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Szenesterben

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Hauptseite » Mann » Schwule » Schwulenszene » Szenesterben
Information icon.svg Das Szenesterben ist ein Beitrag aus der HomoWiki.
Aufgrund der hohen Erfolge der Gay-Dating-Plattformen[1] in den letzten zehn Jahren nahm die Vereinzelung[hw] leider wieder zu. Es ist so einfach, auf den so genannten blauen Seiten ein Profil zu eröffnen und nach kurzer Zeit wimmelt es vor E-Mails.

Somit ist der Zwang, in die Szene zu gehen, um ein "Date klarzumachen", nicht mehr gegeben. Dies ist zwar einerseits ein bedeutender Fortschritt, hat aber andererseits auch katastrophale Neben­wirkungen: Der Besuch der Gay-Locations nahm in den letzten zehn Jahren spürbar ab und viele Gay-Locations konnten sich nicht mehr halten. Die Szene dünnt mehr und mehr aus. Selten eröffnet eine neue Gay-Bar, doch viel öfter schließt eine für immer.

Viele Städte unter 200.000 Einwohner wurden im letzten Jahrzehnt gar szenefrei. Dieser Zustand ist zweifellos unhaltbar. Tausende Menschen in jeder Großstadt kämpften jahrzehntelang, um den Zustand von 2000 zu erreichen. Nun geht sang- und klanglos viel Gutes unter.

Trotz Internet hat - vom rein egoistischen Standpunkt aus betrachtet - die Szene unbestreitbare Vorteile: Mann kann sich über Stalker auf den blauen Seiten austauschen, klatschen und tratschen und auch mal so richtig schön ablästern. Vom altruistischen[wp] Standpunkt aus betrachtet ist die Szene selbstverständlich unverzichtbar, um ein Rückfall in die schweren Zeiten der Vereinzelung zu vermeiden. Ohne Szene ist die Solidarität gering. Ohne Solidarität können die LGBT's keinen gesamt­gesellschaftlichen Druck aufbauen. Ohne gesellschaftlichen Druck wird uns die hetero­sexuelle Mehrheit keine weiteren Zugeständnisse machen und "Interessens-Raum" an uns abtreten.

Erste Verschlechterungen sind bereits sichtbar: Wenn ein Außenminister unterwegs ist und seine Frau mitnimmt, sagt niemand etwas. Nimmt ein Außenminister indes seinen Mann mit, ist das plötzlich ein Interessens­konflikt und Begünstigung. Wäre das in einer Gesellschaft mit einer festen geschlossenen Gay-Community passiert, hätte es einen Aufschrei gegeben. Da diese aber kaum noch sichtbar ist, blieb der Aufschrei aus. Das Szenesterben ist der Anfang. Ein Rückfall in die Zeiten der Diskriminierung könnte womöglich das Ende sein.

– Sophismos

Zersetzung, Unterwanderung und Niedergang:

Berlin war mal eine schwule Haupstadt. Stichwort Wowereit[wp]. Schwul war mal ein unübersehbarer Charakterzug Berlins.

Ich kann mich gut erinnern, dass ich etwa so zur Hälfte meiner Berliner Zeit, also so ungefähr um 2016, 2017 herum, jede Menge Zuschriften und auch Anrufe aus der Berliner Schwulenszene bekam, weil ich ja damals auch recht viel darüber und die Gender Studies schrieb. Etwa darüber hatte ich geschrieben, dass aggressive Raublesben das "Schwule Museum"[wp] übernommen hatten, und Schwule nur noch in einer Ecke geduldete Gäste in ihrem eigenen Museum seien.

Damals hatte ich sehr viele schwule Leser, die das interessierte, und die mir da auch Rückmeldungen gaben, und das oft so, dass ich am Telefon auch schallend lachte. Im Gegensatz zu Lesben nämlich können Schwule durchaus selbstkritisch sein, sich über sich selbst lustig machen und einfach witzig sein. Lesben nie.

