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Eugen Gomringer

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Eugen Gomringer
Eugen Gomringer.jpg
Geboren 20. Januar 1925
Beruf Künstler

Eugen Gomringer (* 1925) ist ein bolivianisch-schweizerischer Schriftsteller. Er gilt als Begründer der Konkreten Poesie und hat bis heute überwiegend in Deutschland gewirkt.


Das Gedicht von Eugen Gomringer leuchtet mit neuer Strahlkraft auf einer Fassade der Wohnungsgenossenschaft "Grüne Mitte".[1]
Deutsche Übersetzung
Alleen
Alleen und Blumen
Blumen
Blumen und Frauen
Alleen
Alleen und Frauen
Alleen und Blumen und Frauen und
ein Bewunderer
Spanisches Original
avenidas
avenidas y flores
flores
flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres
avenidas y flores y mujeres y
un admirador
Die Südfassade der Alice-Salomon-Hochschule soll um­gestaltet werden: Das Gedicht von Eugen Gomringer soll entfernt werden.
Es sind acht Zeilen über Alleen, Blumen und Frauen - haushoch an der Fassade der Berliner Alice-Salomon-Hochschule. Weil das Gedicht angeblich sexistisch ist, wird es nun entfernt. Dichter und Kulturrat reagieren erschüttert.

Trotz internationaler Kritik will die Alice-Salomon-Hochschule[wp] in Berlin ein angeblich sexistisches Gedicht an ihrer Fassade übermalen. Der Akademische Senat beschloss am Dienstag mehrheitlich, statt des Schweizer Lyrikers Eugen Gomringer künftig alle fünf Jahre einen neuen Poetik-Preisträger mit Verszeilen zu Wort kommen zu lassen.

Gomringer kritisierte die Entscheidung. "Das ist ein Eingriff in die Freiheit von Kunst und Poesie", sagte der 93-Jährige. Er behalte sich rechtliche Schritte vor. Der Deutsche Kulturrat, Spitzen­organisation von 250 Bundes­kultur­verbänden, reagierte "erschüttert".

Angehörige der Hochschule hatten moniert, Gomringers auf Spanisch verfasstes Gedicht "avenidas" könne Frauen gegenüber als diskriminierend aufgefasst werden[ext]. Dabei geht es um den Satz: "avenidas y flores y mujeres y un admirador" (Deutsch: "Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer"). Damit würden Frauen, so die Kritiker, zum Objekt männlicher Bewunderung degradiert. Das ganze Gedicht lautet: "Alleen/Alleen und Blumen/ Blumen/ Blumen und Frauen/ Alleen/ Alleen und Frauen/ Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer".

Der Fall hatte bereits im vergangenen Jahr international Aufsehen erregt. Das Deutsche PEN-Zentrum und der Kulturrat warnten vor Zensur. Die Hochschule verteidigte ihre Entscheidung dagegen. Für sie bedeute das Votum "ein klares Bekenntnis zur Kunst", erklärte Rektor Uwe Bettig am Dienstag.

Gomringers Gedicht steht seit 2011 in großen Lettern auf der Südfassade der Hochschule im Stadtteil Hellersdorf. Die Verantwortlichen hatten damit die Vergabe ihres Alice-Salomon-Poetik-Preises an den Lyriker würdigen wollen.

Bei einer Fassadenrenovierung im Herbst soll nun stattdessen ein Text der letzt­jährigen Preisträgerin Barbara Köhler[wp] angebracht werden, wie von ihr selbst vorgeschlagen. In fünf Jahren käme dann erneut ein Wechsel.

"Kunstfreiheit mit Füßen getreten"

Der Geschäftsführer des Kulturrats, Olaf Zimmermann, sagte: "Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass eine Hochschule, die selbst Nutznießer der Kunst- und Wissenschafts­freiheit ist, dieses Recht dermaßen mit Füßen tritt."

Bei einer Online-Abstimmung hatten sich die Hochschul­angehörigen Ende 2017 mit Mehrheit gegen das Gomringer-Gedicht ausgesprochen. Der paritätisch besetzte Senat entschied sich nun mit acht von zwölf Stimmen für eine von mehreren vorgeschlagenen Alternativen. Das umstrittene Gedicht war bei der Sitzung nach Angaben einer Sprecherin gar nicht mehr Thema.

Die Hochschule teilte mit, sie werde Gomringers Wunsch nachkommen und auf einer "Tafel" in Spanisch, Deutsch und Englisch an das Gedicht und die Debatte darum erinnern. Der Lyriker selbst hat dafür "drei Plakate" gefordert.

Die Alice-Salomon-Hochschule ist nach eigenen Angaben mit 3700 Studierenden die deutschlandweit größte staatliche Hochschule für Soziale Arbeit, Gesundheit und Erziehung.

– Die Welt[2]
Acht poetische Zeilen über Alleen, Blumen und Frauen, haushoch an der Fassade einer Berliner Hochschule, sollen weg. Die spanischen Worte degradieren Frauen, meinen Studenten­vertreter_I_nnen.

