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Das Heilige gibt der profanen Welt Struktur

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Das Heilige gibt der profanen Welt Struktur von Emperor Caligula.

Das Heilige gibt der profanen Welt Struktur

Das Thema ist eines, das - vielleicht dem Titel und der ersten Definition nach - für viele heutzutage sehr randständig scheinen mag: Das Heilige und das Profane - oder - Welche Bedeutung das Heilige dafür hat, unserer Welt Struktur zu geben?

Hat! Ich sage es in der Gegenwartsform, denn es ist etwas, das im weiteren soziologischen Sinne unentbehrlich ist. Und ich werde versuchen zu sagen, warum. Ich habe ja - nur als kleiner Ausblick - lange schon die Theorie vertreten - stehe damit auch nicht ganz alleine -, dass das Heilige, das Religiöse im aller weitesten Sinne soziologisch gefasst, das einzige ist, was unserer Welt Struktur gibt. Nun muss man Religion hier in diesem sozial­wissen­schaftlichen Sinn nicht unbedingt in dem engen Sinne auffassen, wie es traditionell gefasst wird, also als Religion, sondern als eine Art, wie die Welt wahrgenommen wird. In der de facto in dieser Weise - und ich versuche das hier zu erklären und zu - ich will nicht sagen - beweisen, aber doch plausibel zu machen - in dem im Prinzip auch alle anderen Ideengebäude - Liberalismus, Demokratie, Kommunismus, Faschismus, was man will - de facto Religionen sind. Warum das so ist, versuche ich hier zu erklären. Es hat etwas mit der Organisationsform von Menschen zu tun.

Nun ist das Besondere: die Religion ist die allererste Form der menschlichen Strukturgebung. Das bedeutet, die Gemeinschaft, die wir vorfinden, ist ja zunächst nur eine für uns subjektiv wahllose, zufällige. Das heißt, dass wir die Kinder unserer Eltern sind, ist ja kein Akt der Willens­entscheidung. Es ist kein Akt einer Ausrichtung. Natürlich ist man mit seinen Eltern ... man hat mit Recht gesagt, die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft. Das ist wahr, aber sie gibt der Gesellschaft im Ganzen ja keine Struktur, sondern sie bleibt zunächst eine Ansammlung von Individuen, beziehungsweise individuellen Kleinstgruppen. An dem macht sich zunächst einmal nichts fest. Das Fortsetzen ist ... Nun kann man sagen, in archaischen Kleinst­gesellschaften, wenn man dort germanische Stammes­gesellschaften nimmt, dann hat man mehrere Gehöfte, mehrere Familien. Wobei es natürlich so ist aus biologischen Gründen, die den Menschen alter Zeiten zwar nicht bewusst waren, aber doch oft praktiziert wurden, war es ja doch so, dass die Menschen eher auch wieder mit fernen entlegenen heirateten. Das hat natürlich genetische Gründe. Das wurde nicht in allen Kulturen praktiziert, oder, sagen wir mal, in allen Schichten, in den Kulturen in der Regel schon, aber, es gab Schichten, wir haben zum Beispiel die Pharaonen oder überhaupt auch Königshäuser und auf der aristokratischen Ebene, in dem Menschen immer, sagen wir mal, Verwandte heirateten und die Ergebnisse davon... gut, sind uns allen bekannt. Aber das soll es nicht bekümmern, weil es nicht die Regel ist. Auch das würde nicht wirklich eine Art Struktur schaffen, sondern es ist die Aufgabe, wo Menschen zusammenkommen, dass sie irgendeine Ausrichtung haben und das ist das, also etwas...

Wo ist das Zentrum, von dem aus die Welt gemessen wird? Das ist die Grundfrage, die als allererstes die Religion beantwortet hat. Das ist einfach so. Und ich weise hier auf etwas sehr Wichtiges hin. Das eine ist, welche große und fundamentale Bedeutung die Religion für eine Gesellschaft hatte und hat, ist für uns extrem schwer wahrnehmbar, weil wir in einer Säkular­gesellschaft leben. Das heißt, für uns ist das etwas, dessen Verständnis uns völlig verloren gegangen ist. Wir sehen zwar um uns herum eine Zerfaserung der Welt, ich sage mal ähnlich wie bei den berühmten Wollpullover, wo man den einen Faden zieht, und man zieht und zieht und irgendwann ist der ganze Pullover aufgelöst. So hatte die Religion eine strukturierende Form in der Gesellschaft, die in der Abwesenheit eigentlich durch nichts ersetzt ist, außer durch sogenannte Säkular­religionen. Im Englischen gibt es dafür den etwas besseren Begriff der civic religions. Wir könnten sagen, Säkular­religionen, das ist ein bisschen irreführend, denn Religion kann nie säkular sein. Auch das... hier gibt es einige Vorstellungen, die ich aufräumen muss, denn in der Vorstellung der allermeisten heute ist Religion nur ein Glauben. Also ein Dafürhalten oder ein Fürwahrhalten irgendeiner Idee, die in der Realität, ich sag's mal etwas salopp, Hokuspokus ist. Das heißt, weiß ich nicht, ich bin Christ, weil ich glaube an Jesus, ich glaube an die Ideen des Katechismus[wp], das neue oder alte Testament, was auch immer, oder ich glaube an die germanischen Götter oder an die römischen Götter; also im Sinne von: ich bin religiös, indem ich irgendetwas für wahr halte. Und das ist ein Irrtum. Das ist nicht Religion und das ist auch nicht Säkular­religion.

Wir sind auch nicht, wenn wir, sagen wir mal, drei oder vier Formen säkularer Religiosität nehmen: Demokratie, Liberalismus, Faschismus, Kommunismus. Ich nehme jetzt extra mal ein möglichst breites Spektrum. Ich bin ja nicht demokratisch gesonnen oder liberal gesonnen oder von mir aus auch Kommunist oder Faschist, weil ich ein Ideengebäude für wahr halte. Das ist der Bereich, der der Spiritualität entspräche, also der Privatmeinung. Das ist alles gut und schön. In der Realität manifestiert sich aber eine Idee nicht dadurch, dass die Leute im Kopf für wahr halten, sondern dadurch, dass sie in der Realität verankert wird. Das ist der große Unterschied.

Und das ist das, was vielen nicht bewusst ist. Was auch heute im politischen Kampf, ich sag's mal im weitesten Sinne, links gegen rechts oder klassisch liberal gegen extrem von den Leuten im weitesten Sinne aller nicht linken Bewegungen sehr stark vernachlässigt und ignoriert wird: das ist die Bedeutung des Raumes und der Zeit. Wir leben als Ergebnis der Aufklärung sehr stark in einer idealistischen Vorstellung der Welt. Das heißt, einer Vorstellung, dass die Welt im Kopf reproduziert wird, und dass das reicht. Und das ist quatsch. Das ist auch etwas, das zumindest teilweise auf linker Seite existiert. Wenn wir beispielsweise die Entwicklung der Postmoderne nehmen, also die Postmoderne oder den Dekonstruktivismus, ist eine Idee. Alles, was in der Welt ist, ist nur eine Art soziales Konstrukt, und das - so nehmen dann viele Leute an - existiert halt nur im Kopf. Denn wenn wir in der Tat zunächst einmal die Welt ansehen, so gibt es weder Demokratie noch Menschenrechte, weder Kommunismus noch Faschismus, weder Götter noch Religion, was man will, ob weltlicher oder religiöser, spiritueller Art als etwas, das man aus der Welt nehmen kann, so wie es Bäume, Steine, Häuser, Wetter, Menschen oder irgendwelche Gegenstände gibt. Also, das macht es zunächst einmal ...es ist also natürlich zunächst etwas Gedachtes. Das ist wahr, denn es gibt ...man kann die Welt nicht durchsuchen und Menschenrechte finden, man kann die Welt nicht messen und Kommunismus finden, man kann die Welt nicht sieben und findet Gott. Das geht so nicht. Es ist natürlich zunächst einmal, was im Inneren existiert. Das Problem ist aber, wie gewinnt es Macht darüber, dass wir uns danach richten. Also wie sorgt es dafür, dass wir auf bestimmte Weise handeln, dass wir eine kommunistische Gesellschaft haben, eine liberale Gesellschaft, eine christliche Gesellschaft, eine heidnische. Wie gesagt, jetzt erst einmal meta-mäßig gesehen, dass wir überhaupt irgendeine Art Struktur haben, in der wir die Welt sehen. Und nun kann man so atheistisch, liberal, offen geistig sein wie man will: eine Struktur braucht es immer. Das muss man vorausgehend sagen.

