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Verhandlungsprotokoll
Unter einem Verhandlungsprotokoll versteht man landläufig das Protokoll einer Gerichtsverhandlung. Bei Zivilprozessen wird der Inhalt des Protokolls durch § 160 ZPO geregelt.[1]
Inhalt des Protokolls
Im betreffenden Paragrafen heißt es, das Protokoll solle auch die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Parteien wiedergeben. Dessen ungeachtet werden die Aussagen der Beteiligten bzw. Mitwirkenden auch auf Ebene der Amtsgerichte oft nur lückenhaft nach Ermessen des Richters protokolliert, obgleich § 161 ZPO eine solch laxe Handhabung allenfalls im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht zulässt[2] (wobei auch dies kritisch zu bewerten ist).
Jeder, der in ein gerichtliches Verfahren geht, muss sich eines klar machen: Sofern er selbst nicht dafür Sorge trägt, dass jedes Wort der Verhandlung, dass möglicherweise bedeutsam sein könnte, auf Tonträger aufgezeichnet wird, kann es sehr leicht passieren, dass sein Vorbringen entweder zu Schall und Rauch oder sogar grob verfälscht wird. Gleiches gilt für den Vortrag der Beteiligten oder Mitwirkenden, der vielleicht bedeutsam sein könnte, aber mangels Protokollierung einfach unter den Tisch fällt. Auf eine gewissenhafte Protokollierung des Gerichts zu vertrauen, die streng das tatsächlich Gesagte aufzeichnet, ist geradezu naiv (siehe hierzu den Abschnitt "Unzureichende Protokollführung" im Beitrag "Strukturkonservative Familiengerichte"). Man fragt sich: Warum zeichnet das Gericht eigentlich nicht die gesamte Verhandlung auf, wo das heutzutage doch jeder im Besitz eines Handys befindliche Schüler sogar heimlicherweise erledigen kann.
Antrag auf Protokollergänzung
Üblicherweise diktiert ein Richter die Sätze, welche später ins Protokoll kommen sollen, im Verlauf der Verhandlung auf einen Tonträger. Üblich ist außerdem, dass diese Aufzeichnung am Ende der Verhandlung nochmals in voller Länge abgespielt wird und die Parteien befragt werden, ob sie das Protokoll genehmigen.
§ 160 Absatz 4 Satz 1 ZPO räumt die Möglichkeit ein, Anträge auf Ergänzung des Protokolls zu stellen.[3] Wichtig ist: Solche Anträge müssen unmittelbar in der Verhandlung gestellt werden. Bekommt man dagegen Tage oder Wochen nach dem Termin das Protokoll zugestellt und wundert sich, warum bestimmte Aussagen nicht festgehalten wurden, ist ein nachträglich gestellter Antrag hinsichtlich einer Aufnahme ins Protokoll absolut fruchtlos. Für einen Rechtsanwalt ist dieses Wissen selbstverständlich, für seinen Mandanten zumeist nicht. Ergo: Wenn der eigene Anwalt in der Verhandlung Zurückhaltung übt - das muss er hin und wieder mal, denn er wird mit dem betreffenden Richter noch öfters zu tun haben und darf sich dessen Wohlwollen nicht völlig verscherzen - sollte man selbst einen entsprechenden Antrag stellen.
Die besagte Bestimmung bedeutet übrigens nicht, dass der Richter die betreffende Äußerung tatsächlich festhalten muss. Möchte er das nicht, kann er von der Aufnahme bestimmter Vorgänge oder Äußerungen absehen, wenn es auf die Feststellung des Vorgangs oder der Äußerung nicht ankommt (§ 160 Absatz 4 Satz 2 ZPO). Zumindest seine Weigerung muss er aber ins Protokoll aufnehmen (§ 160 Absatz 4 Satz 3 ZPO).
Zügige Fertigstellung
Gemäß § 160a Abs. 1 ZPO[4] darf das Protokoll in einer gebräuchlichen Kurzschrift, durch verständliche Abkürzungen oder - wie gesagt ist das heute die Regel - auf einem Ton- oder Datenträger vorläufig aufgezeichnet werden. In diesem Fall muss das Protokoll unverzüglich nach der Sitzung hergestellt werden.[5] Die ZPO regelt zwar nicht, innerhalb welcher Frist das Protokoll an die Beteiligten zu versenden ist. "Unverzüglich" wird im Juristendeutsch jedoch mit "ohne schuldhaftes Zögern" interpretiert. Anders gesagt ist das Protokoll vom Richter kurz nach dem Termin zu diktieren und sollte dann auch relativ zeitnah nach der Verhandlung bei den Beteiligten eingehen. Aufgrund der hohen Auslastung der Gerichte und Aktenstau auf den Geschäftsstellen - also dort, wo die Schreibarbeit erledigt wird - ist es völlig normal, das ein bis zwei Wochen ins Land gehen, bevor die Beteiligten das Protokoll in Papierform erhalten. Trudelt es dagegen erst nach 4 Wochen oder sogar noch später ein, ist das kritisch zu bewerten. Dies gilt erst recht, wenn das Protokoll angebliche Fragen des Gerichts und angebliche Antworten eines Beteiligten oder Mitwirkenden enthält, die nach Auffassung einer Partei frei erfunden sind. Der ein oder andere Leser mag glauben, derartige Manipulationen seien völlig ausgeschlossen. Dem ist jedoch nicht so.
