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1687 BGB

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Der Paragraph 1687 BGB regelt die Ausübung der gemeinsamen Sorge bei getrenntlebenden Eltern. Mit ihm wird in Gerichtsbeschlüssen mitunter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an ein Elternteil begründet, ohne dass hier ein zwingender kausaler Zusammenhang bestünde.

Wortlaut

1687 BGB - Bestellung eines Beistandes 1687 BGB - Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben
Fassung von 1. Januar 1900 Fassung von 1. Juli 1958 Fassung von 1. Juli 1970 Fassung von 1. Juli 1998
Das Vormundschaftsgericht hat der Mutter einen Beistand zu bestellen:
  1. wenn der Vater die Bestellung nach Maßgabe des § 1777 angeordnet hat;
  2. wenn die Mutter die Bestellung beantragt;
  3. wenn das Vormundschaftsgericht aus besonderen Gründen, insbesondere wegen des Umfanges oder der Schwierigkeit der Vermögens­verwaltung, oder in den Fällen der §§ 1666, 1667 die Bestellung im Interesse des Kindes für nöthig erachtet.
(1) [1] Die Genehmigung des Beistandes ist innerhalb seines Wirkungskreises zu jedem Rechtsgeschäft erforderlich, zu dem ein Vormund der Genehmigung des Vormund­schafts­gerichts oder des Gegen­vormundes bedarf. [2] Ausgenommen sind Rechts­geschäfte, welche die Eltern nicht ohne die Genehmigung des Vormund­schafts­gerichts vornehmen können. [3] Die Vorschriften der §§ 1828 bis 1831 sind entsprechend anzuwenden. (weggefallen) (1) [1] Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. [2] Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. [3] Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. [4] Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. [5] § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.
(2) Die Genehmigung des Beistandes wird durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ersetzt. (2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. [1]
(3) Das Vormundschaftsgericht soll vor der Entscheidung über die Genehmigung in allen Fällen, in denen das Rechtsgeschäft zu dem Wirkungskreis des Beistandes gehört, den Beistand hören, sofern die Anhörung tunlich ist. [2]  

Allgemeine Erklärung

Der § 1687 BGB regelt, welcher Elternteil bei getrennt lebenden Eltern mit gemeinsamen Sorgerecht wann welche Entscheidungen treffen darf, sofern das Kind bei einem Elternteil seinen Lebensmittelpunkt hat. Der Paragraph unterscheidet zwischen:

  1. Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist
  2. Angelegenheiten des täglichen Lebens, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben
  3. Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung.

Bei ersteren ist gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Im Falle von Nr. 2 hat der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, die Befugnis zur alleinigen Entscheidung. Bei Angelegenheiten Nr. 3 darf der entscheiden, bei dem sich das Kind gerade aufhält (sofern der Aufenthalt mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung stattfindet).

Sofern Kinder im Residenzmodell leben, erfährt das Sorgerecht des nicht betreuenden, lediglich umgangsberechtigten Elternteils durch § 1687 BGB eine derart massive Einschränkung, dass von wirklicher Teilhabe an der elterlichen Sorge eigentlich nicht mehr die Rede sein kann. Praktizieren die Eltern dagegen ein paritätisches Wechsel­modell, greift § 1687 BGB insoweit nicht mehr, als das es dann kein Elternteil gibt, bei dem sich das Kind "gewöhnlich" aufhält.

Praktische Bedeutung im alltäglichen Leben

Theoretisch gilt: Angelegenheiten des täglichen Lebens sind alle häufig vorkommenden Situationen, die eine sorgerechtliche Entscheidung erfordern, deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes ohne Aufwand wieder abänderbar sind. Konkrete Hilfe soll eine Aufstellung bieten, die 1999 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde.[3] Rechtlich verbindlich ist sie aber nicht und manche Aussagen erscheinen doch ziemlich fragwürdig.

Wie soll es in der Praxis beispielsweise funktionieren, wenn in Sachen Ernährung "Grund­entscheidungen zu Fragen wie Vollwertkost, vegetarische Kost, Süßigkeiten" als "Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung" eingestuft werden? Im Extremfall unterzieht ein Elternteil die Kinder bei ihrer Rückkehr vom anderen Elternteil einem peinlichen Verhör, was sie dort gegessen haben und in der Folge kreisen Prozesse dann um die Statthaftigkeit des Verzehrs von Schokoriegeln. Vernünftiger erscheint da eine andere Quelle, wo "Essensfragen" als eine Angelegenheit des täglichen Lebens bezeichnet werden[4], zumal viele Kinder auch mit Wiener Schnitzeln oder Schlimmerem gut gedeihen und konkrete Unterschiede in ihrer Entwicklung gegenüber Kindern, die ausschließlich in den Genuss körnerhaltiger bzw. pflanzlicher Nahrung kommen, nur schwer nachweisbar sein dürften.

