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Ausnahmegericht
Der Begriff Ausnahmegericht bezeichnet ein außerordentliches, für einen bestimmten Fall oder für mehrere bestimmte Fälle eingesetztes Gericht. Er gilt als Synonym für eine abhängige Justiz.[1]
Ausnahmegerichte sind als dem Rechtsstaatsprinzip widersprechend nach Artikel 101 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes unzulässig, und nach § 16 Satz 1[ext] des Gerichtsverfassungsgesetzes[wp] unstatthaft.
Ausnahmegericht par excellence ist der Kommissar[wp] des absolutistischen Monarchen.[1] Es ist seit jeher ein beliebtes Mittel absolutistischer Machthaber gewesen, in Fällen, wo ein bestimmtes Ergebnis aus politischen Gründen gewünscht wurde, sich dieses Ergebnisses dadurch zu versichern, dass das nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln zur Aburteilung berufene ordentliche Gericht ausgeschaltet und die Aburteilung einem anderen Gericht übertragen wurde.[2]
Nach den Definitionen des Bundesverfassungsgerichts und Bundesgerichtshofes sind Ausnahmegerichte solche Gerichte, "die in Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle berufen"[3] sind.[2] Nach den Ansichten des Bundesverfassungsgerichts[4] und Bayerischen Verfassungsgerichtshofes[wp][4] kann auch ein einzelner Spruchkörper eines Gerichts ein Ausnahmegericht sein, wenn ihm durch die Geschäftsverteilung ein konkreter Einzelfall oder mehrere konkrete Einzelfälle zugewiesen werden.[2] In Bezug auf Straftaten, ist Ausnahmegericht ein jedes Gericht, das nach Begehung einer Straftat für einen Einzelfall oder für eine nach individuellen Merkmalen bestimmte Gruppe von Einzelfällen zur Entscheidung eingesetzt wird.[5][2] Aber auch ein vor begangener Tat zur Aburteilung bestimmtes Gericht ist ein Ausnahmegericht, wenn seine Zuständigkeit in der Weise geregelt ist, dass ein oder mehrere individuell umgrenzte Einzelfälle von vorneherein der allgemeinen Zuständigkeit entzogen werden.[2]
Ausnahmegerichte widersprechen dem Rechtsstaatsprinzip, weil anerkannt ist, dass erst über die Rechtsbindung der Gerichtsorganisation auch die Rechtsbindung der Justiz garantiert ist.[1] Die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 6 - Recht auf ein faires Verfahren[wp]) und der Internationale Pakt[wp] über bürgerliche und politische Rechte (Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 IPBPR[ext]) stellen die Gewähr des unabhängigen und unparteiischen Richters in unmittelbaren Zusammenhang damit, dass die Ansprüche eines jeden Bürgers von einem "auf Gesetz beruhenden Gericht" verhandelt werden.[2] Ebenso ist gemäß der Charta der Grundrechte[wp] der Europäischen Union (Artikel 47[ext]) ein "durch Gesetz errichtetes Gericht" notwendige Bedingung für das Bestehen wirksamer Rechtsbehelfe[wp].
Nach der Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes[6] schließt die Gewährleistung des gesetzlichen Richters ("Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden", Artikel 101 Absatz 1 Satz 2[ext]) das Verbot von Ausnahmegerichten ("Ausnahmegerichte sind unzulässig", Artikel 101 Absatz 1 Satz 1[ext]) in der Sache ein.[2] Nach dieser Deutung ist der "gesetzliche" Richter derselbe, den die Europäische Menschenrechtskonvention und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte als das "auf Gesetz beruhende Gericht" bezeichnen und den die Charta der Grundrechte[wp] der Europäischen Union als das "durch Gesetz errichtete Gericht" bezeichnet.
Besteht ein Gericht nach dem Gesetz aus Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern (auch Laien-Richter oder Schöffen[wp] genannt), dann gelten die Grundsätze eines auf dem Gesetz beruhenden Gerichts für die ehrenamtlichen Richter ebenso wie für die Berufsrichter. Auch die ehrenamtlichen Richter müssen beruhend auf dem Gesetz für zuständig erklärt werden.