Es gehört für mich zu den schrecklichsten und auch dümmsten Dingen die jemals Menschen gesagt haben, das berühmte Diktum von Katrin Göring-Eckardt: in einer multi­kulturellen Gesellschaft, sagte sie, würde das Zusammenleben täglich neu ausgehandelt werden. Das geht nicht, das gibt es nicht. Erstens mal gibt ist das nicht, das gibt es einfach in der Realität nicht, egal, ob man sich es wünscht oder nicht, ob man ist für gut oder schlecht hält. Eine solche Gesellschaft gibt es nicht, wird es nie geben und kann es nicht geben. Warum? Wenn wir hinausgehen aus... wenn wir aus dem Bett aufstehen, in die Welt gehen oder irgendetwas tun, dann brauchen wir, was man soziologisch normative Erwartungen nennt. Das heißt, ich kann mir im Kopf vorstellen, wie im Wesentlichen die Welt funktioniert, wie im Wesentlichen die anderen Menschen auf mich reagieren werden. Ich habe also eine Erwartung, eine so genannte Norm. Das ist die normative Erwartung im Kopf und in den meisten Fällen haut das auch hin. Ich kann einen Besucher zum Kaffee einladen und weiß, oder gehe mit einiger Wahrscheinlichkeit davon aus, der wird mich nicht anrauben oder, weiß ich nicht, egal, das interessante ist, ich bringe hier ein Zitat von Luhmann, oder paraphrasiere hier Niklas Luhmann[wp], Soziologe: "Das Erstaunliche an Kommunikation ist, dass sie eigentlich extrem unwahrscheinlich ist und trotzdem ständig stattfindet."

Wenn ich mit anderen Leuten kommuniziere und Kommunikation ist hier per se nicht nur sprechen, wie das alltags­sprachlich verstanden wird, sondern alles. Ich kommuniziere zum Beispiel damit, wie ich mich kleide und zwar unabhängig davon, ob ich meine Kleidung bewusst auswähle oder nicht. Denn auch, wenn ich sie nicht bewusst auswähle, auch wenn ich nur, dass "Hauptsache billig" oder "Hauptsache bequem", das ist eine Entscheidung und eine Kommunikation, die anderen etwas sagt und die entsprechend von anderen aufgenommen wird. Also, und das kann man - egal, alles was man macht, weiß ich nicht, ob Frauen sich schminken oder nicht, ob man sich die Haare so oder so schneiden lässt, ob man, weiß ich nicht, bis hin zu Gestik und Mimik, ob man auf eine bestimmte Weise spricht, sitzt, ißt. Alles ist eine Art der Kommunikation, denn alles sagt etwas über den Menschen. Also nehme ich zum Beispiel die Finger und greife ins Essen oder nehme ich Messer und Gabel. Nehme ich die berühmten asiatischen Stäbchen, sitze ich höflich da und nehme meinen Rucksack auf den Schoß. Mache ich mich breit und positioniere meine Tüten und Beine so, dass ich fünf Sitze einnehme: es ist völlig egal. Jede Art von Verhalten ist Kommunikation und zeigt etwas darüber, was wir an normativen Erwartungen haben. Denn wir verhalten uns ja nicht so aus Zufall, sondern mit der Berechnung: wir verhalten uns, wie wir glauben, so wäre es am besten, wenn sich alle so verhalten. Nun kann man sagen, es gibt ungleich-gewichtigere Verhaltensweisen im Bereich, wenn Leute Psychopathen sind oder klassischerweise im Verbrechen. Also wenn ein Verbrecher andere ausraubt, glaubt er natürlich, dass er nicht ausgeraubt wird. Oder wenn ein Psychopath andere manipuliert, andere drangsaliert, dann geht er natürlich oder sie nicht davon aus, dass er möchte, dass ihm das auch widerfährt. Aber hier haben wir es eben mit dem Bereich psychopathischen Verhaltens zu tun. Im Bereich des nicht psychopathischen Verhaltens ist das aber die Normalität, dass wir uns automatisch in der Mehrzahl aller Verhaltensweisen irgendwie verhalten, kommunizieren, dass - wieder mit Luhmann gesprochen - eine Anschluss­kommunikation möglich ist. Das heißt, wir verhalten uns so, dass die anderen sich wieder rückwirkend mit uns in irgendeiner Beziehung setzen können.

Das scheint jetzt zunächst einmal von der Religion sehr weit fortzuführen, es ist aber so. Per se ist die Welt ein gigantisches Chaos. Das heißt, es gibt keinen Punkt, wo man [entscheiden könnte, was Chaos ist und was nicht Chaos ist.] Was unterscheidet das Chaos vom Nicht-Chaos? Das Gegenteil von Chaos ist nicht die Ordnung. Das Gegenteil von Chaos ist das Sakrale. Das scheint zunächst weit hergeholt und sonderbar. Ich versuche das aber zu erklären und zu begründen.

Was ist das Wesen des Sakralen? Das Sakrale ist das, was das Profane zerschneidet. Wenn wir uns ansehen und man kann das am besten demonstrieren in der Aufteilung von Raum. Also, der Raum um uns herum, also die Welt im Ganzen. Dann ist aus der profanen Perspektive, also aus der nicht sakralen, per se jeder Ort gleich. Es gibt keinen Grund, aus rein profaner Sicht, dass ein Ort wertvoller sei. Und das meint jetzt nicht im materiellen Sinne... Natürlich kann man sagen, in einem gibt es Wald und fruchtbare Ebenen. Das ist aber eine Frage der materiellen Interessen. Das ist keine Orientierung. Orientierung wird geschaffen im Raum dadurch, dass ein Raum einen anderen Wert hat.

Das Sakrale muss hier natürlich im aller weitesten sozial­wissen­schaftlichen Sinne aufgefasst werden. Nehmen wir zum Beispiel den Raum, der sich Deutschland nennt oder Frankreich oder Japan, was auch immer. Amerika, also jeder Nationalstaat ist ein sakraler Raum. Warum? Es ist eine Deutungs­setzung. Es ergibt sich ja nicht aus irgendetwas anderem, dass dieses Gebiet Deutschland sei oder dieses Gebiet Frankreich sei, sondern wir haben es quasi, so wie man früher einen heiligen Bezirk abzirkelte, gesetzt. Am sinnfälligsten ist das in dem Gründungsmythos von Rom[wp] zu sehen. Der Gründungsmythos von Rom besteht darin, dass es zwei Brüder gab, Romulus und Remus, die quasi um Orakellose[wp] [saßen und] vorausschauten, wer von beiden - sie wollten dort eine neue Stadt gründen - dazu berufen sei und betrachteten dazu den Vogelzug, also ein Omen[wp]. Romulus soll mehr gesehen haben, Remus bestritt das, Romulus erschlug darum Remus. Es ist natürlich etwas komplizierter. Ich komme auch gleich auf das Detail noch. Das Entscheidende ist nicht das, das Entscheidende ist: Romulus begann, mit einem Pflug einen großen Kreis in die Erde zu ziehen und zu sagen, dieser Kreis ist die Stadt Rom und das ist dann ein sakraler Raum. Das ist im Altrömischen das sogenannte Pomerium[wp]. Es galten auch strenge Gesetze. Man durfte zum Beispiel nicht in Waffen in die Stadt hinein. Es war lange Zeit... erst in kaiserlicher Zeit hat sich das durch die berühmt-berüchtigte Prätorianer­garde[wp] geändert. Man musste vorher die Waffen ablegen. Die Soldaten mussten sozusagen zurückgelassen werden, und das war mit der Idee: die Stadt ist ein Raum, der abgegrenzt ist von der Welt. Ein Sacrum, ein Heiligtum quasi. Und das ist, dass man sagt, innerhalb dieses abgezirkelten Raumes gelten diese und jene Regeln.

