgemerkt dabei in keinem Fall von so genannten verdeckten Ermittlern, also Angehörigen der Polizei, die Rede!

Der Einsatz neuer Ermittlungs­methoden wie man sie z. B. aus Amerika kennt, läuft weitgehend an den deutschen Staats­anwalt­schaften vorbei. Selbst ausgereifte Verfahren - dazu gehören auch die Daten­vernetzung und der genetische Finger­abdruck - bleiben oft ungenutzt, wenn sie nicht in das Beschuldigungs­konzept der Staats­anwalt­schaft passen. Statt dessen setzen Staatsanwälte oft auf Informationen, die sie durch die Dienste hoch bezahlter V-Leute erlangen. Ein V-Mann ("Vertrauensmann" kann natürlich auch eine Frau sein) wird in das "Zielobjekt" (z. B. Drogen-Szene, Neonazi-Szene, Russen-Mafia usw.) eingeschleust oder sucht den Einstieg auf eigene Faust, wenn er nicht ohnehin schon der Szene angehört. Der Personenkreis, aus dem V-Leute eingesetzt werden, ist nicht eingeschränkt. Es gibt also keinerlei Verbote, wie etwa gefährliche Straftäter oder Häftlinge, die bereits eine lebenslange Verbrecher­karriere hinter sich haben, als V-Leute anzuwerben.

Ich habe mit den Jahren meiner Haft selbst erlebt, wie in der JVA-Bayreuth schwerst Drogen­abhängige und sogar Pädophile zur V-Mann-Tätigkeit bestellt wurden. Die Kripo versucht, den Angeworbenen mit Haft­erleichterungen oder sogar mit nicht unerheblichen Straferlässen, aber auch mit dem Ausstieg aus der Kriminalität zu ködern. Allerdings kann ein Einstieg in das V-Mann-Geschäft wohl kaum ein Ausstieg aus der Kriminalität sein. Ausländische Strafgefangene z. B. - insbesondere Ausländer, die durch die Ehe mit einer deutschen Frau emotional an Deutschland gebunden sind - versucht man zu V-Mann-Geschäften und Falsch­aussagen vor Gericht zu erpressen, indem man sie mit der Abschiebung bedroht. Gerade junge Ausländer, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, lassen sich auf diese Weise besonders leicht zum V-Mann pressen. Viele V-Leute sind auch ganz einfach nur abenteuer­lustige Neuzeit-Freibeuter, die aus Freude am Risiko mitmachen. Nicht zuletzt ist auch der finanzielle Anreiz ein bedeutender Aspekt, an schmutzigen Geschäften "im Namen der Staats­anwalt­schaft" teilzunehmen oder sie sogar selbst anzutreiben. Sogar innerhalb der Gefängnisse werden bezahlte Spitzel losgeschickt, die dann auf Bestellung direkt vom Angeschuldigten erwünschte Informationen aus­kund­schaften (z. B. schon im Fall Vera Brüne[wp]). Ich kann auf Belege verweisen, wonach in jüngerer Zeit solche Dienste mit 100.000 DM honoriert wurden. In der Praxis hat so ein V-Mann-Häftling für eine derartig gute Bezahlung auch entsprechende Gegenleistungen zu erbringen und so handelt es sich bei den so erbrachten Informationen eigentlich nur noch um die konstruierte Aussage eines dafür bezahlten Strafgefangenen, die der Staatsanwalt mit der V-Mann-Vergütung erkauft. Vor Gericht wird der Wahrheitsgehalt dieser Aussage kaum noch angezweifelt, da ein Angeklagter, gegen den dieses Gespinst angewendet wird, grundsätzlich unglaubwürdig ist.

Straftäter als V-Männer

Die bürgerliche Öffentlichkeit kann es nicht mit ihrem Wunsch­klischee vom ja ach so bösen Straftäter vereinbaren, dass viele Häftlinge eigentlich nur aus naiver Leicht­­gläubigkeit oder Leichtsinn zu Opfern von geld­gierigen V-Leuten, bzw. Lockspitzeln[wp] wurden. Dabei musste sogar schon der Bundesgerichtshof in etlichen Fällen gegen diese Machen­schaften einschreiten. So erklärt der BGH in seinem Urteil vom 18.11.1999 - 1 Str 221/99 zu § 110a StPO (verdeckte Ermittler - Vertrauenspersonen der Polizei - Lockspitzel):

"... Die von der Polizei eingesetzten Vertrauens­personen (Lockspitzel), oftmals rekrutiert aus kriminellem Milieu, arbeiten für die Staatsorgane für, "üppige Honorare", bezogen auf die bei der Tat sichergestellte Menge von Btm (also Drogen). Es ist daher schlüssig, dass V-Personen, geleitet vom Gedanken des eigenen Vorteils (Selbst­bereicherung), rücksichtslos dabei vorgehen, dass sie zum Teil bislang unbescholtene Bürger zu einer Straftat veranlassen bzw. nötigen."

