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Samenleiterventil

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Das Samenleiterventil (SLV, englisch: "Sperm Switch"[1]) wird in die Samenleiter im Hodensack implantiert.

Spermien stoppen durch einen Wippschalter am Hoden
Statt die Enden der durch­trennten Samenleiter zu veröden, werden Ventile eingesetzt.
Foto: DWO

Außer Kondomen[wp] haben Männer bisher keine Möglichkeit, selber zu verhüten. Das soll sich jetzt ändern - durch ein Ventil am Samenleiter. Der Erfinder trägt es schon. Freiwillige können es nun testen.

Zürich, 1984, ein Kulturzentrum: Zehn Männer sitzen auf Stühlen mit kreisrund ausgesägten Sitzflächen, darunter je ein Eimer voll Wasser und ein Tauchsieder. An den Hoden der Männer baumeln Gewichte, die sie hinabziehen in das 45 Grad heiße Wasser. So hockt sie da, die "Schweizer Hoden­bade­gruppe", eine Drei­viertel­stunde jeden Tag, vier Wochen lang.

Nach diesen Bädern, so heißt es, seien die Männer wochenlang unfruchtbar gewesen. Die medizinische Erklärung dafür ist einfach: Nicht umsonst sind die männlichen Geschlechts­drüsen außerhalb des Körpers angesiedelt. Werden sie zu warm, produzieren sie weniger Spermien. Genau das provozierten die Schweizer mit ihrem Versuch. Sie wollten Unabhängigkeit für den Mann - auch in Verhütungs­fragen.

Die heißen Hodenbäder haben sich als Methode dann doch nicht durchgesetzt. Trotz vieler Versuche und Studien kam auch nie eine Verhütungs­pille für den Mann auf den Markt. Männer können zu Kondomen greifen oder sich die Samen­leiter durch­trennen lassen, wenn sie selbst dafür sorgen wollen, dass ihre Partnerinnen nicht schwanger werden.

Ein deutscher Erfinder hat nun eine neue Idee: ein Ventil für den Mann. Genauer gesagt, zwei Ventile, für jeden Hoden eins, mit denen der Mann seine Zeugungs­fähigkeit ein- und aus­schalten kann. Derzeit werden Freiwillige für Tests gesucht, bald soll die neue Methode auf den Markt kommen.

Drei von vier Männern und Frauen, die regelmäßig Sex haben, verhüten dabei. Meistens ist es aber die Frau, die mit der Antibabypille[wp] ungewollte Schwangerschaften verhindert. Auf die Frage, mit welcher Methode sie verhüten, sagen 53 Prozent der Befragten, dass sie - oder ihre Partnerin - die Pille nehmen. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung[ext] (BZgA). 37 Prozent der Befragten benutzen Kondome.

Wenn sie keine Kondome benutzen, aber selbst verhüten wollen, können Männer sich sonst bisher nur sterilisieren lassen. Bei einer Vasektomie werden beide Samenleiter durchtrennt, umgeschlagen und verödet. Gedacht ist diese Methode für Männer, deren Familien­planung[wp] abgeschlossen ist. Mittlerweile können Ärzte die Zeugungs­fähigkeit mit einem weiteren Eingriff zwar wieder herstellen - oder es zumindest versuchen, denn eine Garantie dafür, dass der Mann wirklich noch einmal Vater werden kann, gibt es nicht.

Das Ventil hat in etwa die Größe eines Gummibärchens
Foto: Antonioguillem - Fotolia

Ein Kästchen von der Größe eines Gummi­bärchens[ext] soll das ändern. Clemens Bimek, eigentlich Tischler aus Brandenburg, sah vor 17 Jahren eine Fernseh­dokumentation über Vasektomien und fragte sich, warum man bei der Operation die Samenleiter durchschneidet - statt ein Ventil in sie einzubauen.

Seine Idee: Nach dem Durchtrennen werden beide Enden des jeweiligen Samenleiters in einen kleinen Kasten mit ein­gebautem Ventil gesteckt. Um es zu schließen, ertastet der Mann von außen am Hodensack einen Wipp­schalter und drückt diesen in Richtung Hoden. Dann ist das Ventil geschlossen, und die Spermien gelangen nicht ins Ejakulat.

Um es wieder zu öffnen, kippt man den Schalter in die Gegen­richtung, muss aber zugleich einen Schalter an der Unterseite des Kästchens betätigen. So wird sichergestellt, dass der Schalter nicht versehentlich umgelegt wird. Mittlerweile ist das Samen­leiter­ventil weltweit patentiert und fertig entwickelt. Der Erfinder selbst trägt es bereits. Er ist gewissermaßen sein erster Kunde.

"Es ist nicht gerecht, dass bisher die Frauen die ganze Verantwortung für die Verhütung tragen", sagt der Münchner Urologe Hartwig W. Bauer[ext]. Er wird die Studie medizinisch begleiten.

An beiden Samenleitern werden Ventile befestigt, durch die in geschlossenem Zustand keine Spermien gelangen
Foto: Infografik Die Welt

Die neue Methode ist für ihn auch ein Beitrag zum Umweltschutz[wp]. Die Natur werde überflutet mit Östrogen, sagt Bauer. Selbst im Trinkwasser ist der Stoff bereits nachweisbar - weil so viele Frauen die Pille nehmen, die Östrogen enthält. Es müsse endlich eine Lösung für den Mann her. Und zwar am besten eine, die ohne Hormone auskommt.