Das Thema "Gesundheit" betreffend heißt es im Bundesanzeiger, bei "Operationen" sei gemeinsam zu entscheiden. Aber wenn akute Gefahr für Leib und Leben droht, kann natürlich nicht die Zustimmung eines widerstrebenden Elternteils abgewartet werden. Wenn man dann noch, wie Frau Keller meint, über "grundlegende Entscheidungen zu Homöopathie oder Impfungen" Einvernehmen herstellen muss, könnte es schnell wieder kontrovers werden, zumal Homöopathie wohl nicht zu Unrecht umstritten ist. Zu den Angelegenheiten des täglichen Lebens zählen nach ihrer Auffassung "leichtere Erkrankungen" und die "alltägliche Gesundheits­vorsorge". Auch hier ergibt sich im Streitfall aber wieder das Problem der Abgrenzung. Umgekehrt dürften die Meinungen, ob bestimmte Eingriffe oder medizinische bzw. auch psycho­therapeutische Behandlungen schwerwiegend sind, im Einzelfall weit auseinander­gehen.

Nicht wirklich vernünftiger wird es, wenn in der besagten Tabelle neben der Wahl der Krippe oder des Kindergartens auch die Person der Tagesmutter als zustimmungs­pflichtige Grund­entscheidung deklariert wird.

Erfreulich ist, dass Frau Kellers Zuordnungen immerhin bei den schulischen Angelegenheiten vergleichsweise eindeutig sind und mit den Einschätzungen von Praktikern konform gehen. Allenfalls zur "Entschuldigung bei Krankheit" wäre anzumerken, dass zu jener jeweils nur der Elternteil berechtigt sein sollte, bei dem sich das Kind gerade aufhält bzw. von dem aus das Kind zur Schule gehen soll. Umgekehrt begünstigt es notorische Schul­schwänzerei, wenn Kinder morgens den Haushalt des betreuenden Elternteils verlassen, aber dann, anstatt in die Schule zu gehen, den lediglich umgangs­wahr­nehmenden Elternteil aufsuchen und von jenem eine schriftliche Entschuldigung erheischen, danach irgendwo herum­lungern und schließlich mittags wieder beim betreuenden Elternteil auftauchen.

Unter der Rubrik "Sonstiges" äußert Frau Keller ihre Auffassung, wonach die Ausübung "teurer Sportarten" eine Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sei. Wie schon so mancher Klassifizierung zuvor mangelt es auch dieser an der nötigen Eindeutigkeit, denn selbstredend ist es abhängig vom persönlichen finanziellen Spielraum, ab wann eine Sportart teuer wird. Abgesehen davon könnte auch mit dem unterschiedlich hohen Verletzungsrisiko einzelner Sportarten wie etwa Karate oder Tischtennis die Möglichkeit schwer­wiegender negativer Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes begründet werden. Wenn Leute dann noch bei Ausübung bestimmter Sportarten schädliche Einflüsse auf die Charakter­bildung in den Raum stellen, kann auch das für die fortdauernde Beschäftigung des Justiz­apparats sorgen.

Unter dem Stichwort "Sonstige Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung" versetzt Frau Keller der gemeinsamen Sorge dann den finalen Todesstoß. Hier schreibt sie, dass "Erziehungsstil, Fernsehkonsum, Art des Spielzeugs, Gewalterziehung und Hygiene" als "Grundfragen der tatsächlichen Betreuung" Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung seien, über die somit beide Elternteile einer Meinung sein müssten. Nur die "Umsetzung der Grund­entscheidungen: welche Fernseh­sendung, welches Computerspiel wie lange, welches Spielzeug" soll im freien Ermessen desjenigen Elternteils bleiben, bei dem sich das Kind gerade aufhält. Noch weiter kann man das Tor für mögliche Konflikte nun wahrlich nicht mehr aufreißen. Allein die von ihr selbst gewählte Formulierung "tatsächliche Betreuung" hätte Frau Keller klarmachen müssen, wie wenig praktikabel ihre Zuweisungen sind.