Das macht Zivilisation überhaupt erst möglich. Das ist die Vorbedingung für Zivilisation. Es gibt einen Raum, von denen wir sagen, dort gilt das. Und dieser Raum ist anders als die Wildnis, in dem keine Menschen leben, wenige Menschen leben oder Menschen, für die andere Regeln gelten. Das ist die unabhängige... wir haben also eine ... selbst wenn wir eines Tages die globale Weltgesellschaft hätten, würde das an dem Sachverhalt nichts ändern, denn acht Milliarden Menschen können nicht auf Augenhöhe miteinander leben. Es würde organisatorisch immer eine Art Geografie geben, eine Regionalität, die sich selbst organisieren muss. Das ist vom Politischen, ich will nicht sagen unabhängig, aber es wäre aufgrund unserer ...ich sage mal, unseren intellektuellen Kapazitäten einfach so. Wir können einfach ... es gibt auch soziologische Erkenntnisse darüber, die das bewiesen haben. Man kann zum Beispiel, es gibt zum Beispiel eine feste Zahl, auch wenn ich sie leider nicht mehr weiß, ab so und so vielen Mietparteien in einem Haus hören die Leute auf, sich mit dem Haus als ihrem zu identifizieren und es beginnt eine Verwahrlosung und Vernachlässigung. Ich glaube, das war ab drei Stockwerke, wenn man in jedem Stockwerk drei Mietparteien hat. Ich meine, dass das ungefähr so war. Ab diesem Punkt, wenn der überschritten wird, bricht sehr deutlich messbar und wie gesagt, wissenschaftlich bewiesen, ist das Haus nicht mehr in dem Maße das eigene. Und dann ist die Identifikation nur noch mit der eigenen Wohnung. Das heißt, wir haben hier klar... und das ist einfach eine anthropologische Konstante. Sie ist in unserem Gehirn. Sie ist fix. Das hat einfach etwas damit zu tun, es gibt zum Beispiel nur so und so viele Gesichter - auch die Zahl musste ich mal, ich weiß jetzt es nicht - ein Mensch kann sich nur so und so viele Gesichter mit Namen merken. Das ist ein Faktum. Das ist ein Hard Limit, um sich neudeutsch auszudrücken. Also es gibt feste Limitationen, feste Begrenzungen für unser Handeln, die sich aus uns als biologische Wesen, aus unserer neuronalen Gehirnkapazität heraus erklären.

So waren auch archaische Gesellschaften immer strukturiert. Sie waren zunächst immer in dieser Größe, dass man nur mit so vielen Leuten zusammen war, wie man auch alle mit Namen kannte. In einer solchen braucht man wenig Recht, wenig Gesetz und wenig Organisations­strukturen. Wobei es selbst in diesen ... wenn man an die Thing[wp]-Organisationen, Häuptlinge usw. denkt, selbst eine solche Dorf­gemeinschaft hatte immer irgendeine Art von Struktur, aber sie kommt eben mit einer minimalen aus. In dem Augenblick, in dem eine Gesellschaft so viele Personen hat, dass man die Mehrzahl nicht mehr mit Namen dem Gesicht zuordnen kann, braucht eine Gesellschaft abstrakte Organisations­strukturen. Und das wird dadurch geleistet, dass der Raum sakralisiert wird. Aus der nicht­sakralen Sicht ist der Raum völlig homogen, das heißt, es gibt keinen Ort, der wertgemäß in irgendeiner Weise von dem anderen sich unterscheidet, bevorzugt wird.

Das ist, wenn man so will, ja das was auch diese links-grüne woke fixe Idee ist. Sozusagen: es ist die radikale Fortsetzung der Entsakralisierung der Welt. Für sie gibt es kein Deutschland. Wir kennen das aus der Formulierung von so einem wie Habeck, der sagt, Deutschlands sei nichts, auf das er sich irgendwie beziehen könne. Er ist sozusagen die Art letzter Mensch, der Entsakralisierung der Welt, der Entheiligung der Welt. In der... und wie gesagt, natürlich ist das Heilige, das Sakrale etwas genuin Religiöses. Das hat noch etwas anderes, was man hier betonen muss. Religion ist in der Vorstellung nicht-religiöser Menschen in einer säkularen Gesellschaft von uns, ja etwas, das so erscheint als hätte man das Menschen mal gesagt. Also als hätte sich Religion so konstituiert: da sitzen fünf Leute, die sitzen in einer Höhle oder in irgend einem Raum oder im Wald oder was weiß ich, denken sich quasi eine Religion aus, sowie ein Mensch ein Buch schreibt und sagen, jetzt das erzählen wir den Leuten und überreden sie dazu. So existiert... so kommt... das ist nicht, wie Religion entsteht. Religion - und davon fortsetzen - lässt sich auch dann in späterer historischer Zeit alle säkular-religiösen Gedanken wie der Nationalstaat, die Demokratie, der Liberalismus und auch die düsteren wie Kommunismus, Faschismus.

Alle Ideengebäude dieser Art, die religiöse Gepräge haben, kommen in die Existenz ursprünglich durch einen Vorgang, der nennt sich Hierophanie[wp]. Also, die Schau des Heiligen. Das ist ein Vorgang, der dem Schamanismus sehr ähnlich ist. Das heißt, eine Person oder eine Gruppe von Personen nimmt einen Ort wahr und ein Geschehnis, das plötzlich in ihnen das Gefühl der Heiligkeit vermittelt. Das heißt, etwas Außerweltliches, etwas Übermenschliches erscheint ihnen plötzlich in einem Raum, an einem Ort, in einem Gegenstand oder in einem Zeitpunkt zu sein.

Auch die Zeit wird, wie der Raum, durch das Sakrale organisiert. Nehmen wir aus der modernen Welt die Unabhängigkeits­erklärung und der Unabhängigkeits­kampf. Die amerikanische Nation hat ja viele säkular-religiöse Elemente. Es gibt zum Beispiel den Unabhängigkeits­tag[wp], das ist der vierte Juli, an dem die Amerikaner im 18. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erlangten. Das ist eine Organisation in der Zeit. Die Zeit wird durch das sakrale Erleben in ein Koordinaten­system gepasst. Das heißt, es gibt wiederkehrende Tage im Sakralen, ebenso wie feste Räume gibt es feste Zeiten, und sie schaffen eben das, was Religion wie Säkular­religion erreichen muss, damit sich Leute daran erinnern und Leute sich darin wiederfinden. Die Sakralisierung erschafft Räume, Orte, Artefakte und Zeiten, die sich vom Profanen unterscheiden. Es gibt also beispielsweise den vierten Juli, der jedes Jahr wiederkehrt, durch den die Amerikaner ihre Identität als Amerikaner definieren und viele andere Festtage. Wir hatten zum Beispiel im alten deutschen Kaiserreich den zweiten September. Das war der Sedantag[wp], der Tag, an dem die berühmte Sedan-Schlacht[wp] gegen Frankreich gewonnen war und damit feststand, dass sozusagen das Deutsche Reich dann Bestand haben sollte.

In der Bundesrepublik sind wir ja sehr arm an solchen Tagen, was einer der Gründe ist, warum die deutsche Identität in der Nachkriegszeit eine schwache ist. Wir haben... für manche ist es der Tag des Endes des Weltkrieges. Dann spielt natürlich der zwanzigste Juli..., das ist der Tag des versuchten Attentats auf Hitler durch Stauffenberg[wp]. Lange Zeit war der Siebzehnter Juni, also der Tag des Aufstands in der DDR[wp]. Eine Reihe von solchen Tagen gibt es. Dann haben wir natürlich den - Gott, jetzt muss ich sagen, was ist ... den Wieder­vereinigungs­tag[wp] kann ich mir nie merken, weil ich immer an den 9. November denke, der der eigentlich wichtige Tag in der Geschichte war und wir relativ artifiziell ... ich glaube den Tag, ist das der achte Oktober? Ich bin mir nicht sicher, also jedenfalls haben wir einen anderen Tag, weil der große Tag des Mauerfalls gleichzeitig auch der Tag der Reichs­pogromnacht/Reichs­kristall­nacht war, deshalb wollte man diesen Tag nicht nehmen, was ist sicherlich auch schwerer gemacht hat, einen Nationaltag im Bewusstsein zu verankern oder weiß ich, es gibt Christopher Street Day[wp] für Schwule und Lesben, es gibt natürlich Feiertage für Christen auch für Muslime. Also man sieht, dass ist das zweite, es gibt eine Verankerung in der Zeit. Es gibt also Tage, an denen wir einer Idee gedenken, so dass nicht jeder Tag ... weil, wenn man quasi keinen Gedenktag hat, müsste man jeden Tag sich daran erinnern und das geht nicht. Ich kann nicht jeden Tag daran denken, deutsch zu sein. Ich kann nicht jeden Tag gleichermaßen daran denken, weiß ich nicht - sagen wir mal, ich wäre Christ - Christ zu sein, sondern es gibt eben den Sonntag, an dem man zur Kirche geht oder ging und daran erinnert wurde, oder dann Ostern, Pfingsten, Weihnachten, Ramadan, was man will. Und so ist es auch in der Zeit... ist das vielleicht etwas sinnfälliger. Durch diese Art... Das ist quasi das Ritual. Es ist etwas das... den per se, wenn wir nehmen... selbst unsere säkulare Wahrnehmung des Jahres ist ja eine Art Sakralität. Erstens mal kommt sie aus der Religion, um zweitens gibt es ja gar keinen Grund, dass... Die Zeit ist ja per se wie der Raum ein homogenes Kontinuum. Das heißt, es gibt gar keinen Grund zu sagen, da fängt ein Tag an und der andere hört auf, vielleicht mit dem Sonnenauf- oder -untergang. Oder da fängt ein Jahr an und da hört eines auf. Warum der erste Januar, warum... es gab ja früher andere Tag­und­nacht­gleiche, Winter­sonnen­wende, Sommer­sonnen­wenden usw. aber das sind ja alles willkürliche Festlegungen.