Ich hatte oft das Gefühl, dass viele Lesben keine Lesben sind, sondern nur getarnte Kampfgruppen, so wie Grüne in die Piraten eintraten, um sie von innen heraus zu zerstören, und das einfach nur linke Zerstörer waren, die dann auch die Homoszene von ihnen heraus zertrümmerten. Und die nur auf Lesbe machten, wie man in die Piratenpartei eintrat, und es um nichts anderes als die Vernichtungs einer etablierten Bevölkerungs­struktur ging.

Neben unzähligen Zuschriften habe ich immer gern mit einem telefoniert, der mich gelegentlich anrief und mir berichtete, wie es um die Schwulenszene steht und was da so abläuft, und ich fand das immer herrlich unterhaltsam und lustig, weil der immer so einen gutgelaunte tuckig-tuntigen selbst­ironischen Sound drauf hatte, als wäre es eine Comedy-Show am Telefon nur für mich. Der hätte echt auf der Bühne auftreten können - und sollen.

Leider war das, was er dabei berichtete, oft eher traurig. Beispielsweise die Vorgänge um das "Schwule Museum".

Oder eben auch, dass es in Berlin früher ein breites schwules kulturelles Leben gegeben habe, weil es viele schwule Clubs gegeben habe. Naja, was heißt Kultur, es wird wohl vorrangig Rumgebumse gewesen sein, aber es ist eigentlich egal, ob sie zusammen bumsen oder singen, es geht mir darum, dass es hier eine Community gab.

Und diese wurde offenbar genauso zerstört und zertrümmert, wie die Piraten - es gibt noch ein paar, aber man sieht sie kaum noch, sie spielen kaum noch eine Rolle.

Der letzte Anruf nämlich, schon Jahre her, war eher so im Tonfall eines Nachrufes. Es war die Mitteilung, dass es das schwule Leben in Berlin praktisch nicht mehr gebe, dass erst die Lesben und dann der LGBTQ-Krampf alles zerstört und ihre Kneipen übernommen habe, als ob sie in eine Einheitspartei zwangs­eingegliedert worden wären, als dürfe es nur ein einziges uniformens Zentralorgan für alles geben, was mit Sexualität zu tun hat, als habe man auf sozialistische Weise alles übernommen und uniformiert. Hörte sich an wie schwul nach Planwirtschaft.

Er sagte, es geben kein schwules Leben mehr. Die Leute würden alle zuhause bleiben und das nur noch im Privaten, unauffällig, hinter verschlossenen Türen ausleben, und sich bemühen, nach außen nicht mehr als schwul in Erscheinung zu treten.

Das war das Letzte, was ich aus der Schwulenszene gehört habe. Ich habe seit etwa dieser Zeit - und damals ja auch viel im Blog dazu geschrieben - nie wieder eine Zuschrift oder einen Anruf bekommen, der sich auf das Thema schwule Szene bezog, oder in dem sich jemand als schwul vorstellte.

Es ist gerade so, als habe diese ganze Ding "schwul in Berlin" vor einigen Jahren - ich kann nicht mehr genau sagen, wann, ich müsste die alten Blog-Artikel zusammensuchen - schlagartig aufgehört, als hätten die sich alle - wie der letzte Anrufer es beschrieb - in das Privatleben zurückgezogen, sich eingegraben. Als hätten die Kampflesben die schwule Szene genauso - genauso erfolgreich und mit denselben Mitteln und Methoden - unterwandert und von innen heraus vernichtet. Man hört ja auch nichts mehr.

Hadmut Danisch[2]

Einzelnachweise

  1. Gay Dating: Diese Singlebörsen für Schwule helfen allen Suchenden, queer.de am 24. Oktober 2016
    Neue Portale helfen dabei, sich durch den wachsenden Markt der Gay-Partnervermittlungen und einschlägigen Dating-Seiten zu kämpfen.
  2. Hadmut Danisch: Die Schwulen - wo sind sie hin?, Ansichten eines Informatikers am 13. März 2024

Querverweise

Netzverweise


Dieser Artikel basiert vollständig auf dem Artikel Szenesterben (17. März 2010) aus dem schwul-lesbischen Lexikon HomoWiki. Der HomoWiki-Artikel steht unter der Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0). In der HomoWiki ist eine Liste der Autoren verfügbar, die vor Übernahme in WikiMANNia am Text mitgearbeitet haben.