Korrigieren wir doch also endlich einmal unser klischee­verhaftetes Bild, das wir von V-Leuten haben! Es handelt sich keineswegs um top ausgebildete Elitebeamte, die aus lauter Rechts­idealismus auf ein braves Familien­dasein verzichten und in den Untergrund gehen, um unter Einsatz ihres Lebens gegen das Böse anzukämpfen. Ganz im Gegenteil! Wir haben es viel mehr mit skrupellosen Straftätern allerübelster Sorte zu tun, mit denen noch nicht einmal die kriminelle Szene zu tun haben will, weil man sich nicht mit solchem Rattenpack einlässt. Solche Straftat­anstifter haben deshalb auch die Rache der Unterwelt zu fürchten. Sie informieren ihre Auftraggeber nicht nur, sondern werden angeheuert, um jemanden in eine Falle zu locken oder gar zu einer Straftat zu animieren, damit man Erfolge melden kann. Ein Tatvorwurf fällt nicht schwer bei der präventiven Ausrichtung des BtMG. Besonders Rauschgift­dezernate/-kommissionen arbeiten mit V-Leuten und Lockspitzeln.

Es kann sich bei solchen Leuten nicht um harmlose Kleinkriminelle handeln, denn die Kosten und der Aufwand, den V-Mann-Geschäfte beanspruchen, würden sich wohl kaum rechtfertigen lassen, wenn man damit nur ein paar kleinkriminelle Fixer hochnehmen würde.

Die Aufgabe

Aus Ermittlungsakten, die mir von Mithäftlingen zur Verfügung gestellt wurden, geht hervor, dass man V-Männer zumeist ganz gezielt im organisierten Verbrechen ansetzt. Dazu braucht man natürlich erfahrene Leute, die sich in der Oberliga des Milieus bewegen. In dieser Etage kann auch die Öffentlichkeit den Einsatz von V-Leuten befürworten. Schließlich wird auch in einem Gutachten, das die "Große Straf­rechts­kommission des Deutschen Richterbundes" zur empfohlenen Regelung des Einsatzes von V-Leuten im Auftrag des Bundes­justiz­ministeriums erstellt hat, folgende Definition zur Tätigkeit eines V-Mannes vorgeschlagen: "V-Person ist eine Person, die, ohne einer Straf­verfolgungs­behörde anzugehören, unter Führung der Straf­verfolgungs­behörde bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten in der Regel auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen!"

Die Glaubwürdigkeit

Es versteht sich von selbst dass ein V-Mann zur Aufrecht­erhaltung seiner Glaub­würdig­keit gegenüber überwachten Personen mit den Wölfen zu heulen hat. Dies natürlich in zunehmenden Ausmaß im Vergleich mit der Bedeutung des "Zielobjektes". Vorausgesetzt, der V-Mann agiert tatsächlich da, wo sich sein Einsatz rechtfertigt, also auf der gehobenen Ebene des Verbrechens, dann trägt es zu seiner Glaubwürdigkeit wohl kaum bei, wenn er sich selbst nur wie ein kleiner Fisch gibt. Nur so lässt sich erklären, warum z. B. im NPD-Verbots­verfahren[wp] z. B. Wolfgang Frenz[wp], ein langjähriger V-Mann des Verfassungs­schutzes, sogar bis zum NPD-Funktionär aufgestiegen ist (für diese Leute schrieben ja sogar Ministerial­beamte Reden, die als Beweis für die Verfassungs­widrigkeit dienen sollten). Sehr viel tiefgreifender wirkt sich das Mitheulen eines V-Mannes in der Drogenszene aus, da gerade in den oberen Rängen des Milieus Drogen­geschäfte, Waffen­handel, Menschen­handel und Prostitution sowie die Bestechung Hand in Hand gehen.