Diese willkürlichen Festlegungen erlauben uns aber eine Beurteilung des Lebens. Sie erlauben uns überhaupt zu leben, dass es Schnittpunkte sind. Und diese Schnittpunkte sind nicht, weil sich irgendein Mensch die intellektuell ausgedacht hat, sondern sie gehen eben zurück auf das Erleben, die so genannte Hierophanie. Also, und das ist etwas was dem Schamanismus gleichkommt. Man hat eine Art Entrückung oder Entzückung über etwas, das passiert. Wenn wir zum Beispiel nehmen viele alte Heiligtümer, die - weil sie nicht wie Stonehenge zum Beispiel, oder auch die Pyramiden in Mittelamerika, also heute in Mexiko - haben ja bestimmte Zeitpunkte, an denen bestimmte Ereignisse mit der Sonne zu sehen sind. An denen die Sonne zu Tag- und Nachtgleiche, oder zur Winter- oder Herbst-Sonnenwende in bestimmter Weise irgendwie scheint. Und die Leute manifestierten damit das sakrale Erleben gleichzeitig an einem bestimmten Ort, Stonehenge, den Pyramiden, was man will, einer Kirche, also zum Beispiel oder auch im Pantheon in Rom. Ich weiß, den Tag gibt es zugegebenermaßen leider nicht, in dem dann das Licht in einer bestimmten Weise hineinscheint. Das heißt, wir haben hier die Verkoppelung von Raum und Zeit. Und das Wichtigste dabei war, die Leute kamen zu diesen Zeiten zusammen. Sie waren eben nicht, wie zum Beispiel Spiritualität im Gegensatz zur Religion, oder Idee im Gegensatz zu strukturierter Ideologie. Sie waren nicht nur zu Hause in ihrer Bude mit etwas, was im Kopf stattfindet.

Das ist ja eine der großen Schwächen, ich sag mal aller Bewegungen, auch die gegen den linken Zeitgeist heute versuchen vorzugehen, um das mal in die Gegenwart zu beziehen, warum das ein brandaktuelles Thema ist. Denn alle ideologischen Bewegungen, die heute gegen die immer sich ausufernde Extremität - linksgrünen Politikmachens - Widerstand leisten, sind in diesem aufklärerischen Fehlgedanken befangen. Es reicht, wenn etwas im Gespräch ist und im Wort, also im Kopf. Es müsse also nicht in Raum und Zeit manifestiert werden. Das ist, um es mal auf einen Punkt zu bringen, auch einer der ganz entscheidenden Gründe, warum zum Beispiel alle politischen Parteien, die gegen die AfD sind, mit solchem Feuereifer darauf erpicht sind, den AfD-Anhängern Wahltreffen zu verbieten, also zu verhindern, dass AfD-Anhänger oder -Mitglieder, weiß ich nicht, in einem Restaurant gemeinsam essen und sich unterhalten. Sie wissen - überlegt oder instinktiv - es muss ihnen verwehrt werden, sich im Raum zu manifestieren. Auch die Zeiten dürfen nicht passieren. Es darf nicht sein, dass nicht-linke Menschen irgendeine Art Raum einnehmen. Deswegen gibt es diese Art von Disruption - Unterbrechung - von links, wo immer [andersdenkende Menschen] - egal, ob das Liberale, Konservative oder Rechte sind - Räume und Zeiten für sich haben. Ich nehme an, die Strategen, die dahinter sind, wissen das sehr genau, für die anderen ist es vermutlich eher eines wo sie intuitiv merken, wie wichtig das ist, während sie umgekehrt sehr darauf fokussiert sind, die Räume für sich zu bewahren, also die Sakralität im weltlichen Sinne, ihrer Orte zu bewahren, wo sie sich versammeln. Wenn man ein Antifa-Zentrum nimmt oder irgendeine Versammlung, ... In Amerika ist das beispielsweise schon so, wo man sagt, am heutigen Tag kommen keine Weißen auf den Campus.

Das ist eine Bewegung, die es in den USA gibt. Also Campus ist das Universitäts­gelände, da gab es sehr viel Zoff und Ärger. Weil sie wissen, die Verankerung in Raum und Zeit ist das, was Ideen zur Realität werden lässt. Nicht die Debatte, nicht das Gespräch. Sie müssen Ideen in Raum und Zeit verankern. Deswegen werden Statuen gestürzt. Deswegen gibt es an Universitäten - wie gesagt, vor allem im anderen Anglo-Amerikanischen im Deutschen ist das nicht - einen Tag, wo man sagt, dass ist der Tag für People of Colour und Universitäten und die Weißen sollen bitte heute an diesem Tag, der jedes Jahr wieder kommt, von der Universität wegbleiben, weil sie wissen, es ist ein magischer Schöpfungsakt, der in Raum und Zeit ein Koordinaten­system verankert. Und umgekehrt, jeder versucht zu sagen umgekehrt, heute ist ein Tag, der nur Weiße an der Universität lässt, wäre unvorstellbar für sie, und muss mit allen Mitteln zerstört und untergraben werden.

Es ist im Prinzip genauso wie das Christentum das römische Heidentum untergrub und ersetzte. Die Leute, die frühen Christen, stürmten oft mit relativ Rokus(?) und Gewalt in Tempeln... brachten auch Zerstörungen... das heißt, sie unterbrachen die Regelmäßigkeit des römischen Kultes, in dem sie mit Aufstand und Gewalt in solche Tempel-Versammlungen eindrangen, die Tempel teilweise dann später ganz zerstörten, das heißt, die Möglichkeit einer Manifestation des Ortes, sich an Orten zu treffen, wurde den Heiden verwehrt und die Zeiten an die Heiligen wurden ihnen verwehrt. Durch diese Unterbrechung, durch diese Disruption, gelang es den Christen im Laufe von Generationen, die alte Religion zu zerstören und sie machten das Gleiche selbst. Das heißt, sie bauten Kirchen, setzten heilige Tage und setzten ihre Koordinaten­systeme von Raum und Zeit an die Stelle. Also Zeiten und Orte, die sakral waren, zu dessen Zeit und an dessen Ort die Menschen zusammenkamen und dadurch wurde eine Identität vernichtet und eine andere geschaffen. Das ist, was jede Religion, ob Zivilreligion oder spirituelle Religion machen muss, um zu sein, um zu existieren und um fortzubestehen. Das Heilige ist ja ein Raum, wo man sagt, wir betreten, jetzt - wir finden, dass in allen Religionen der Welt, es gibt es im alten Testament, wo das zum Beispiel gesagt wird: "Ziehe deine Schuhe aus, gehe barfuß, denn du betrittst heiligen Boden." So diese Vorstellung, barfuß auf einem heiligen Boden zu laufen oder verschiedenste Formen der Andersheit. Zum Beispiel war man auch in der römischen Religion, man setzte etwas auf, man man bedeckte sein Haupt. Anders als im Christentum, wo man ja gesagt hat, man nimmt den Hut ab. Das ist nur aus einer... heute ist das etwas selten, denn die meisten wenigsten Leute haben heute Hüte oder Mützen, aber so wie man früher im Christentum sagte, wenn man in eine Kirche kommt, nimmt man den Hut ab, so war es umgekehrt im Judentum und auch im römischen Heidentum so, dass die Priester zumindest und die Leute, die einen Heiligen Ort betraten, in Demut ihr Haupt verhüllten, es ist dann auch egal, es geht ja nicht darum, welche Geste es ist, aber dass es eine Geste gibt. Das hat sich zum Beispiel im Asiatischen noch so übertragen, man hat eine Geste, dass das Heim, das Haus eine Art Sakralraum ist, in dem man immer die Schuhe auszieht. Das hat ja nichts damit zu tun, ob die Schuhe sauber oder dreckig sind, sondern etwas damit, um zu zeigen, hier ist eine Grenze, es ist ein anderer Bereich. Das ist der Eintritt zum Heiligtum und dieser Eintritt in das Andere, das Heilige wird durch eine Geste des Respekts demonstriert, muss durch eine solche - man verbeugt sich, man schlägt das Kreuz, was immer es sein mag. Das ist per se eine ... auch eine ganz säkulare Gesellschaft kann des Sakralen nicht entbehren, auch wenn sie geminderte Formen davon hat.