Abgrenzung
Die für besondere Sachgebiete eingesetzten so genannten besonderen Gerichte (z. B. Schifffahrtsgerichte[wp], vgl. § 14[ext] GVG) sind keine Ausnahmegerichte.[7]
Hintergrund
Joachim Paul[wp] ist seit 2016 Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtages und ist zudem seit 2015 stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Stadtrat von Koblenz. Paul beabsichtigte, bei der Wahl des Oberbürgermeisters von Ludwigshafen am Rhein am 21. September 2025 anzutreten. Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck[wp] (parteilos), die dem Wahlausschuss vorsteht, wandte sich nach eigener Angabe daraufhin an das rheinland-pfälzische Innenministerium sowie die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier und bat diese um eine Einschätzung der Verfassungstreue von Paul. Der Bericht der Abteilung Verfassungsschutz des Innenministeriums enthielt keine Einschätzung oder Empfehlung des Innenministeriums zu Pauls Kandidatur, laut dem SWR stammten alle Materialien soweit ersichtlich aus öffentlich einsehbaren Quellen. In seiner Sitzung am 5. August 2025 lehnte der Wahlausschuss die Kandidatur Pauls wegen Zweifeln an dessen Verfassungstreue ab.
Die Frage ist, ob ein Wahlausschuss die Befugnis hat, einem Bürger das Passive Wahlrecht abzuerkennen, oder ob der Wahlausschuss hier wie ein Ausnahmegericht agiert, welches laut Artikel 101 GG unzulässig ist.[8]
Zitat: | «Der Wahlausschuss prüft eigentlich nur die Formalien und ob ein Gerichtsurteil vorliegt, was einer Wahl hinderlich wäre. Hier aber macht sich der Wahlausschuss selbst zum Gericht. Das ist ganz klar Amtsanmaßung[wp].
Richtig wäre hier eine Strafanzeige gegen den Wahlausschuss. Wenn die AfD nach der Wahl vor Gericht obsiegen würde, müsste die Wahl für ungültig erklärt und wiederholt werden.»[9] |
Literatur
- Ulrike Müssig: Gesetzlicher Richter ohne Rechtsstaat? Eine historisch-vergleichende Spurensuche, Vortrag, gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 15. Februar 2006, De Gruyter Recht, ISBN 3-89949-404-0
- Reinhard Böttcher, Peter Riess: Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Großkommentar. Siebenter Band, [Abschnitte] 1-198 GVG, EGGVG, GVGVO; 25. Auflage, ISBN 3-89949-039-8
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Ulrike Müssig (Seif) in Gesetzlicher Richter ohne Rechtsstaat? (siehe Literatur)
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Reinhard Böttcher im Großkommentar zum Gerichtsverfassungsgesetz, § 16 GVG (siehe Literatur)
- ↑ BVerfGE 3 213 Rn 43; 8 174 Rn 19; 10 200 Rn 41; BGHZ[wp] 38 208, 210; BGH NJW 2000, 1580
- ↑ 4,0 4,1 BVerfGE 40 356 Rn 13; BayVerfGHE 37 1
- ↑ BVerfGE 3 174, 185
- ↑ BayVerfGHE 37 1, 2 = NJW 1984 2813
- ↑ Rechtslexikon: Ausnahmegericht
- ↑ Michael Klein: Die 16 Verfehlungen des Joachim Paul: Antidemokratischer Ausschluss von einer Oberbürgermeister-Wahl - [Analyse des "Gutachtens"], SienceFiles am 6. August 2025
- ↑ WGvdL-Forum: Wenn die AFD nach der Wahl Recht bekommen würde, Rainer am 9. August 2025 - 21:26 Uhr
Netzverweise
- Wikipedia führt einen Artikel über Kabinettsjustiz, Sondergericht, Standgericht, Schnellgericht
- Rechtslexikon führt einen Artikel über Ausnahmegericht
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