Sehen wir uns so einen V-Mann also nochmal etwas genauer an: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen vorbestraften Straftäter - häufig ein Ausländer mit der notwendigen Sprach­kenntnis - mit mehr­jähriger Hafterfahrung. Ohne diese Reputation braucht ein V-Mann gar nicht erst anzutreten. Schließlich müssen auch entsprechende Mithäftlinge in der Szene mal ein gutes Wort bei Freunden einlegen. Es kann sich dabei nicht um einen Kleinkriminellen handeln, denn das V-Mann-Geschäft fordert mitunter lebenslange Erfahrung, die man nur haben kann, wenn man selbst im Milieu aufwächst. Deshalb wird im genannten Urteil zu § 110a StPO sogar vom BGH bestätigt, dass V-Leute oftmals aus kriminellem Milieu rekrutiert werden. So erübrigt sich dann auch das Einschleusen in die Szene und hoher Aufwand für die Tarnung.

Das Einsatzgebiet

Kleine Fixer, die sich durch ihre Drogensucht bereits an den Rand ihrer Existenz "gedrückt" haben, "verpfeifen" in ihrer Not so gut wie jeden, der ihnen mal ein paar Gramm verkauft hat. Gerade in Bayern stützt man sich zur Bekämpfung der Drogenkriminalität auf den § 31 BtMG (Straf­milderung oder Absehen von Strafe bei "Verpfeifen"), wobei bereits diese Aussage zur Verurteilung eines Drogen­händlers ausreicht. Es wäre also völliger Unsinn, auf dem Niveau der Straßenfixer auch noch einen hoch bezahlten V-Mann einzusetzen. Schließlich spricht auch das oben genannte Gutachten der "Großen Strafrechts­kommission des Deutschen Richter­bundes" von "Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung." Für V-Personen kann es also nicht damit getan sein, mal hier, mal da von irgend einem Endkonsumenten ein Gramm abzuschwatzen und ihn dann zu verpfeifen. Wenn es also "Straftaten von erheblicher Bedeutung" sein sollen, dann müssen schon einmal ein paar Kilo auf dem Spiel stehen.

Die Erfahrung

In der Szene sind die Straf­zumessungen für den Handel mit Betäubungs­mitteln - BtM - (also Drogen) bis in die kleinste Lücke bekannt. Ob Eigenkonsum, Einfuhr, die Qualität der Ware, Banden­kriminalität usw. Ein echter Dealer weiß sehr genau, worauf er sich einlässt, und kennt das Risiko, das er eingeht. Umso schwerer ist es für einen V-Mann, die Glaub­würdig­keit zu wahren. Professionelle Dealer, die in größeren Mengen handeln, können dies nur tun, wenn sie selbst Drogen konsumieren. Bei den gigantisch hohen Marktpreisen, die für Drogen bezahlt werden, wäre es höchst verdächtig, wenn sich ein Abnehmer nicht von der Qualität der Ware überzeugen würde. Dazu gehört jedoch Fachwissen, das man nicht aus Büchern, sondern nur durch Jahre lange Selbsterfahrung erlernen kann. So wird nun auch klar, warum V-Personen für dieses Einsatzgebiet nur aus der Szene selbst rekrutiert werden.

Die Täter

Ich sitze hier in der JVA-Bayreuth mit Straftätern, die für den Handel mit Heroin und Kokain im zweistelligen Kill-Bereich verurteilt wurden. Mancher von ihnen kann die Mengen seiner verkauften Ware bereits in Zentnern angeben! Schließlich ist dies die Größenordnung, für die Polizei und Justiz den Einsatz von V-Personen vorsehen und befürworten. Viele meiner Mithäftlinge, die selbst im Milieu aufgewachsen sind, erzählten mir, dass sie trotz eigener Szene-Erfahrung nur deshalb auf ein V-Mann-Geschäft herein­gefallen sind, weil die Tarnung des V-Mannes viel zu perfekt war, um ihn für einen polizeilichen Lockspitzel zu halten. Sie erzählten weiterhin von V-Leuten, die sich über Jahre hinweg als Zuhälter ausgeben und mehr Drogen konsumieren als ein kräftiger Mensch überhaupt verträgt. Ausgerechnet die Brutalität, mit der solche Leute aufgekaufte Frauen in die Prostitution prügeln, macht den V-Mann in der Szene erst so richtig glaubwürdig. Verkehrte Welt! Ein gewalttätiger Zuhälter gewinnt eben mal mit zunehmender Verrohung das wachsende Vertrauen der Drogen­händler. Was bedeutet es schon einem Staatsanwalt (Herr des Verfahrens), seinem V-Mann ein paar gezwungene Huren zu überlassen, wenn er doch dafür mit Erfolgen gegen die Drogen­kriminalität brillieren kann? Auch die Gesellschaft weint keiner Ausländerin nach, die letztendlich auf dem Strich landet oder mit dem "goldenen Schuss" in einem verdreckten Bahnhofsklo gefunden wird.