Der Sakralraum der Demokratie zum Beispiel ist ein Parlament. Deswegen gibt es im Parlament Regeln und Gepflogenheiten. Deswegen ist es von Linksgrünen von Anfang an disruptiert und unterbrochen worden. Sie sind mit Turnschuhen in die Parlamente, was damals als sehr ungehörig galt. Sie haben die Füße auf die Tische gelegt und anderes mehr. Viele Unflätigkeiten, die die grüne Partei damals machte... Das war nicht Zufall, das war nicht Flegel­haftigkeit, das war nicht irgendetwas Dummes. Es war bewusst und beabsichtigt, weil man wusste, das Parlament ist in einer Demokratie ein quasi-sakraler Raum. Ihn zu missachten und zu disruptieren, zu unterbrechen das Sakrale, bedeutet permanent seine Bedeutung zu mindern, und damit die Verankerung der Demokratie in der Gesellschaft zu untergraben. Das ist die Absicht gewesen, das ist sie von Anfang an gewesen. Das heißt, die grüne Partei ist im Kern, im Kader, in der Führung von Anfang an eine, die die Demokratie abschaffen wollte. Das ist meine feste Überzeugung. Und es zeigt sich in nichts so sehr wie in der von Anfang an da gewesenen Zerstörung sakraler Räumlichkeit und sakraler Gepflogenheit, der Grenzbeachtung. Das ist... Hinzu kommt... Nun kann man ja sagen, die sind - was vielen vorgehalten, oder lobend, je nachdem wie man dazu steht, gesagt wird, na ja, sie wollen diese Art Weltordnung nicht. Zum einen, wie gesagt, ich weise als Soziologe darauf hin, es gibt keine Weltordnung ohne Normativität, die gibt es nicht. Das will und praktiziert auch linksgrün nicht. Wenn man zum Beispiel sieht, weiß ich nicht, die Bewegung gegen das Patriarchat, das so genannte... es gibt schon das Patriarchat, es gibt patriarchale Ordnung, das kann man kaum bezweifeln oder eigentlich legitimerweise nicht.

Das Patriarchat ist ja nicht primär eine Herrschaft der Männer, das ist sie nur vordergründig, sondern der Charakter von Männern und Frauen ist per se anders. Ich weiß, das ist in unserer Zeit auch ungehörig schon zu sagen, aber das ist Teil des Kampfes. Es ist eine sozial­wissen­schaftliche und anthropologische Realität. Sie ergibt sich auch aus der anthro­pologischen Entwicklung von Männern und Frauen und ihren Rollen in Jahrzehntausende, auch aus der Physis heraus. Weil das so ist, ist Patriarchat eine bestimmte Art, eine Gesellschaft zu organisieren. Unabhängig, ein Patriarchat ließe sich per se auch organisieren, wenn die Mehrheit der regierenden Frauen wären, wenn sie nach patriarchalen männlichen Wertvorstellungen regierten. Das ist davon per se unabhängig, auch wenn das einmal nicht sehr wahrscheinlich ist, dass das lange der Fall sein würde, weil am Schluss Männer wie Frauen ihren natur­gegebenen Neigungen ja nachgeben würden, aber es ist zumindest theoretisch-gedanklich davon trennbar. Wenn also Frauen patriarchale Werte übernehmen, dann kommen sie zwar durch Quote oder Emanzipation in Aufstiegs­rollen hinein. Nehmen wir mal eine Frau, die eine große Firma führt, eine erfolgreiche, die wird natürlich auch nach patriarchalen Gesichts­punkten, in der Regel, ihre Firma leiten. Also das, was man auch Meritokratie nennt, der Erfolgsgedanke. Macht und Einfluss soll der haben, der etwas am besten kann oder anders gesagt, der in etwas am stärksten ist. Das ist ein typisch patriarchaler Gedanke. Die Förderung der Starken, weil man in Patriarchaten davon ausgeht, wer sich im Konkurrenzkampf durchsetzt, sei der Befähigte und soll daher das größte Sagen haben. Der matriarchale Gedanke ist dagegen der fürsorgende Gedanke und das ist per se, wie gesagt, zwar bei Geschlechtern wahrscheinlich, aber auch unabhängig davon denkbar, denn es gibt natürlich Frauen, die patriarchal in diesem Sinne denken und Männer die matriarchal fürsorglich denken, übrigens auch völlig unabhängig von der sexuellen Neigung. Es gibt feminin denkende Hetero-Männer und das ist nicht, weil die böse Woke-Welt sie verstrickt hat. Vielleicht, aber das ist so. Das ist in der Natur so. Es gibt eher feminin empfindende-denkende Hetero-Männer, eher maskulin empfindende-denkende Hetero-Frauen. Das ist eine Art Vielfalt, die die Realität tatsächlich besitzt. Wie weit das heute durch die Kultur forciert ist, wäre ein anderes Thema. Das heißt, es gibt diese zwei Denkstrukturen, die wir auch klassischerweise, wenn man zum Beispiel an Yin und Yang denkt in Asien, das männliche und das weibliche Prinzip nennt, das wie gesagt, nicht hundert­prozentig an das biologische Geschlecht männlich weiblich gebunden ist, denn wir haben alle natürlich in gewissem Grade Anteile von beiden. Wir wären ja als Menschheit gar nicht in der Lage miteinander zu kommunizieren, wenn Männer tatsächlich nur hundert­prozentig männliche Anteile in sich hätten und Frauen nur hundert­prozentig weibliche, das würde gar nicht gehen. Es wäre eine völlige Zerstörung der Kommunikations­grundlage der Geschlechter und damit das Ende jeder... des menschlichen Lebens selbst.

Aber es ist natürlich das, was das dominierende, vorherrschende ist, das, wonach die Neigung der... Warum ist das Normativ? Es ist das, was das mehrheitliche ist. Und das ist per se erst mal auch nicht wertend. Wenn wir zum Beispiel nehmen, in Afrika schneit es selten. Also ist die normative Erwartung der meisten, die in Afrika leben, mit Recht: es wird heute und morgen und übermorgen und nächste Woche nicht schneiden. Weil es schneit in den meisten Teilen Afrikas fast nie oder sehr wenig. Wenn es dann schneit, ist es ein Zerbrechen der normativen Erwartung und das Unnormale. Ohne dass Schnee oder Schneien deswegen objektiv schlecht wird. Es ist einfach das, was das Normative, das mathematisch arithmetisch zu Erwartende durchbricht. Und die Menschen sind, wenn es in einer solchen Gegend plötzlich stark schneit, wie man es manchmal beobachten kann, weil sie die normative Erwartung haben, dass das nicht der Fall ist, natürlich auch schlecht vorbereitet. Deswegen ist das Unerwartete, das Unnormative immer zunächst einmal das Bedrohliche, das Erschreckende. Nicht, weil es schlecht ist oder weil wir es für schlecht halten, sondern weil wir aufgrund der Natur Voraussetzung normativ unser Leben zu regeln. Man kann nicht auf alles vorbereitet sein. Und das bedeutet, dass uns manche Dinge kalt erwischen. Pan(?) not intended.

