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Operation Namibia

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Die Crew der Golden Harvest: Barry, Elise, Hans, Roy, Maggie, Ian, Peter, Jude[1]

Operation Namibia ging von den Universitäten in London und Philadelphia aus. Es wurden Bücher gesammelt, die verbotenerweise vor den Augen der Welt­öffentlichkeit auf einem Segelschiff nach Namibia gebracht werden sollten - als konkrete und zugleich symbolische Aktion, mit der letztlich das System von Zensur[wp] und Apartheid zu Fall gebracht werden sollte.[2]


In the summer of 1976, a boat will sail from Portsmouth, England, bound for Namibia. It will carry a cargo of books collected by various groups and individuals around the world. The aim of Operation Namibia is to deliver the books openly to the Namibian National Convention, which has set up a library to receive them, and to generate awareness of the illegal presence of South Africa, and the plight of the Namibians.

Operation Namibia realises that, to allow the cargo into the country without interference, the South Africans must concede some significant aspect of their control. Our major aim is to encourage such consessions using direct approach, dramatic symbolism, open organisation and transnational campaigning. Operation Namibia undertakes to make every nonviolent attempt to deliver the cargo of books.[2]


Bernhard Lassahn [...] erzählt die Geschichte des Raphael Schell, die Geschichte einer obskuren, von der Historie verbummelten "Operation Namibia" und ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Friedensbewegung, die mit dem schwarzen Schiff ihre Unschuld verlor wie vorher die Blumenkinder mit Charles Manson[wp].

Die "Operation Namibia" wurde im Juli 1975 geplant, sechs Wochen nachdem Südafrika eines der Ultimaten der Vereinten Nationen[wp] missachtet hatte, sich aus Namibia zurückzuziehen. Ausgestattet mit einer Einreise­genehmigung der UN soll der Segler "Golden Harvest" die von Südafrika kontrollierte Walfischbucht[wp] in Namibia anlaufen, offiziell unter dem Protektorat der Vereinten Nationen. An Bord natürlich love & peace, aber auch eine Menge vom Apartheids­regime verbotener Bücher. Ein Zeichen soll die "Golden Harvest" setzen: Wissen für die Unterdrückten bringen, und nebenbei soll Südafrika provoziert werden, sein wahres Gesicht zu zeigen.

Einer der Eigner des Schiffes ist Peter le Mare, Gründer der "Campagne für atomare Abrüstung" und eine der Symbol­figuren der Friedensbewegung. Joan Baez[wp] unterstützt das Projekt mit Benefiz-Konzerten. Materiell hilft die weltweite Quäker[wp]-Gemeinde, die auch viele der ersten Greenpeace[wp]-Aktivisten stellt, und selbst die buddhistische Gemeinde in London ist mit von der Partie. Einer ihrer Mönche ist an Bord.

Doch als Raphael Schell auf der "Golden Harvest" anheuert - hier setzt Bernhard Lassahns Tatsachen­roman ein -, hat die "Operation Namibia" schon alle Herrlichkeit verloren. Die Einreise­erlaubnis der UN für die Walfischbai ist bereits abgelaufen. Sie galt für ein Jahr, und das hat die Besatzung schon vertrödelt. Die Kredite, die man aufgenommen hat für das Projekt, drücken nun; die Öffentlichkeit hat das ohnehin schmale Interesse lange verloren. In Deutschland berichten ohnehin nur Blätter wie "peace media". Mit einem schadhaften Motor liegt die "Golden Harvest" vor Nigeria fest.

Doch Enthusiasmus und Naivität sind Geschwister. Rafi, Lassahns nach Raphael Schell modellierte Hauptfigur, geht trotzdem an Bord. Er ist ein hoffnungsloser Romantiker auf der Suche nach einem Lagerfeuer und sowieso kennt er keine Hintergründe. "I am a conscientious objector, because I never wanted to have something to do with the German military, because of Adolf Hitler. I always wanted to fight for freedom for the blacks. I also think books are very important." Mehr Motivation braucht sein Abenteuer nicht.

Raphael aus Clausthal-Zellerfeld ist ein Kind seiner Generation. Nach dem Wirtschafts- und dem Fräulein­wunder erlebt Deutschland sein Wunder der Innerlichkeit[wp]. Rafis Eltern müssen Fress- und Reisewelle mitgemacht haben, Rafi schwimmt auf der Welle der eigenen Gefühle. Er ist ein unbedarfter Exotist auf der Flucht vor seiner Angst und Sehnsucht. Entdecken wird er die Hölle der guten Absicht, die Folter der Diskursethik[wp].