Die Zweifel des Lesers

Mir ist klar, dass der selbstbewusste Leser meine Ausführungen spätestens jetzt nach diesen Erklärungen zu den Zusammenhängen zwischen Drogen und Prostitution im V-Mann-Geschäft für völlig unglaubwürdige Fantasien hält. Der gesetzestreue Bürger ist verführt, vielleicht doch lieber am Bild vom gewissenhaften Kripo-Helden, der in seiner Kindheit der katholischen Jugend angehörte, festzuhalten. Aber bleiben wir doch einmal realistisch. Ein V-Mann kann kein Milch­gesicht sein, wenn er glaubwürdig sein will! Selbstverständlich fragt man sich, wie weit V-Leute in ihren Bemühungen, auch in der gehobenen Kriminalität vertrauens­würdig zu sein, denn überhaupt gehen dürfen.

Rechtliche Einschränkungen

Tatsächlich bestehen für den Einsatz von V-Leuten im strafrechtlichen Ermittlungs­verfahren keinerlei gesetzliche Regelungen. Es existieren lediglich Richtlinien, an die sich ein V-Mann halten kann, wenn er denn möchte. Wie soll man sich so etwas vorstellen? In einem Staat, in dem ein Richter über mehrere Instanzen hinweg eine gerichtliche Entscheidung zum Betrieb einer 40-Watt-Glühbirne einklagt, gibt es kein Gesetz, welches das Treiben eines V-Mannes in Schranken hält!

Mit der im o.g. Gutachten vorgeschlagenen Klausel "Gefahr in Verzug" kann ein V-Mann sogar staats­anwalt­schaftliche Anordnungen für drei Tage außer Kraft setzen! So hat er auch die Möglichkeit, genehmigungs­pflichtige Aktionen erst im Nachhinein vom Staatsanwalt anordnen zu lassen. Wenn sich also ein vorbestrafter Verbrecher für "üppige Honorare" (BGH, siehe oben) als V-Person betätigt, hat dieser die Möglichkeit, im Rahmen seiner Tarnung nahezu uneingeschränkt Straftaten zu begehen. Die Größen­ordnung des bespitzelten Einsatz­gebietes, bzw. "Zielobjektes" bestimmt das Ausmaß, also die Schwere der Straftaten, mit der sich der Spitzel Glaubwürdigkeit verschaffen darf. Dies tut er durchaus manchmal auch unter Lebensgefahr. Es ist daher einleuchtend, dass V-Personen zur Auf­recht­erhaltung ihrer Tarnung - und nicht zuletzt, weil es sicherlich nebenbei auch Geld einbringt - übermäßig rücksichtslos handeln. Durch die Klausel "Gefahr in Verzug" ist dem V-Mann bei spontanem Eigen­ermessen nicht nur die Entscheidungs­macht eines Staatsanwaltes in die Hände gelegt (wohl gemerkt alles ohne gesetzliche Regelung), ihm ist damit zusätzlich für alle seine Handlungen ein juristischer Vorsprung von drei Tagen bewilligt. Ohne gesetzliche Regelung zur Tätigkeit von V-Leuten können diese willkürlich Straftaten begehen. Der Vorsprung von drei Tagen räumt dem V-Mann die Entscheidungs­freiheit ein, den Staatsanwalt über eine erfolgreich beendete kriminelle Aktion (z. B. Drogen­schmuggel) zu informieren oder diese zum eigenen Vorteil (Selbstbereicherung) geheimzuhalten. Auch wenn eine kriminelle Aktion von tüchtigen Polizisten vereitelt wird, kann sich der V-Mann auf die "Gefahr in Verzug" berufen und erntet dann eben statt den Profit aus der kriminellen Aktion das "üppige Honorar" (BGH, siehe oben).