Das ist das, was Religion im aller weitesten Sinne leistet. Sie setzt eine Idee und manifestiert sie so, dass wir eine Art axis mundi bekommen, also eine Weltachse. Ein Zentrum in uns und um uns herum, von dem aus alles gemessen wird. Das Gegenteil ist im Prinzip die säkulare Gesellschaft, die profane Gesellschaft, in der es keinen Mittelpunkt mehr gibt, kein Zentrum, keine Ausrichtung. Das ist das Göring-Eckardtsche, wo alles ständig neu ausgehandelt werden kann. Und das ist nicht nur a) unmöglich ist, es ist auch b) inhuman. Es überfordert, ich sage mal ganz einfach gesagt, ist überfordert einfach die Gehirnleistung des Wesens homo sapiens komplett. So können wir, wenn wir Supercomputer wären, weiß ich nicht, Super-Hyper-Intelligenzen mit einem tausendfach leistungsfähigeren Gehirn oder millionenfach, ich weiß nicht, um welchen Faktor das menschliche Gehirn leistungs­fähiger, jedenfalls ist es einfach von unserer biologischen Gehirnleistung her nicht möglich. Das geht nicht. Wir brauchen einen Punkt, eine Art axis mundi, ein Zentrum eines Koordinaten­systems, von dem relativ aus gesehen wir - was richtig und falsch ist, was wünschbar ist und nicht wünschbar ist - in irgendeiner Weise messen. Das kann ja per se erst mal sein, was es will: katholisch oder protestantisch, heidnisch oder christlich, liberal, konservativ, kommunistisch, faschistisch. Das ist eine Sache, die ich als Sozial­wissen­schaftler nicht bewerten kann. Natürlich habe ich privat eine Meinung, aber wenn ich jetzt hier spreche als Wissenschaftler, das ist nicht erheblich. Erheblich ist nur, dass es da ist. Und selbst in der liberalsten, libertärsten Gesellschaft gibt es eine axis mundi, einen zentralen Punkt, von dem die Dinge ausgehen. Das ist zunächst einmal natürlich eine Idee, eine Ansammlung von Ideen, aber sie muss sich eben auch im Raum und Zeit manifestieren. Es gibt beispielsweise in der parlamentarischen Demokratie das Parlament, oder es gibt selbst in der Säkular­gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland heilige Orte, weiß ich nicht, die... natürlich wie gesagt, das Parlament selbst, die Stauffenberg-Gedenkstätte, also die, wo er erschossen wurde, weiß ich nicht, seit neuerer Zeit das Holocaust-Mahnmal, egal, es geht ja nach Personen ab, was man halt... das ist natürlich in einer pluralistischen Gesellschaft schwerer... es gibt weniger das eine, das es ausrichtet. Das bedeutet, dass eine säkulare Gesellschaft, also eine Gesellschaft mit einer säkularen Religion, natürlich sehr viel größere Fliehkräfte hat. Denn das religiöse Erleben, dass sich auf etwas Spirituellem begründet, besitzt etwas, das weder beweisbar noch widerlegbar ist und das von daher per se außerhalb der Welt ist. Es ist das Religiöse, das Erleben, der Hierophanie, das Erleben, das Transzendente erleben. Ein Mann sitzt auf dem Berg, nehmen wir, weiß ich nicht, Moses auf dem Berg Sinai und sieht Gott. Ich bleibe jetzt mal bei dem, was das bekannteste ist, die christlich-jüdische Religion. Moses ist auf dem Sinai, sieht Gott und empfängt die Zehn Gebote[wp]. Dieser Tag und andere Tage, die mit ähnlichen Ereignissen zu tun haben, werden dann in der jüdischen und später einige davon in der christlichen Religionen, meistens in abgewandelter Form, zu heiligen Orten und heiligen Zeiten und sie manifestieren eine bestimmte Gesellschaft. Es gibt also den Berg Sinai, es gibt dann den Tempel in Jerusalem oder es gibt für die Christen das Golgatha und die Erlöserkirche und natürlich dann in Rom den Petersdom und was man will, oder weiß ich nicht, für Protestanten die Wartburg. Es lässt sich so unendlich fortsetzen. Und das ist egal. Im Faschismus gibt es ... die hatten damals einen Gedenktag, ... für was war das? ... die Blutzeugen der Revolution. Also die ersten, die irgendwie bei einem ersten versuchten Aufstand umkamen und im Kommunismus natürlich genauso: Geburtstag, Todestag von Karl Marx[wp], besondere Ereignisse, den Wiedertag der Oktoberrevolution[wp]. Was man will. Auf diese Art gibt es Orte und Zeiten durch die ein System manifestiert wird. Das Problem ist, wenn das säkulare Dinge sind, sind sie natürlich leicht entwertbar in dem Augenblick, in dem die Personen entwertet werden. Also in dem Augenblick, wo das nationalsozialistische Deutschland zusammenbrach oder schon allmählich, wie es erobert wurde, zerbrach die Legitimität der heiligen Orte der national­sozialistischen Idee. In dem Maße, in dem der Kommunismus der Sowjetunion allmählich zerbrach und dann aufgelöst wurde, verloren für die Mehrheit der Leute in der Sowjetunion, im heutigen Russland wie auch in den Ostblockstaaten, diese heiligen Orte und Daten, sie verloren ihre Bedeutung von einem Schlag. Und das ist, dass die civic religions, also die säkulare Religionen immer diese Schwäche haben. Sie zerfallen sehr viel leichter, weil man sagen kann, weiß ich nicht, wenn man zum Beispiel Karl Marx, Lenin, weiß ich nicht, oder Bismarck als Gründer des Deutschen Reichs, egal. Irgendwelche Personen, die an heilige Orte einer Zivilgesellschaft stehen, dann kann man immer wieder historisch graben und feststellen, naja, der Bismarck war ja in diesem und jenem Bereich ein Arschloch, oder weiß ich nicht, Lenin war, weiß ich nicht, Anstiftung zum Massenmord gemacht oder was man will. Das Sakrale aber ist per se unangreifbar. Denn Gott kann man zwar kritisieren, man kann über den Gott des Alten Testaments oder Jesus im neuen Testaments zwar Taten nachlesen, die man kritisieren kann, aber als Gedankengebäude ist das etwas Jenseitiges. Es ist per se nicht angreifbar in diesem Sinne. Es ist daher nur ersetzbar und deswegen ist das Verschwinden des Sakralen für uns in der westlichen Gesellschaft ein ganz fundamentales Problem. Denn das Menschen­gemachte und die Religion ist eben nicht in diesem Sinne menschen­gemacht. Es saßen eben nicht Menschen da. Natürlich kann man sagen, man kann Mohammed kritisieren, man kann Jesus kritisieren oder man kann die Ausübenden bestimmter heidnischer Praktiken als Individuen kritisieren. Das ist wahr. Aber im Kern steht eben das religiöse Erleben. Da war dieser heilige Ort, an den diesen und jenen Menschen diese oder jene Eingebung hatte und plötzlich war das ein Heiligtum des Thor[wp] oder des Sankt Bonifaz[wp], oder was auch immer. Und damit wurden Koordinaten­netze geschaffen, die sich über eine Welt zogen in dem Maß, in dem es mir die Welt christianisiert wurde und Kirchen gebaut wurden und auch an Orten Dinge passierten, weiß ich nicht, wenn wir zu nehmen, die Fällung der Donareiche[wp] durch Sankt Bonifaz, dann haben wir einerseits eine Koordinaten­setzung für die Christen und eine Zerstörung des Koordinaten­netzes der germanischen Heiden. Damit verbundenen dann auch Festtage, also Feiern des Donar[wp] waren plötzlich nicht mehr möglich, gemeinschaftlich in Erinnerung an einem Ort und an einem Zeitpunkt und umgekehrt setzt sie sich eben das Christentum an dessen Stelle. Und das ist das, was Religion leistet. Das ist das, was das Sakrale macht.

Das Sakrale gibt dem Leben Sinn. Es gibt ihm Sinn, weil der Mensch etwas braucht, das über ihn hinausweist. Das größer ist als er. Warum ist das so? Weil wir sterblich sind und weil kein Mensch mit dem Sterblichsein tatsächlich seinen Frieden machen kann. Das ist die Realität. Nun kann man sagen, manche sagen, na ja, gut ich will nicht ewig leben, ich muss nicht ewig leben, aber das ist ein Betrug. Die Realität ist, mit der Sterblichkeit kann man nie seinen Frieden machen. Man kann an sich arbeiten, man kann sagen, ich denke nicht so oft dran. Aber es ist... für uns ist [die Vorstellung], dass die Lebenszeit begrenzt ist, etwas, was unfassbar ist, denn wir können uns das Nichtdasein nicht vorstellen und es ist etwas Empörendes für den Menschen. Deswegen schafft er Dinge, die quasi seine Person über die Zeit hinausheben. Er hat den Drang, sich selbst zu verwirklichen. Er hat den Drang, Kinder zu zeugen. Er hat dem Drang etwas Sinnhaftes zu tun, von dem er glaubt, es besteht über sein Leben hinaus. In dem Maße, in dem das aus der Gesellschaft verschwindet, erscheint den Menschen heute selbst im aller­größtesten Luxus das Leben sinnlos. Und das ist das, was wir als Einsicht auch immer uns schwer tun, uns einzugestehen. Und wenn die Leute alles haben, gefüttert sind, zehn Häuser, zehn Villen, hundert Paar Schuhe [besitzen], jedes materielle Bedürfnisse erfüllt ist, es ist kein Substitut für Sinn. Und damit können - und das sieht man oft genug - die reichsten Leute todunglücklich sein, weil sie in all ihrem Reichtum, in all ihrem Überfluss sinnlos leben.