Von hormonellen Präparaten, einer "Pille für den Mann", war in den letzten Jahren immer wieder die Rede, doch nicht ein einziges dieser Produkte schaffte es zur Marktreife. Bis Mitte 2011 forschte die Weltgesundheits­organisation[wp] an einer Spritze, die die körpereigene Testosteron­produktion hemmte und die Spermien­produktion so zum Erliegen brachte.

Alle zwei Monate sollte das Präparat gespritzt werden, ein Jahr nach dem Absetzen des Medikaments waren die meisten Probanden wieder fruchtbar. Doch die Methode schützte nur zu 90 Prozent vor einer Schwangerschaft der Partnerin und hatte starke Neben­wirkungen. Die Studie wurde abgebrochen.

Erste klinische Tests

Das Implantat für die Samenleiter funktioniert, sagt der Urologe Bauer. Davon hat er sich beim Erfinder Clemens Bimek über­zeugen können. "Bimeks Spermio­gramme sprechen für das Produkt", sagt Bauer. Bei umgelegtem Schalter waren keine Spermien im Ejakulat, als Bimek das Ventil öffnete, ließen sich wieder Spermien nachweisen. Bauer will das Implantat an 25 weiteren Männern testen.

Die sollten ihre Familienplanung bereits abgeschlossen haben, erklärt der Arzt. Gesucht werden Männer, die sich normalerweise für eine Vasektomie entscheiden würden. Nach sechs und zwölf Monaten sollen dann Spermio­gramme klären, ob das Ventil gut verträglich ist und sich zuverlässig wieder öffnen lässt. Dass es geschlossen keine Spermien durchlässt, wird nach dem Eingriff zweimal überprüft. Danach müssen auch die Probanden nicht zusätzlich verhüten.

Zielgruppe für das Produkt sollen am Ende auch junge Männer sein, die in einer festen Beziehung leben, aber noch keine Kinder möchten. Die Paare könnten auf weitere Verhütungs­mittel wie die Pille oder Kondome verzichten. "Alle hormonellen Verhütungs­mittel haben Neben­wirkungen", betont Bauer. Das gilt auch für die Antibabypille.

Sie greift nicht nur über das Abwasser in die Umwelt, sondern vor allem permanent in den gesunden Organismus der Frauen ein, steigert nachweislich zum Beispiel das Risiko für Thrombosen[wp]. Und manche Frauen beklagen, dass sie keine Lust mehr auf Sex haben, seit sie die Pille nehmen.

So läuft die Operation ab

Einen Einfluss auf die männliche Libido sollten die kleinen Kästchen hingegen nicht haben, meint Bauer. Nach einer Vasektomie komme das normalerweise auch nicht vor. Bimek zufolge kann man die Ventile zwar ertasten - das ist schließlich Voraussetzung für ihre Bedienung -, im Alltag seien sie aber nicht zu spüren. Pro Stück wiegen sie nur rund zwei Gramm.

Die Implantation der beiden Kästchen ist mit einer Vasektomie vergleichbar. In etwa einer halben Stunde seien beide Ventile angebracht, verspricht Bimek. Die Hoden werden nur örtlich betäubt. Wie jeder invasive Eingriff birgt die Operation natürlich Risiken. Allerdings kommt es bei Vasektomien nur selten zu Komplikationen.

Bis zur Marktreife haben die Ventile noch einen weiten Weg vor sich. Nach den ersten klinischen Tests müssen weitere folgen. Gerade Medizin­produkte unterliegen in Deutschland strengen Vorschriften. Für eine Zulassung müssen Verträglichkeit und Wirksamkeit einwandfrei bewiesen sein. In spätestens drei Jahren, so hofft Bimek, sollten die Ventile aber verfügbar sein. Das hält auch Bauer für realistisch - wenn seine Testreihen die Erfahrungen des Erfinders bestätigen.

Sollte das Produkt tatsächlich eine Zulassung bekommen, könnten auch Männer die Verantwortung für die Empfängnis­verhütung übernehmen - und viele Frauen entlasten. Ob es sich durchsetzt, hängt sicherlich auch vom Preis ab. Derzeit werden die Kosten für Implantate und Eingriff mit 5000 Euro angegeben. Hinzu kommen rund 100 Euro für das Spermio­gramm nach der Implantation. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen diese Kosten nicht.

Auch Vasektomien werden nicht übernommen, ebenso wenig wie die Anti­baby­pille, wenn sie ausschließlich zur Verhütung eingesetzt wird. Die Kosten dürften für junge Paare eher abschreckend sein - auch wenn sie mit den Ventilen theoretisch ein Leben lang verhüten könnten.

– Die Welt[2]

Einzelnachweise

  1. Lars Wienand: Spermien-Schalter bereit für Tests: Für die Revolution bei der Verhütung fehlt das Geld, t-online.de am 7. Mai 2018 (Es ist nicht leicht, die Verhütung zu revolutionieren. Wenn sich nicht bald Geldgeber finden, platzt der Lebenstraum eines gelernten Tischlers aus Brandenburg: Er will mit dem Spermien-Schalter Männern ein Anti-Baby-Mittel an die Hand geben.)
  2. Teresa Nauber: Samenleiterventil: Spermien stoppen durch einen Wippschalter am Hoden, Die Welt am 1. Oktober 2015

Netzverweise

Gesundheitshinweis Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema. Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt keine Arztdiagnose. Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!
Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Samenleiterventil: Spermien stoppen durch einen Wippschalter am Hoden von Teresa Nauber, Die Welt am 1. Oktober 2015.