Gesetzlich organisierte Freiheiten

Die Rechtsprechung hat zu § 30 des Betäubungs­mittel­gesetzes entschieden: Wer sich an einem Rauschgift­geschäft lediglich in der Weise beteiligt, dass er für den Erwerb von Btm im Ausland Geld zur Verfügung stellt und nur darauf wartet, dass ein anderer ihm ein­geschmuggeltes Rauschgift bringt, sonst aber überhaupt keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang hat, ist grundsätzlich NICHT Mittäter der Einfuhr! Während der V-Mann also zu Hause im Sessel sitzt und darauf wartet, dass sich seine Investition auszahlt, geht ihm irgend ein kleiner, dummer Fixer auf den Leim und riskiert eine hohe Haftstrafe für die Einfuhr von Drogen. Geht der Vorgang an der Staatsgrenze gut, kann der V-Mann die Angelegenheit als Tarnung und Aufrecht­erhaltung seiner Glaub­würdig­keit verbuchen. Ihm bleiben drei Tage Bedenkzeit, ob er den Vorfall an die Staats­anwalt­schaft weiterleitet. Geht die Einfuhr der Drogen an der Grenze schief, so ist der V-Mann durch die Formulierung dieses § 30 BtMG sauber aus der Sache raus und er kassiert wiederum "üppige Honorare" (BGH, aaO). Es fehlt also nicht nur eine gesetzliche Regelung zur Tätigkeit von V-Personen, zu allem Übel sind V-Personen sogar auch noch ausdrücklich gesetzlich abgesichert.

Alles zur Verbrechensbekämpfung

Wer nun halbwegs etwas Rechtsbewusstsein verspürt, der fragt sich natürlich, warum denn die Rechts­institutionen so etwas überhaupt zulassen. Offenbar meint man, dass die Verbrechens­bekämpfung den Einsatz und die damit verbundenen Handlungen von V-Personen legitimiert. Die dabei entstandenen Schäden, die für Tarnung und Glaub­würdigkeit des V-Mannes anfallen (Drogenhandel, Prostitution usw.), werden halt als Kollateral­schäden akzeptiert, zumal diese Rechts­verletzungen offiziell noch nicht einmal existieren, solange sie vom Staatsanwalt - Herr des Verfahrens - nicht zur Anklage gebracht werden. Die offizielle Wahrheit bleibt auch aus vielen anderen Gründen nur eine Lüge. Angeklagte, die vor Gericht für ihre Unschuld plädieren, gelten allgemein in der Bevölkerung grundsätzlich als Lügner. Schon wenn ein Bürger lediglich mit einem Streifen­fahrzeug der Polizei von zu Hause abgeholt wird, ist das Ansehen und damit die Glaub­würdig­keit eines Menschen zerstört. So hat ein V-Mann bei einer Zeugen­aussage vor Gericht alle Freiheiten, einen Angeklagten so fiktiv zu belasten, wie er will. Das wird ein V-Mann grundsätzlich auch tun, denn schließlich wird er gut bezahlt und hat dafür auch Leistung zu erbringen. Es liegt also nur im Interesse des V-Mannes, den Angeklagten so schlimm zum Verbrecher hochzustapeln, wie es nur geht. Dazu braucht ein V-Mann selbst vor Gericht noch nicht einmal aufzutreten! Hält man das für möglich?! Ein V-Mann wird in ein Zeugen­schutz­programm aufgenommen und kann dann von einer Gerichts­verhandlung fernbleiben, wenn durch sein Auftauchen seine Tarnung auffliegt (er gilt dann als verbrannt) oder wenn zu befürchten ist, dass Gefahr für Leib und Leben besteht. Ich habe Akten von Mithäftlingen gelesen, in denen noch nicht einmal die Namen der V-Leute bekannt gegeben wurden. Alles nur aus Sicherheits­gründen? Einem Hexenprozess sind damit Tür und Tor geöffnet. Die meisten V-Personen arbeiten jedoch derart geheim, dass ihre Anzahl nur noch geschätzt werden kann! Ist das nicht ein Schild­bürger­streich? Niemand weiß, wie viele Kriminelle von den Staatsanwaltschaften mit einem Freibrief in der Tasche als V-Person auf die Gesellschaft losgehetzt werden. Es gibt keinerlei Kontroll­möglichkeiten, die Qualität der V-Mann-Tätigkeiten zu überprüfen!

