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Tauschring

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Der Begriff Tauschring wird uneinheitlich verwendet. Als Selbstbezeichnung ist auch "LET-System" (Local Exchange and Trading System, engl. "örtliches Austausch- und Handelssystem") gebräuchlich, in Anlehnung an Michael Lintons Modell[tw] aus den frühen 1980ern. Daneben finden sich auch Bezeichnungen wie "Tauschkreis", "Verrechnungs­ring", "Kooperations­ring", "Zeitbörse", "Nachbarschafts­börse", "Gib und Nimm", "Tauschnetz" und viele andere. Manche sprechen auch verallgemeinernd von "Tauschsystemen".

Definition

Es gibt in der Fachliteratur keine allgemein akzeptierte Definition, was ein Tauschring genau ist. 1997 schrieben die Juristen Brandenstein, Corino und Petri in einem viel zitierten Artikel:

Zitat: «Bei einem Tauschring handelt es sich um eine örtlich begrenzte, auf Dauer angelegte Verbindung einer größeren Zahl von Personen, ausgerichtet auf wechselnden Mitglieder­bestand, mit einem Gesamtnamen und dem gemeinsamen Zweck, daß die Personen einander Leistungen hauptsächlich gegen Gutschriften selbst­geschaffener Ver­rechnungs­einheiten erbringen.»[1]

Das PaySys definiert:

Zitat: «Unter einem LET-System[tw], Kooperationsring oder Tauschring versteht man ein organisiertes Ver­rechnungs­system, das dem bargeld­losen Austausch von Leistungen und Produkten zwischen Privat­personen, Organisationen und Klein­unternehmen auf lokaler Ebene dient. Da überwiegend Dienst­leistungen und Produkte zwischen den privaten Haushalten ausgetauscht werden, beschränkt sich das Tätigkeit­gebiet eines LETSystems im Regelfall auf einen Stadtteil, eine Stadt oder eine Region.»[2]

2009 schrieb Simone Wagner in ihrer Dissertation:

Zitat: «LET-Systeme sind netzwerk­artig aufgebaute Handels­organisationen, welche parallel zur Geldwirtschaft einen alternativen, nicht-monetären Wirtschafts­kreislauf etablieren wollen. In diesen können die Teilnehmer ihre am Markt nicht gefragten Ressourcen und Fähigkeiten einbringen und gegen eine lokal gültige Alternativ­währung eintauschen.»[3]

Die deutsche Bundesregierung betonte 1997 im Rahmen einer Kleinen Anfrage im Bundestag:

Zitat: «Gemeinsam ist aber allen, daß sie örtlich begrenzt sind, und ihre Mitglieder bargeldlos Dienst­leistungen[wp] - in Ausnahme­fällen auch Waren[wp] - miteinander tauschen. Die Bezahlung erfolgt mit eigens geschaffenen Ver­rechnungs­währungen. Die Vermittlung der Tausch­partner und die Führung der Tauschkonten erfolgen durch zentrale Vermittlungs­zentralen (Tausch­zentralen).»[4]

Ziele der Tauschringe

Beim Bundestreffen der Tauschsysteme 1998[tw] wurde eine Liste erstellt, die "gesellschafts­politische und ökonomische Anliegen und Wirkungen der deutschen Tauschsysteme"[tw] zusammenfasst:

  1. Nachbarschaftshilfe - Kommunikation schaffen
  2. Ökonomische und soziale Selbsthilfe - Selbstbestimmung - Selbstverwaltung
  3. Entfalten des Selbstwertgefühls, der Phantasie und Kreativität
  4. Gleichberechtigung und gegenseitiger Respekt
  5. Neubewertung von Arbeit und Leben
  6. Gemeinwesen­entwicklung, lokale Ökonomie, Verbesserung der Lebens­qualität
  7. Bildungsarbeit zum Zusammenhang zwischen Ökonomie und Leben
  8. Modellversuche für nachhaltiges Wirtschaften

Merkmale von Tauschringen

So bunt und vielfältig die deutsche Tauschring-Landschaft auch ist, so gibt es mehrere Merkmale, die (fast) alle Tauschringe erfüllen.