In Nigeria jedenfalls ist für die "Golden Harvest" bald schon kein Bleiben mehr, die Zeit reicht nicht einmal für die nötigen Instand­setzungs­arbeiten. Die Crew weicht nach Westen aus, nach Togo, wo im Hafen von Lomé ein Militärboot auch noch die Außenhaut des Schiffs beschädigt. Die Besatzung ist frustriert - ein damals noch junges Wort -, die Hygiene-Verhältnisse sind zermürbend, die Kakerlaken erobern das Schiff, der in Afrika alltägliche Stillstand tut ein übriges.

Schon in Togo ist klar: Die "Golden Harvest" wird Namibia nie erreichen. Doch das eigentliche Drama des "schwarzen Schiffs" spielt sich unter der Besatzung ab, Querschnitt noch so einer lost generation[wp]. An Bord sind naiv Friedens­bewegte wie Rafi oder der etwas reflektiertere Hans, ebenfalls ein Deutscher, Glaubens­krieger wie der schon erwähnte Mönch, einige englisch-sprachige Aktivisten, darunter der für die Öffentlichkeits­arbeit zuständige Kris, und die Amerikanerin Elise, sowie deren Liebhaber, Momo, der einzige Afrikaner an Bord und sicherlich das schillerndste Mitglied der Crew.

Bis heute gehen die Meinungen der Besatzungs­mitglieder über ihn auseinander: Vielleicht war er ein Vertreter der radikalen Rastafari[wp] und der Black Supremacy, unwahrscheinlich, dass er vom süd­afrikanischen Geheimdienst ausersehen war, die "Operation Namibia" zu sabotieren. So wie Bernhard Lassahn die Crew schildert, brauchte sich kein Geheimdienst der Welt darum zu sorgen, dass die "Golden Harvest" die Walfischbucht tatsächlich erreichen könnte. Basisdemokratie[wp] und Diskursethik[wp] verdammen die "Golden Harvest" zur Manövrier­unfähigkeit und die "Operation Namibia" insgesamt zur Kopf­losig­keit.

So wie Elise, die einzige Frau an Bord, nicht kochen darf, darf Roy, der einzige Nautiker, das Schiff nicht kommandieren. Im absoluten Diskurs an Bord wird vorsorglich alles Gegebene - wie die nautischen Kenntnisse Roys - negiert. Die Welt ist schlecht in den Augen der politisch ach so engagierten Crew, und deshalb steht alles Gegebene ständig unter Verdacht. Das "Über-Wir" (Odo Marquard[wp]) regiert, und weil schlecht ist, was ist, ist an Bord der "Golden Harvest" - gar nichts.

Außer einem endlosen Tribunal: Es beginnt die Tyrannei der politisch Korrekten. Elise und Momo, die Frau und der Schwarze, die selbst ernannten Vertreter der Unterdrückten an Bord, werden zu Unterdrückern. Eine Schreckens­herrschaft beginnt: Auf dem Boot, das mit Büchern ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen sollte, wird zensiert, Momo nicht genehme Schriften gehen über Bord, für Haschisch (legalize it!) wird mancher Band verkauft. Andersdenkende werden diffamiert und eingesperrt, ihr Essen wird rationiert. Am Ende wechselt der Rassismus nur seine Vorzeichen.

Im Konflikt verliert die "Golden Harvest" den größten Teil ihrer Mannschaft. Rafi bleibt mit Momo und Elise allein zurück, der Rest verlässt das Schiff aus Protest.

Jede Revolution endet mit ihrem ganz eigenen Robespierre[wp]: Momo befehligt das Schiff allein und ohne jede nautische Kenntnis. Die "Operation Namibia" ist tot: noch ein Kapitel in der Dialektik der Aufklärung[wp].