Die Wechselwirkung

Die Zustimmung der Justiz für den Einsatz von V-Personen findet ihre Begründung nicht nur in der Bekämpfung der Kriminalität; Staatsanwälte durchlaufen ihren Werdegang auf der Beamten­lauf­bahn. Im Interesse ihrer möglichst raschen Beförderung ist für karriere­orientierte Staatsanwälte das V-Mann-Geschäft eine höchst effektive Methode, berufliche Erfolge vorzuweisen. Es ist daher schlüssig, dass sich V-Mann und Staatsanwalt gegenseitig "die Stange halten". Unter dem Deckmantel der Tarnung kann ein V-Mann jahrelang seinen verbrecherischen Geschäften nachgehen. Der Staatsanwalt hält ihm das Revier frei von Konkurrenz. Ein Telefonat mit dem Staatsanwalt genügt, um Gegner auszuschalten. Im Gegenzug wird der Staatsanwalt vom V-Mann mit Aufträgen versorgt, indem er eben jene Konkurrenten an den Staatsanwalt verpfeift. Je mehr Material der V-Mann liefert, desto mehr eigene Vergehen und Verbrechen kann ihm der Staatsanwalt durchgehen lassen. Einen guten Lieferanten wird wohl kein Staatsanwalt "über die Klinge springen lassen".

Der Nachschub

Wenn das Revier frei von Konkurrenz ist, kommt der V-Mann in Bedrängnis, nicht mehr liefern zu können. Damit bleiben auch die "üppigen Honorare" aus. Es ist für ihn jedoch kein Problem, irgend einen kleinen Fixer derart und so lange mit Drogen anzufüttern, bis dieser seine Schulden nicht mehr bezahlen kann. So kann dann der V-Mann den Fixer nötigen, z. B. im Ausland Drogen zu kaufen und diese nach Deutschland einzuführen, um sie dann auf der Straße zu verkaufen. Der V-Mann kann darüber entscheiden, ob und wann er seinen Fixer an den Staatsanwalt ausliefert. Ein guter V-Mann hat jedoch immer mehrere Eisen im Feuer. So kann er es sich überlegen, welchen Fixer er wann für "üppige Honorare" verheizt, oder ob er die ein­geschmuggelte Ware zur Aufrecht­erhaltung seiner Glaub­würdig­keit und Tarnung einbehält.

Kleine Schwerverbrecher

Hier in der JVA-Bayreuth sind mir bisher nur sehr wenige BtM-Straftäter begegnet, die nicht auf eine V-Mann-Geschichte herein­gefallen wären. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei diesen Mithäftlingen um Klein­kriminelle oder sogar um bislang unbescholtene Bürger. Diese Leute werden speziell in Bayern vor Gericht zu Schwer­verbrechern aufgepumpt und größtenteils mit doppelter und dreifacher Straf­zumessung härter bestraft als es die Gesetzgebung eigentlich vorsieht. Nicht selten werden von Staatsanwälten zu den Anschuldigungen auch gleich ganze Beweislagen und sogar Gutachten einfach dazuerfunden (den interessierten Leser bitte ich um Anfrage!). Schließlich dient es dem Ansehen des aufstiegs­willigen Staatsanwaltes, vorzuweisen, dass es ihm gelingt, die großen Verbrecher anzuklagen.

Im Geheimen organisiert

Bereits durch das NPD-Verbots­verfahren wurde bestätigt, dass noch nicht einmal eine derart bedeutende Staats­schutz­einrichtung wie der Bundes­verfassungs­schutz seine V-Personen im Griff hat. Wenn sich aber nun schon auf dafür spezialisierter Bundesebene solche Fehl­kompetenzen offenbaren, wie katastrophal sieht es dann erst auf den Landesebenen aus?! In jedem Fall handelt es sich bei V-Mann-Geschäften um organisiertes Verbrechen. Entweder selbständig durch die V-Person organisiert und dann an den Staatsanwalt weitergeleitet. Wenn aber ein Staatsanwalt meint, er habe die totale Kontrolle über seinen V-Mann, dann handelt es sich bei V-Mann-Geschäften sogar um staatlich organisierte Kriminalität. In beiden Fällen ist es für mich nicht weiter verwunderlich, dass die oben bereits zitierte "Große Straf­rechts­kommission des Deutschen Richterbundes" in ihrem Gutachten erklärt:

"Die Ausforschung des Beschuldigten oder von Zeugen (also auch das Bespitzeln von rechtstreuen Zeugen) durch eine V-Person entzieht sich einer gesetzlichen Regelung."