Sinnstiftung ist nichts, was der Einzelne schaffen kann. Ich kann nicht aus mir selbst Sinn [erschaffen]. Das ist so eine Phrase, die gerade in spirituellen Bewegungen ja sehr beliebt ist. Aber das ist quatsch. Sinnstiftung ergibt sich dadurch, dass ich in einem Resonanzraum mit anderen mich befinde. Wenn ich auf einer einsamen Insel bin wie Robinson Crusoe, ist mein Dasein sinnleer, weil es niemanden gibt, denen das freut oder ärgert, was ich tue, dem es bekümmert, der das aufnimmt. Und es ist mit Recht deswegen so, dass eine Isolationshaft als Folter angesehen wird, weil dem Menschen der Sinn geraubt wird. Ein Mensch, der in völliger Isolation ist, lebt mit psychologisch und menschlich nachvollziehbarem Recht in einem Zustand der Folter. Er hat keinen Raum mehr von Menschen, auf die sich sein Tun bezieht, und damit ist sein Handeln per se sinnlos. Ich bin mir bewusst in unserer Zeit, in der wir so stark egozentrisch-narzisstisch sind, dass das für Menschen einerseits schwer zu glauben oder vorzustellen ist. Das ist weniger eine Glaubensfrage. Es ist ja eine faktische Realität und dass wir es meistens auch nicht wahrhaben wollen, weil es ist zerstört ja ein bisschen unsere Autonomie. Also dieser Vorstellung, dass wir ganz alleine Herr unseres Lebens wären. Was so ein bisschen die modernen liberale Grille der westlichen Kultur ist. Die natürlich schön und gut ist. Auch ich möchte die Autonomie meines Ichs... ich möchte selbständig sein, das ist gar nicht die Frage, dass ich das bezweifele. Aber Sinn stiftet sich eben dadurch, dass ich mit meiner Sterblichkeit, mit meiner Mortalität sinnhaft umgehe, dass ich entweder selbst oder Teil von etwas bin, das etwas wirkt, das etwas schafft, das bleibt, auch wenn ich weg bin. Das ich Glied einer Kette bin, Mitwebender an einem Gewebe, das bleibt oder das etwas erschafft, das besser ist oder etwas erneuert, wie auch immer man es ist definiert.

Sinnstiftung erschließt sich also immer aus einer Art Kollektiv. Und dieses Kollektiv kann nicht unbegrenzt sein. Es muss ein definiertes Kollektiv sein. Ich habe keine Sinnhaftigkeit darin, Mensch mit Menschen zu sein. Das ist zu vage, das ist so wenig. Das ist auch wieder so eine fixe Idee, die in modernen linksgrünen Menschen, in Globalisten ist. Sinnhaftes Handeln bezieht sich als Teil einer Grenze. Das ist die Grenze eines Raums, symbolisiert durch den Sakralraum. Das ist die Begrenzung der Zeit symbolisiert durch den sakral immer wiederkehrenden einen Tag. Wenn Weihnachten vorbei ist, ist es eben vorbei, oder neuerdings Halloween... Es hat keinen Sinn im März Halloween zu feiern... klar, man kann alles machen, aber die Sinnhaftigkeit wird keiner empfinden, weil die Sinnhaftigkeit dadurch ist, wenn Christen Weihnachten feiern, dass sie wissen, a) es ist der 24./25. Dezember, b) alle anderen, die Christen sind, machen es jetzt auch. Und alle, die es nicht sind, machen es eben nicht. Es gibt also eine Grenze von denen, die nicht dazugehören. Der vierte Juli ist für die Amerikaner konstituierend als US-Amerikaner, weil es Nicht-Amerikaner gibt, die diesen Tag nicht begehen. Das Lincoln Memorial, von mir aus das Weiße Haus und der Kongress, andere Orte, die konstituierend sind für die Geschichte und der Identität Amerikaner zu sein, sind konstituierend, weil es für einen Chinesen nichts bedeutet oder einen Deutschen oder nur vage, dass man sagt, weil man selber ähnliche Orte hat, kann man sich sagen: Also selbst wenn ich in einen Tempel einer anderen Religion gehe, kann ich als religiöser Mensch nachempfinden, okay, da ist die Heiligkeit des anderen, aber es ist eben nicht meine. Es gibt eine Grenze. Die Grenze, das ist, wenn man auch Identität will... Es gibt überhaupt nur Identität, weil es etwas gibt, das man nicht ist. Man ist weiß... wir hätten ... und man kann das auch historisch beweisen.

Nehmen wir zum Beispiel die heidnischen Religionen im Gegensatz zu den Buchreligionen. Die heidnischen Religionen vor der Entstehung der Buchreligionen - also nehmen wir vor allem Christentum und Islam. Die Juden waren ja nicht sehr missionierend - vor Christentum und Islam hatten die heidnischen Religionen für ihre eigene Religion kein Wort. Weil, es war... sozusagen unbegrenzt... die ganze Welt war polytheistisch, pagan, heidnisch, in Vielgötterei. Die ganze Welt, soweit sie die Menschen kannten und beispielsweise überhaupt sagen können, die ganze Welt, war in einer Art gleichen paganen Zustand. Es war also eine totale Homogenität, wenn man will, vielleicht mit Ausnahme des Judentums und vielleicht einzelner kleiner Bereiche. Deswegen hatten die Germanen, die Kelten, die Römer, Indianer, was man will, kein Wort für die eigene Religion, weil es gab keinen Grenzbereich, in dem diese Art Struktur nicht existierte. Erst in dem Augenblick, in dem mit dem Christentum und dann mit dem Islam Grenzen aufkamen, also man an einen Bereich stieß, räumlich, zeitlich, ideologisch, in dem die eigenen Vorstellungen nicht mehr galten, fingen diese an, eigene Namen zu entwickeln. Wir wissen zum Beispiel, dass das Tragen von Thors-Hämmer entwickelt wurde als Reaktion auf die Christen, die anfingen Kreuze zu tragen. Wir wissen zum Beispiel, dass die Menschen, die im byzantinischen oströmischen Raum der alten heidnischen Religionen anhingen, sich selbst als Anhänger der hellenischen Religion oder des Hellenismus zu bezeichnen. Wir kennen das aus den Schriften des letzten heidnischen Kaisers Julian, und sie fingen an, eine Bezeichnung zu entwickeln, weil es plötzlich einen Bereich gab, wo ihr Denken nicht mehr galt. Und das ist immer... dass sich Identität konstituiert, weil man an einem Bereich kommt, wo das Eigene aufhörte zu gelten. Wo es das nicht gibt, hat man keine Identität. Man ist... man wäre in einer völligen Ichlosigkeit. Auch das sei etwas ganz einfach mit der ganz banalen Unfähigkeit des Gehirns zu tun.

Mensch zu sein, ist einfach keine Identität. Ich kann nicht mit acht Milliarden Personen in einer gemeinsamen Identität sein. Das geht nicht. Ich will nicht sagen, dass das Menschsein nichts ausmacht. Ich bin zum Beispiel ein Freund der Idee von Menschenrechten, dass wir sagen, es gibt gute Gründe, diese als eine Art Idee zu verankern. Das mögen andere anders sehen, bitte. Aber ich kann per se ich... selbst Europäer zu sein, ist eigentlich eine völlige Übersteigerung, eine Überforderung, sagen wir mal dessen, wozu das Gehirn an Empfindungen und Denkleistungen fähig ist. Und das kann man selbst sehen, wenn man an einen großen Staat wie China oder große Staaten wie China oder die USA denkt. Natürlich sind das Staaten, die bestehen, aber die Identität der Leute ist meistens sehr viel lokaler und zwar selbst in unseren modernen Zeiten, in der... wo wir sehr viel mehr mobil geworden sind. Wenn ein Mensch jetzt zum Beispiel in Kalifornien zum Beispiel, entwickelt sich eine bestimmte Politik, dies aber mal sehr autoritär links ist. Wenn Leute diesen Staat verlassen... Gerade Kalifornier zu sein, war für viele Menschen ein Teil einer wichtigen Intensität, denn Kalifornien stand für bestimmte Dinge. Früher war es der goldene Staat: Lebens­freiheit, Liberalität viele andere Dinge und in dem Maße, in dem das seine Schattenseiten zeigte oder sich negativ entwickelte, fangen an diese innere Identität abzulegen. Und dann sagen sie, ich habe weiß, ich nicht, ich habe mein ganzes Leben in Kalifornien gelebt, fühle mich eigentlich als Mensch, der diesem Hippie-Liberalismus verbunden ist, aber was hier passiert ist Kacke. Es gibt genug, wo man das sieht, dass das biografisch passiert. Und es braucht selbst dort lange, dass diese Leute trotz unter Leiden vieler Unbilden ihren Bundesstaat verlassen, weil die Identität in diese gewachsen ist, auch in so einem künstlichen Gebilde wie den Vereinigten Staaten, etwas ist, das tief in die Seele hinein gewachsen ist.

