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Normalopath

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Der Normalopath ist das Gegenstück zum Psycho- oder Soziopathen.

Die Ode an den Normalopathen

Der Normalopath ist männlich und zwischen 30 und 50 Jahre alt. Er lebt oder lebte in einer festen Beziehung, hat ein bis drei Kinder und ist berufstätig. Gewöhnlich verdient er wenigstens 1800 Euro im Monat, eher 2500 Euro. Das erscheint ihm wenig, denn üblicherweise hat ein gewöhnlicher Normalopath wenigstens 50.000 Euro Schulden und ist gezwungen, mindestens 300,- Euro seines Gehalts oder Einkommens zur Tilgung zu verwenden.

Daher sind die Partnerinnen des Normalopathen meist halbtags berufstätig oder auch Vollzeit, sofern ihre Energie und ihr Ehrgeiz das zulässt. Wichtig aber ist es, dass sie weniger verdienen, als ihre Partner, denn der Normalopath möchte die Beziehung so geregelt wissen, dass weder seine Partnerin noch die Kinder das Gefühl haben, er sei verzichtbar.

Ein Normalopath besitzt ein Auto, eine Eigentums­wohnung oder ein Haus, er hat ein teures Hobby und lebt daher eher sparsam. Er möchte auf nichts verzichten, daher erscheint ihm fast alles zu teuer.

Der Normalopath ist immer beschäftigt. Wenn er nicht seinem Beruf nachgeht, der viel Zeit erfordert und seine Kräfte in Anspruch nimmt, räumt er auf, hat Termine in Vereinen und anderen Institutionen unterhält eine Band oder einen Kunstkreis, ist Sport­funktionär oder Mitglied in einem Gemeinderat. Außerdem hat er einen Garten oder repariert Autos, gestaltet Websites oder beschäftigt sich intensiv mit Esoterik oder ist Rutengänger.

Normalopathen sind in allen Berufszweigen zu finden. Tendenziell aber in technischen Berufen oder in solchen, die ein hohes Maß an Organisation und Verwaltung erfordern. Technik verschafft dem Normalopathen Befriedigung, denn sie ist logisch, einsichtig und überschaubar. Natürlich ist das nicht die Technik, sondern Techniken, die dem Verstand des durch­schnittlichen Normalopathen vertraut sind und ihm das Gefühl geben, sein Leben unter Kontrolle zu haben.

Daher verhält sich der Normalopath im zwischen­menschlichen Bereich machtbewusst. Ihm ist bei allem, was er tut, wichtig, seinen Einfluss zu stärken. Er neigt dazu, Urteile, die er einmal gefällt hat, auch zu exekutieren. Er meint, zu viel zu denken, gefährde sein Selbstbild. Nichts ist ihm aber so verhasst, wie sich selbst auf die Probe zu stellen.

Daher fällt es dem Normalopathen schwer, den Außenseiter neben sich zu dulden. Die meisten Normalopathen haben irgendwelche Freunde, die sich als Künstler versuchen oder es tatsächlich sind. Aber das mit den Künstlern geht nur auf Partys.

Viele Normalopathen sind sozial engagiert und leisten so Abbitte bei den Opfern des Existenzkampfs, der sie formte, möchten aber das Schicksal, der so bedachten nicht teilen, sondern trachten danach, durch den Umgang mit Schwachen oder Schwächeren, ihr Ego zu stärken, damit sie so gewappnet im Alltag ihren Mann stehen können.

Normalopathen bestechen nicht durch ihr Talent. Sie bestechen durch ihre Fähigkeit, anderen Menschen ihre Schwächen bewusst zu machen. Der Normalopath spürt, dass er eine mediokre Erscheinung ist, aber sein Selbst­behauptungs­trieb und die Gewissheit, dass er seine Mittel­mäßigkeit mit der Menge teilt, scheinen ihm das Recht zu geben durch die Beeinflussung anderer, einen Vorteil herzustellen, auch dann, wenn seine Leistungen oder Fähigkeiten diesen nicht rechtfertigen.

Gewöhnlich tut er dies, indem er Forderungen stellt. Dem Normalopathen ist die Demokratie wichtig, denn ihre Rituale versetzen ihn in die Lage durch Diskussionen und ausufernde Erörterungen eine bestimmte Form der Interessens­gleichheit herzustellen, die besagt, dass seine angeblichen Ideale, so kosten- und arbeits­intensiv sind, dass sie entweder bessere finanzielle Mittel erfordern oder bis auf Weiteres verschoben werden müssen, zu Mal kein anderer Mensch in der Lage ist, diese durchzusetzen.

Daher löst der Normalopath Probleme in der Regel dadurch, dass er etwas beschließt oder vertagt. Das Einzige, was der Normalopath auf keinen Fall verzögert sehen möchte, ist die Auszahlung seines monatlichen Gehalts.

Ausufernde Gefühle und komplexe Konzepte sind dem Normalopathen suspekt. Er liebt die Kunst, aber nicht den Künstler. Vielmehr trachtet der Normalopath nach Erklärungen, die ihm eine Form plausibel machen. Er vergleicht und daher ist ihm das, was keine oder nur wenige Vergleichs­möglichkeiten bietet, zu wider.

Daher wendet der Normalopath besonders bei der Kunst gerne die industriellen Standards an, die ihm die Warenwelt diktiert. Ein Film, Bild oder Buch müssen technisch einwandfrei sein, leicht verständlich, gefällig, bekömmlich und preiswert.

Ist dies einmal nicht der Fall, findet der Normalopath tausend Gründe der Reklamation. Es ist dem Normalopathen schleierhaft, weshalb man ein Kunstwerk, das nicht gefällt, nicht umtauschen kann, wie eine beschädigte Ware.

Auch die Moral ist dem Normalopathen eine soziale Technik. Sie dient ihm zur Abgrenzung von unbekannten Lebensformen, zur Wahrung seiner Interessen und zum eigenen Vorteil. Er ist immer dann beruhigt, wenn er feststellen konnte, dass ein anderer wenigstens nicht besser ist als er. Sein Ärger konzentriert sich auf Menschen, die wenig Angriffs­fläche bieten.

Es beruhigt ihn zu wissen, dass sein bescheidener Wohlstand wohlverdient ist. Daher hasst er vermögende Menschen und hält ärmere Menschen auf Distanz, sofern ihn sein Beruf nicht dazu zwingt, mit diesen Umgang zu pflegen. Dann aber betont er ihre Bedürftigkeit, schließlich möchte er seinen Arbeitsplatz nicht gefährden.

Eine Gesellschaft wie die unsere ist ohne die Existenz des Normalopathen schwer vorstellbar. Sie finden sich in allen Systemen halbwegs zu Recht, sind anpassungs­fähig, fleißig und zuverlässig, man muss mit ihrer Intriganz und ihrer Konkurrenz­fähigkeit rechnen. Man bedient sich ihrer und so verstehen es auch sie, sich anderer zu bedienen. Glück ist für Normalopathen eine Gleichung ohne Unbekannte.

– MemoMedien[1]

Einzelnachweise

  1. Der Normalopath, MemoMedien am 22. Mai 2014

Querverweise

Netzverweise

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Der Normalopath von MemoMedien, 22. Mai 2014.