Oder etwas verständlicher ausgedrückt: Da, wo man ganz gezielt durch das Weglassen von Gesetzen rechtsfreien Raum schafft, kann auch nicht gegen Gesetze verstoßen werden.

Die Geheimhaltung

Zwar versteht sich von selbst dass der Einsatz von V-Leuten aller­strengste Geheimhaltung zwingend notwendig macht, jedoch ist durch die absolute Verhüllung des V-Mann-Geschehens auch jegliche Rechts­sicherheit genommen. Wenn ein Verfahren dermaßen geheim ist, dass es offiziell noch nicht einmal existiert, kann ein Staatsanwalt (Herr des Verfahrens) fehlgeschlagene Einsätze ganz einfach leugnen. Da sogar die Anzahl der V-Leute unbekannt ist (ich erinnere nur an das NPD-Verbots­verfahren) - oder eben doch? -, muss ein Staatsanwalt noch nicht einmal zugeben, überhaupt V-Leute zu beschäftigen. Somit sind Verbrechen, die durch eine Symbiose zwischen V-Mann und Staatsanwalt an "bislang unbescholtenen Bürgern" begangen werden, auch nicht mehr kontrollierbar. Es sei nur z. B. an die spektakuläre Sprengung der JVA Weiterstadt erinnert: Täter war ein Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Verfassungs­schutzes. Damit er nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte, wurde er ins Ausland geschafft und mit einer neuen Identität versehen.

Auch Medien fehlt durch diese Geheimhaltung die Möglichkeit, mit oppositioneller Überprüfung Licht in die Vorgehens­weisen der V-Mann-Geschäfte zu bringen. Diese Zensur der Medien müsste eigentlich nicht weiter schlimm sein, doch die Bürger richten sich in ihren Vorstellungen von V-Mann-Ermittlungen nach dem, was uns die Filmindustrie Tag für Tag in die Wohnzimmer leuchtet. Besonders die Fernseh­zuschauer werden bis zur Unmündigkeit verdummt! Als ob es sich bei dem Müll, mit dem man um Einschalt­quoten ringt, um die Wahrheit handeln würde. Statt dessen sind ehrliche Projekte, wie z. B. Christiane F's Wir Kinder vom Bahnhof Zoo[wp] die seltene Ausnahme.

Deutscher Standard

Ich kann nicht verstehen, warum man in Deutschland nicht fähig ist, die Augen aufmachen. Noch vor kurzem hätte man sich als populistischen Querulanten beschimpfen lassen müssen, wenn man von Korruption in der Politik gesprochen hätte. Vor der "Pisa"-Studie war es auch nicht erlaubt, Kritik am deutschen Bildungs­(un)wesen zu üben. Seit jeher war es tabu, über sexuelle Übergriffe besonders und gerade in der katholischen Kirche zu sprechen. Vor aller Augen werden die Herren der Politik für ihre Vergehen/Verbrechen von der Justiz kaum belangt (z. B. Fall Dr. H. Kohl) oder sogar ganz frei gesprochen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das deutsche Volk mit all diesen Missständen einverstanden ist. Nachweislich lügen sich die Rechts­institutionen Erfolge bei der Verbrechens­bekämpfung in die Tasche. Gerade die Bayern tönen ihre fragwürdige Verbrechens­aufklärungs­quote besonders laut hinaus. Die steigende Drogen­kriminalität direkt vor unserer Haustür belegt jedoch eine andere Wahrheit!

Früher war die Drogensucht nur aus Großstädten wie z. B. Hamburg oder Berlin und eben durch Christiane F's. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo bekannt. Heute hingegen findet der harte Drogenkonsum sogar in den abgelegensten Dörfern statt. Diese Tatsache sollte doch wohl Anlass genug sein, endlich einmal die Praktiken der Staats­anwalt­schaften unter die Lupe zu nehmen und zu diskutieren.

– Im April 2002
Matthias Frey[nw]
Häftling 1004/96 JVA Bayreuth[2]

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: V-Person, Version vom 28. Dezember 2015
  2. Matthias Frey[nw]: V-Leute