Das ist einer der großen Irrtümer, oder Lügen, wie man will, die von Links­intellektuellen begangen wird, die immer sagen, kulturelle Identität sei etwas, das gering ist. Also wenn man hört, über irgendetwas: das seien ja nur kulturelle Unterschiede, dann muss ich immer lachen und weinen zugleich, denn nicht sitzt so fest wie kulturelle Unterschiede. Es ist auch eine völlig inhumane Erwartung - nehmen wir mal die Migration als einen Punkt. a) unabhängig, wie man zur Migration steht - und b) unabhängig dazu, wie man zur muslimischen Kultur steht. Es ist eine völlig irrationale Zumutung, Leute zu Hunderttausenden hierher zu lassen, oder holen, und dann in der Vorstellung zu leben, sie sollten ihre Identität hinter sich lassen. Aus welchem Grund sollten sie das tun? Sie haben eine Identität, die ihnen Sinn stiftet. Das ist ihre Religion, der Islam, und ihre Herkunftsregion, türkisch zu sein oder libanesisch zu sein oder was auch immer. Sie stiftet ihnen Sinn. Wenn sie nun auf hörten, sich damit zu identifizieren mit dem Islam und der Herkunft ihrer Vorfahren: was würde die westliche Gesellschaft ihnen denn als sinnstiftende Identität bieten? Das ist doch so dünn, dass ist ja kann man, weiß ich, das ist wie dieses berühmte bei Bilbo Beutlin: Butter, dünn verstrichen auf zu viel Brot. Die identitäre Sinnstiftung der westlichen Kultur ist eine, die immer dünner wird und kein Mensch, der aus einer Kultur kommt, die stark sinnstiftend ist, wie einer islamisch-arabischen Kultur oder dem türkischen, der seine fünf Sinne beisammen hat, würde sagen, diese Art identitärer Sinnstiftung lasse ich hinter mir, um dem vagen und hauptsächlich mittlerweile selbstgeißelnden, was immer wabernden der modernen westlichen Kultur beizutreten. Was hätte ich davon? Also, und das ist jetzt wie gesagt völlig jenseits davon, wie man die westliche Kultur einschätzt oder die islamisch arabischen Kultur einschätzt. Sie bietet Sinnstiftung, weil sie im Raum und in der Zeit und in der Kultur Koordinaten schafft, an denen man das Leben ausrichten kann. Die ein Zentrum bieten und das ist eben das, was in diesem Sinne nur Religion leistet. Weder Spiritualität, denn Spiritualität ist privat. Und auch nicht Säkular­religion, die das zu einem Teil kann, aber wenn sie das will, eigentlich meistens in autoritäre Extreme geht, also wie im Kommunismus und im Faschismus. Die identitäre Ersatz­leistung ist durch eine liberale demokratische Gesellschaft annähernd nicht zu leisten und ich habe das auch schon - ist es eine meiner ältesten Kritiken an der Gesellschaft der Bundesrepublik zu sagen, es gibt ja... das hat man in der Bundesrepublik immer gesagt: wir haben einen Verfassungs­patriotismus. Und ich habe schon in den 90er Jahren gesagt, ich glaube, das ist ein zu dünnes Werk, das ist zu dünn, um zu tragen. Denn die Sinnstiftung einer Idee beweist sich nicht dann, wenn es allen gut geht, sondern dann, wenn es Krisen gibt. Dann beweist sich die Tragfähigkeit einer Sinnstiftung, eines Koordinaten­systems. Und angesichts dieser Betrachtungsweise muss man sagen, leider, dass die westlich liberale Identität eine ziemlich schlechte Idee ist. Denn sehr krisenanfällig [krisenfest?] ist sie nicht. Und das ist jetzt nichts, was ich gern oder triumphierend sage, das muss man mir glauben, wahrlich nicht, das ist nichts, was ich gerne und triumphierend sage, sondern weinend und bedauernd. Aber als Sozial­wissen­schaftler ist das die einzige Schlussfolgerung, zu der ich redlicherweise kommen kann, die ich redlicherweise sagen kann.

Ich weiß, dieses Thema wäre etwas, das man sehr ausgiebig behandeln könnte, gerade die Bedeutung der Religion. Ich glaube nicht, dass das in diesen einfachen Video von jetzt auch schon über einer Stunde hinreichend zu beschreiben ist.

Ich möchte noch einmal kurz zusammenfassend sagen: diese Sinnstiftung ist durch ein Art quasi-schamanistisches Erlebnis geschaffen, die so genannte Hierophanie, also das Erlebnis von etwas Heiligem, ein Baum, ein Bild, ein Buch, ein Tempel, ein Wald, ein Fluss, ein... Und auch an einem bestimmten Tag wird plötzlich empfunden, hier ist etwas Übermenschliches, das sich hier zeigt. Und plötzlich ist das wie das Zentrum eines Koordinaten­systems, etwas, das eine Achse gebiert, eine Achse hervorbringt, aus der wie aus eben zwei Linien eines Kreuzes sich wie in einem Koordinaten­system ...plötzlich wird die Welt messbar und ein Ort ist plötzlich nicht mehr eine homogene Ansammlung von Orten, und ein Zeitpunkt, Weihnachten oder was man will, ist nicht mehr eine beliebige kontinuierliche Ansammlung von Zeitpunkten, sondern ein Schnittpunkt. Das kann auch jeder im Privaten schon ermessen. Man hat seinen Geburtstag, man hat seinen Hochzeitstag, hat man hat den Tag und den Ort, wo man sich das erste mal verliebt hat, was man will. Auch wir bilden ja schon solche Koordinaten­systeme. Wir bilden aber Gesellschaften erst dann, wenn wir gemeinsame Zeiten und gemeinsame Orte haben, die etwas Signifikantes darstellen, etwas Heiliges. Das kann man, wie gesagt, weltlich-areligiös organisieren. Aber ich bin nach wie vor der Überzeugung, oder heute mehr denn je... es steht einfach auf viel zu tönernen Füßen. Oder es funktioniert eben leider, wie gesagt, nur dann, wenn es in autoritärer Gesellschafts­form existiert. Es ist kein Zufall, dass die großen beiden säkularen Gesellschafts­formen, Faschismus und Kommunismus gewesen sind, und dass alle liberal-demokratischen Gesellschaften bei jeder Krise sofort in Gefahr sind, in diese Art Totalitarismus zu fallen, weil ihre Verankerung in Raum und Zeit eben extrem schwach ist. Das ist bedauerlich aus meiner Perspektive. Das ist meine private Meinung dazu. Es setzt uns aber vor eine große Frage und ich habe die Frage immer wieder aufgeworfen. Ich bin heute mehr denn je der Überzeugung, eine Gesellschaft ohne organisierte Religion gibt es langfristig nicht.

Die einzige Alternative dazu, die es gibt, sind autoritäre Ideologien und die habe ich weniger gern aus Gründen, die ein eigenes Video machen würden. Einer der wesentlichen Gründe, um das nur ganz kurz anzureißen, ist eine Gesellschaft, die kein diesseitiges [jenseitiges?], kein religiöses Heil hat, muss ihr gesamtes Heil in diesem einen Leben erfüllen. Und das ist ein Erfüllungsdruck an die Welt, den die Welt und das menschliche Leben nie gewachsen sein kann. Das heißt, es ist ein Rezept zum Unglücklichsein und es ist auch ein Rezept zu einer ganz besonderen Art von Tyrannei. Per se kann man sagen, sind natürlich auch Religionen immer zur Tyrannei fähig. Aber das Religiöse bedeutet, dass das wesentliche Heil im Diesseits [Jenseits?] ist, in der spirituellen Welt, nicht in dieser Welt. Es ist eine Entlastung der Welt, wenn man so will. Ist das religiöse Gebäude im weitesten aber im Diesseits, ist es auch sehr viel leichter, das es scheitert im Ganzen und von dem Einzelnen unvorstellbar viele Zwänge und Kalamitäten erfordert, wie man wie gesagt an den beiden großen Versuchen einer solchen Gesellschafts­ordnung, Kommunismus und Faschismus, in erschreckender Weise sieht.

Ich beende das Thema hiermit ein bisschen künstlich, ohne eine... denn ich bin mir darüber bewusst... da wir so lange in einer säkularen Gesellschaft heute leben, ist es für die meisten etwas, das sie nicht an sich heranlassen wollen, denn es würde das Infrage­stellen von 3-400 Jahren westlicher gesellschaftlicher Entwicklung mit sich bringen. Im Prinzip war schon der Lutheranismus die Axt an der Religion: Auch das wäre, wie gesagt, ein Thema eines kompletten eigenen Videos. Gigantische Bücher könnte man darüber schreiben, denn das sind komplizierte Themen.

Ich beende es hiermit. Ich hoffe, es war, obwohl ich mir bewusst bin, dass es in einer a- und anti­religiösen Gesellschaft extrem schwer ist, das auch durch die soziologische Brille verständlich zu machen, welche Katastrophe die Zerstörung der Religion für uns bedeutet, und dass wir erst jetzt allmählich sehen oder vielleicht erst künftige Generationen, was für ein Sackgassenweg das bedeutet und dazu stehe ich, nicht als religiöser Mensch, sondern als Sozial­wissen­schaftler und Historiker, dass ich weiß, dass das in unserer Zeit unglaublich schwer zu vermitteln ist. Trotzdem hoffe ich, habe die Idee vielleicht als wenn auch nur als Gedankenspiel, in dem einen oder der anderen geöffnet. Das wäre schon das Äußerste, was ich mir erhoffen kann.

– Textskript des Videos

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