Demgegenüber bezeichnet Frau Keller die "Teilnahme an Ferienreisen" unter dem Stichwort "Aufenthalt" flott als (nicht zustimmungspflichtige) "Angelegenheit des täglichen Lebens". Tatsächlich können aber auch die Ferien bzw. geplante Urlaubsreisen schnell zu einem heiklen Thema werden, wie Einzelfall­entscheidungen von Gerichten zeigen. Vor dem OLG Karlsruhe wurde folgender Fall verhandelt. Ein Vater, bei dem sich das Kind mit Einwilligung der Mutter für längere Zeit aufhielt, nahm das Kind mit auf eine Urlaubsreise nach China. Die Mutter klagte daraufhin wegen "Kindes­entführung". Mit Beschluss 16 UF 156/04 vom 23.12.2004 entschied das Gericht, dass es sich bei dieser Reise um eine Angelegenheit des täglichen Lebens handelte. Begründet wurde die Entscheidung mit den persönlichen Verhältnisse der betroffenen Familien, welche zu berücksichtigen seien. Im vorliegenden Fall hielt sich der Vater offenbar häufiger in China auf und auch der ältere Bruder des betreffenden Kindes war bereits einmal für längere Zeit dort gewesen. Zwischen den Eltern war eine eventuelle Urlaubsreise aller Geschwister bereits diskutiert worden. Der Vater durfte die Entscheidung deshalb auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Mutter treffen.

Ein anderslautendes Urteil fällte gut sechs Jahre früher das OLG Köln mit Beschluss 14 UF 170/98 vom 26.10.1998. Dort war über einen von der Mutter geplanten Ägyptenurlaub mit einem dreijährigen Kind zu entscheiden. Der Vater war um die Gesundheit des Kindes besorgt und wollte der Mutter deshalb die Reise mit dem Kind untersagen. Das Gericht gab ihm Recht. In Ägypten könne das Baden im roten Meer [?] oder das Zähneputzen mit Leitungswasser schwere Infektionen auslösen, die sofortiger medizinischer Behandlung bedürften. Ob eine kleinkind­gerechte medizinische Versorgung vor Ort sichergestellt ist, sei zweifelhaft. Das Kind befinde sich zudem in einem fremden Kulturkreis, in dem es sich nicht in seiner Sprache verständlich machen könne, sollte es einmal von seiner Mutter getrennt werden. Insofern wäre der Urlaub in einem afrikanischen Land mit einem Kind dieses Alters keine Angelegenheit des täglichen Lebens, die der betreuende Elternteil allein entscheiden dürfe, weil eine solche Entscheidung bei dem anderen Elternteil eine objektiv verständliche, ernste Sorge um die Gesundheit des Kindes auslösen könne. Solche Entscheidungen seien weder häufig noch wäre sichergestellt, dass sie ohne ernsthafte Auswirkungen bleiben würden.

Wie unschwer zu erkennen ist, treffen Teile der Begründung auch auf den in Karlsruhe verhandelten Fall zu und selbst die Frage, ob denn wenigstens Mallorca ohne ausdrückliches Einverständnis des anderen Elternteils geht, muss offen gelassen werden. Zwar spricht da mittlerweile fast jeder Deutsch, aber die Kanalisation hat, wenn man einschlägigen Fernsehreportagen glauben darf, auf den Balearen zumindest teilweise immer noch ägyptischen Standard, weshalb das Wasser in machen Badebuchten kaum sauberer sein dürfte.

Nicht wirklich einfacher wird es, wenn die Eltern ein Wechselmodell praktizieren. Da es dann zwei betreuende Elternteile gibt, dürfen beide jeweils allein entscheiden, wenn sich das Kind gerade bei dem einen bzw. anderen Elternteil aufhält. Der Kasus Knacktus - Angelegenheiten des täglichen Lebens oder nicht - bleibt aber der Gleiche.

Eine fragwürdige Urteilsbegründung

Im Beschluss 16 UF 13/07 vom 14.3.2007 hat das OLG Stuttgart mit dem § 1687 BGB eine kreative Begründung gebastelt. Wörtlich heißt es: "So hat auch der Gesetzgeber implizit der Eingliederung des Kindes in einen elterlichen Haushalt den Vorzug vor dem Wechselmodell gegeben, indem er in § 1687 BGB das Entscheidungs­recht bei gemeinsamer elterlicher Sorge getrennt lebender Eltern geregelt und dabei zwischen Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, und Angelegenheiten des täglichen Lebens unterschieden hat."[5]

Diesem Satz fehlt jedoch die finale Logik. Der Wortlaut des Paragraphen lässt allenfalls den Schluss zu, dass sich der Gesetzgeber 1998 noch keine Alternativen zum Residenzmodell vorstellen konnte. Es wäre jedoch an den Haaren herbeigezogen, hieraus ein Verbot anderer Regelungen des Umgangs ableiten zu wollen. Unterm Strich gilt die Bestimmung halt eben für die Fälle, in denen das Residenzmodell praktiziert wird, aber natürlich darf es auch ein anderes Modell sein.

Einzelnachweise

Netzverweise