Die Golden Harvest heute in Französisch-Guayana[wp]

Wohl keiner der Beteiligten hat diese Horrorshow der Friedensbewegung je vollständig verarbeitet. Raphael Schell, meint Lassahn, "lebt in Kassel, aber ist immer noch in Afrika". Hans verkauft in Berlin Gemüse aus biologischem Anbau. Elise ist, als das Projekt schon am Ende war, am Schwarz­wasser­fieber[wp] gestorben, Kris starb während der Recherchen Lassahns. Er lebte an Bord der "Golden Harvest", die vor Französisch-Guayana[wp] lag. Kris wollte dort den Regenwald retten. Von Momo weiß niemand etwas.

Aus Fotos, Zeitungsartikeln, Protokollen und allein 36 von Raphael Schell besprochenen Kassetten hat Bernhard Lassahn sein Buch gespeist. Seine Recherche ist vorbildlich, und gerade deshalb hätte er seinen Stoff besser zu einer Reportage à la Capote[wp] verarbeitet statt einen Tatsachen­roman zu schreiben. Allzu schwierig ist es für den Leser des "schwarzen Schiffs" Fakt von Fiktion und Interpretation zu scheiden. [..-]

Die Geschichte allerdings, die er zu erzählen hat, ist, wo sie auf Tatsachen beruht, nicht nur erhellend, sondern grell. "Auf dem schwarzen Schiff" ist ein Lehrstück von der abgründigen Bosheit der guten Absicht. Denn merke: Stets muss das Opfer seinen Henker trösten. Nur für ihren eigenen Ablass[wp] fahren die vorgeblichen Heilsbringer mit der "Golden Harvest" vom reichen London ins arme Afrika. Wolfgang Pohrt[wp], gnadenlos adornitischer Kritiker der Friedensbewegung, hat es so ausgedrückt: "Die Alternativen liefern nur eine dürftige Reprise der alten Geschichte vom Bürger, der nicht nur ein Millionär, sondern obendrein auch noch geliebt werden will."

Sie wollten Widerstand leisten. Sie wollten die Welt verbessern im südlichen Afrika. Sie erlebten ein Lehrstück von der abgründigen Bosheit der guten Absicht. Der Maler Raphael Schell hat seine Erlebnisse an Bord der "Golden Harvest" in bunten Bildern festgehalten. Naive Gemälde über eine naive Mission.

– Wieland Freund[3]
Operation Namibia (ON) was initiated in 1975 by the Philadelphia Namibia Action Group (PNAG), to draw attention to South Africa's illegal control of Namibia. Its major project was "Books for a free Namibia": to send a sailing ship with an international crew to Namibia. The boat would deliver useful books as practical aid, and thereby defy South African authority in the region.

Support groups formed worldwide and a London office set up to to raise funds and organise the project. The Golden Harvest left Portsmouth in October 1976 with over 4000 books on board, sailing via Portugal, Tenerife, and Dakar. The "peace ship" Fri set out later from Singapore with books donated by supporters in the Far East. Those working on the project in England included Roger Moody, Sue King, Glyn Carter, and Lewis Peake. Golden Harvest crew included Roy Purvis, Maggie Wellings, Pete Ellis, Ian Harbour, Elise Gaeddaert, Hans Paret, Barry Considine, Jude Smith, and Kris Wood.

Golden Harvest encountered many problems on her journey, compounded by lack of funds. In particular, she foundered off the coast of Gambia in March 1977, requiring lengthy repairs, and the crew were arrested in Nigeria and in Togo. The project ended with Golden Harvest having reached Gabon, because of mounting financial difficulties, major rifts among the crew, and the death of Elise Gaeddert from cerebral malaria. Fri reached Namibia but was refused access to Walvis Bay, and returned to Britain. At a crisis meeting in September 1979, supporters decided to end the project, to give the books to the United Nations for shipment to Namibians in refugee camps, and to sell Golden Harvest.

– University of Bradford[4]

Einzelnachweise

  1. Auf dem Photo ist die Crew, wie sie in England aufgebrochen ist. Kris und Morishta waren schon auf dem Landwege los und kamen erst in Portugal an Bord. Momo war erst in Banjul[wp] (Gambia) dazugekommen, Rafi in Apapa[wp] (Lagos).
  2. 2,0 2,1 Bernhard Lassahn: Was ist Operation Namibia?
  3. Wieland Freund: Die Hölle der guten Absicht: Dialektik der Aufklärung - Mit der "Operation Namibia" verlor die Friedensbewegung ihre Unschuld, Die Welt am 12. August 2000
  4. University of Bradford: Records of Operation Namibia

Querverweise

Netzverweise