Freiwilliger Zusammenschluss
Tauschringe sind Organisationen mit Rechtsform, Satzung und Tauschregeln. Die Teilnahme ist freiwillig. Es gibt jährliche Mitglieder­voll­versammlungen.
Geschlossener Kreislauf
Tauschringe sind geschlossene Wirtschaftssysteme, die nur Transaktionen zwischen den Mitgliedern berücksichtigen.
Tauschversprechen - die moralische Verpflichtung zur Gegenseitigkeit
Im Gegensatz zu Wohlfahrt[wp] und Schenkökonomie besteht in Tauschringen eine "moralische Verpflichtung" (Tausch­versprechen), im Tausch[wp] für erhaltene Leistungen gleichwertige Gegenleistungen zu erbringen.[5]
Buchführung
Tauschringe führen für ihre Mitglieder Konten, um die erbrachten und erhaltenen Leistungen zu dokumentieren. Wegen des geschlossenen Wirtschafts­kreislaufs werden Konten in der Regel mit Saldo Null eröffnet. (Manche Tauschringe arbeiten mit Start­guthaben.)
"Ohne Geld"
Tauschringe bringen weder Bargeld noch längerfristig gültige bargeld­artige Gutscheine in Umlauf, mit dem Mitglieder (und Nicht-Mitglieder) Waren oder Dienstleistungen "bezahlen" könnten. Hier liegt der größte Unterschied zu Komplementär­währungen[wp] wie Regiogeld oder Geld­experimenten wie Minuto. Über jede Transaktion wird Buch geführt. (Manche Tauschringe verwenden kurzfristig gültige Gutscheine, Marken oder Bons, um während einer Veranstaltung die Abrechnung zu erleichtern.)
Verrechnungseinheiten
Tauschringe verwenden Verrechnungs­einheiten (VE) zur Leistungs­verrechnung. Manche betrachten diese als Lokalgeld, manche als Tauschmittel, manche als (bar)geldloses Ver­rechnungs­system, manche als irgendwas dazwischen. Es werden immer wieder Grundsatz­diskussionen geführt, ob Zeit oder Euro[tw] der bessere Wertmaßstab für VE sei, ob eine Äquivalenz von VE und gesetzlichem Zahlungsmittel[wp] notwendig sei (etwa zur Berechnung von Steuern) und ob eine Konvertierbarkeit wünschenswert sei.
Zinsen
Tauschringe berechnen weder Leihzinsen auf Kredite, noch gewähren sie Guthaben­zinsen. (Manche Tauschringe berechnen Negativ­zinsen auf Guthaben als Tauschanreiz.)
Markt
Tauschringe haben eine Marktzeitung, um Anzeigen für Tauschangebote und -gesuche tauschring­intern zu veröffentlichen. Zunehmend werden Tauschanzeigen auch online über Webdienste veröffentlicht.
Haushaltsnahe Dienstleistungen
Im Gegensatz zu Regiogeld oder Barter Clubs liegt der Schwerpunkt bei Tauschringen beim Tausch von Dienstleistungen und Waren zwischen privaten Haushalten. Vom Selbstverständnis vieler Tauschringe handelt es sich dabei um erweiterte Nachbarschaftshilfe. Es werden immer wieder Grundsatz­diskussionen geführt, in welchem Umfang es sinnvoll ist, gewerbliche Teilnehmer in den Tauschring einzubeziehen.
Ortsbezug
Tauschringe beschränken sich (meist?) auf ein räumlich begrenztes Einzugsgebiet, in der Regel einen Stadtteil, eine Stadt oder eine Region. (Manche Tauschringe vernetzen sich zu größeren Einheiten; manche beteiligen sich am Außentausch mit räumlich weit entfernten Tauschringen.)

In der Praxis unterscheiden sich Tauschringe in ihrer Mitgliederzahl (von 7 bis 700), ihrer Organisations­struktur (von Anarchie über Vereinsmeierei bis Autokratie), dem Grad der Vernetzung mit anderen lokalen Einrichtungen (von Autarkie bis Kooperations­verträgen) und ihrer Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit (von privaten Stammtisch bis zur Präsenz auf Straßen­festen, in Fachliteratur, Web und TV).

Große Unterschiede gibt es ebenfalls beim sozialen, politischen und wirtschaftlichen Anspruch. Manche Tauschring­mitglieder verstehen sich als Pioniere einer neuen Wirtschafts- und Gesellschafts­ordnung. Viele wollen sich einfach nur als Nachbarn[wp] gegenseitig bei den kleinen Problemen des Alltags helfen.

Strukturmodelle

Die Autoren Kristof/Nanning/Becker gruppieren Tauschringe in drei "Strukturmodelle":[6]

Der kommunikations­orientierte Tauschring
eng begrenzte und strukturschwache Regionen; kleine bis mittlere Anzahl Mitglieder, ähnliche Lebens­situation; überwiegend soziale Motivation, Kommunikation und Nachbarschaftshilfe; "soziale Geborgenheit"
Der ideologiebetonte Tauschring
Mitglieder meist aus grün-alternativem Spektrum; gemeinsame Philosophie; überwiegend ideologische Motivation, ökonomische Motive nachrangig; "andere Ökonomie ausprobieren"
Der leistungsstarke Tauschring
großes Ballungsgebiet, besonders viele Mitglieder; ökonomische Motivation; breites Angebot an Dienstleistungen, "die man sich sonst nicht leisten" könnte

Einzelnachweise

  1. Brandenstein Corino Petri 1997, S. 825
  2. LETS-Handbuch PaySys (Version 4.1), S. 7
  3. Wagner 2009, S. 33
  4. Kleine Anfrage im Bundestag 1997
  5. vgl. a. Pieper 2002, S. 126: "Der Teilnehmer, der einem anderen Teil­nehmer eine Real­leistung erbringt, erhält hierfür ein Gegenleistungs­recht, das ein abstraktes, subjektives Vermögensrecht ist. Es ist auf die Möglichkeit gerichtet, eine Gegen­leistung von einem anderen Teilnehmer zu beziehen. Derjenige, der Real­leistungen ohne ein solches Recht beansprucht, verpflichtet sich gegenüber allen anderen Mitgliedern, die ein Guthaben aufweisen, ihnen eine Real­leistung zu erbringen."
  6. Kristof Nanning Becker 2001, S. 13ff.

Querverweise

Netzverweise

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Tauschring von TauschWiki, 16. Juli 2015.