Was so alles passieren kann
In einem Umgangsverfahren vor einem kleinen rheinland-pfälzischen Amtsgericht wurde die Richterin durch ein Schreiben des Antragstellers eindringlich auf die Gefahr einer Gefährdung des Kindeswohls hingewiesen. Konkret hatte der Vater auf die Gefahr abgehoben, wenn schon sein damals elf- bzw. zwölfjähriger Sohn von seiner Mutter psychisch schwer misshandelt worden wäre, wie viel größer sei dann das Risiko für den erst sechsjährigen Bruder. Daraufhin übersandte die Richterin das Verhandlungsprotokoll, welches nach der eindeutigen Bestimmung des § 160a Abs. 2 Satz 1 ZPO längst hätte vorliegen müssen[5] (der Termin lag bereits 4 Wochen zurück).
Im Protokoll war von einer angebliche Befragung des Verfahrensbeistands durch die Richterin zur Gefährdung des Kindes im Haushalt der Mutter die Rede. Dazu war eine angebliche Antwort des Verfahrensbeistands vermerkt, der gesagt habe, er hätte keine Gefährdungstendenzen erkennen können.
Der Vater hatte indessen alle wesentlichen Äußerungen in der Verhandlung mitgeschrieben. Anhand seiner Mitschriften konnte er zweifelsfrei feststellen, dass die angebliche Frage nebst zugehöriger Antwort frei erfunden war. Übrigens - und das will schon etwas heißen - bekannte auch der Anwalt des Vaters in einem Schriftsatz, er könne sich nicht an eine entsprechende Frage der Richterin erinnern. Weiter schrieb der Anwalt, im Zweifel sei der Verfahrensbeistand hierüber zu befragen. Eine solche Befragung hat die Richterin allerdings aus gutem Grund unterlassen, denn dieser Verfahrensbeistand hätte ihr wohl kaum den Gefallen getan, ihre Manipulation zu decken.
Selber mitschreiben
Es ist unbedingt zu empfehlen, die wichtigsten Fragen bzw. Aussagen des Gerichts und die Aussagen der Beteiligten und Mitwirkenden, so weit es irgendwie geht, mitzuschreiben. Hier sind flinke Finger gefordert; für Leute, die kein Steno[wp] gelernt haben (und einen illegalen Mitschnitt mittels Handy ablehnen), ist eine individuelle Kurzschrift hilfreich. Dabei geht es weniger um die Aufdeckung der geschilderten, hoffentlich wohl eher seltenen Manipulationen. Eine eigene Mitschrift hat jedoch zwei große Vorteile: Zum einen kann man sofort schriftsätzlich auf das Vorbringen der Gegenseite oder eines Beteiligten bzw. Mitwirkenden reagieren, wenn man im Termin in der Kürze der Zeit nicht das Nötige entgegnen oder nachfragen konnte, weil der Groschen schlicht und ergreifend erst mit zeitlichem Abstand gefallen ist. Zum anderen enthält das Protokoll eben nur die Aussagen, welche vom Gericht auch wirklich festgehalten werden. Manche Richter protokollieren äußerst gründlich, andere weniger gewissenhaft oder nur selektiv, einige sind ausgesprochen schlampig. Im Allgemeinen fallen - unabsichtlich oder bewußt - etliche Äußerungen unter den Tisch. Oft sind es jedoch gerade sie, aus denen wichtige Aspekte aufscheinen, die dem Gericht ggfs. in einem Schriftsatz mitgeteilt werden müssen.
Einzelnachweise
- ↑ § 160 ZPO - Inhalt des Protokolls, dejure.org
- ↑ § 161 ZPO - Entbehrliche Feststellungen, dejure.org
- ↑ § 160 ZPO - Inhalt des Protokolls, dejure.org (Abs. 4 Satz 1: "Die Beteiligten können beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden.")
- ↑ § 160a ZPO - Vorläufige Protokollaufzeichnung, dejure.org (Abs. 1: "Der Inhalt des Protokolls kann in einer gebräuchlichen Kurzschrift, durch verständliche Abkürzungen oder auf einem Ton- oder Datenträger vorläufig aufgezeichnet werden.")
- ↑ 5,0 5,1 § 160a ZPO - Vorläufige Protokollaufzeichnung, dejure.org (Abs. 2 Satz 1: "Das Protokoll ist in diesem Fall unverzüglich nach der Sitzung herzustellen.")
- ↑ Karl Albrecht Schachtschneider: "Rechtsproblem Familie", S. 23, S. 28-31
Rechtsproblem Familie in Deutschland (41 Seiten)