15 Meter hoch prangen die Worte an der Hauswand der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf: [...]

Die Zeilen stammen aus dem Gedicht "avenidas" des Lyrikers Eugen Gomringer, 92. Seit er 2011 mit dem Poetikpreis der Hochschule ausgezeichnet wurde, stehen sie an der Fassade, wofür die Hochschule eine Nutzungs­gebühr an den Künstler entrichtete. Jetzt sollen sie weg.

Der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) schrieb in einem offenen Brief, das Gedicht reproduziere eine klassische patriarchale Kunst­tradition mit Frauen ausschließlich als schönen Musen und erinnere "zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen_I_nnen alltäglich ausgesetzt sind".

"Degradierung zu bewunderungswürdigen Objekten"

Ausdrücklich heißt es in dem Brief, Gomringer beschreibe weder Übergriffe noch sexualisierte Kommentare, doch "erinnert es unangenehm daran, dass wir uns als Frauen* nicht in die Öffentlichkeit begeben können, ohne für unser körperliches 'Frau*-Sein' bewundert zu werden. Eine Bewunderung, die häufig unangenehm ist, die zu Angst vor Übergriffen und das konkrete Erleben solcher führt."

– Die Welt[3]
Der 93-jährige Dichter Eugen Gomringer hat sich in Berlin all jenen gestellt, die sein Gedicht "Avenidas" als sexistisch empfinden. Es sollte eine klärende Aussprache geben, aber es wurde ein trauriges Tribunal der Selbstgerechtigkeit. [...]

[...] es reichten schon einzelne Reizwörter wie "Bücher­verbrennung“ oder "People of color"[wp], damit sich die Energie in aufgebrachtem Gemurmel entlud. Hier tagte wohl doch ein Tribunal, nur wusste anfangs niemand, wem der Prozess gemacht werden würde. [...]


Als Bewunderer trat auch Gomringer auf, vor allem als einer der Schönheit der Sprache. Am Anfang der Debatte, als man ihm die Lust am Text noch anmerkte, wies er das Publikum begeistert darauf hin, sein Gedicht sei nicht zufällig in seiner spanischen Muttersprache verfasst.

"Das ist das Schönste an dem ganzen Gedicht, dass es kein deutsches ist. Das Ausschauen des Wortes, das Visuelle kann man gar nicht übersetzen", sagte er mit schweizerischem Einschlag. Vor allem das "y" sei keineswegs einfach ein "und", sondern in seiner Gabelform ein "semiotisches Zeichen", die alte Hochschul­leitung habe das auch verstanden.

Doch damit war auch schon der tragische Grundton gesetzt: Gomringer fiel in dieser Aufführung trotz höchster geistiger Lebendigkeit die Rolle des störrischen Alten zu, der einer über­kommenen Vorstellung von Ästhetik[wp] nachhängt und die Zeichen der Zeit einfach nicht versteht. Ungefähr das gaben ihm die Vertreterinnen der Fach­hoch­schule auch, in lauter Höflichkeiten verpackt, zu verstehen - fast so, als wollten sie die klassische Konstellation umkehren, in der männliche Komplimente nur eine besonders perfide Form der Demütigung sind. [...]


Es war eine seltsame Doppelstrategie der Kritikerinnen, den alten Mann einerseits als "Zeitzeuge" seiner eigenen Gedichte zu umarmen und als unfreiwilligen Stich­wort­geber einer pädagogisch wertvollen Debatte zu beglück­wünschen, ihm andererseits aber immer wieder klar­zu­machen, dass er die "impliziten Bedeutungen" seiner eigenen Gedichte leider nicht erkennt und doch bitte Verständnis dafür haben möge, dass sich Studenten durch die Kombination der Begriffe "Frauen", "Straßen", "Blumen" und "Bewunderer" an Stalking und sexuellen Missbrauch erinnert fühlen.

Die Vertreter_In des Asta etwa behauptete auf fragwürdiger Grammatik­grundlage, die "Frau" stünde bei Gomringer im Akkusativ Plural, während der Bewunderer ein Nominativ Singular sei: "Das Ganze spiegelt ein Geschlechter­verhältnis wider, das wir als Asta nicht unterstützen." [...]


Der ganze Prozess dient augenscheinlich vor allem dazu, die Entfernung des Gedichts zu legitimieren. Das schien auch Eugen Gomringer zu spüren, der im Verlauf der andert­halb­stündigen Diskussion allmählich verstummte. Aber das Schweigen ist das Recht des Angeklagten - und das Recht des Poeten.

– Die Welt[4]

Inzwischen hat immerhin die Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte e.G.[ext] in Berlin-Hellersdorf entschieden, dass das Gedicht dort gut sichtbar an einer Fassade ihrer Wohnhäuser prangen wird. Auch dagegen hatte es zuvor Proteste gegeben.

Zitat: «Klaus-Peter Rudolph, ein Genossenschaftsmitglied, hatte dem Vorstand in einem Brief, der in der nächsten Ausgabe der Genossen­schafts­zeitung erscheinen soll, u.a. geschrieben: "Es ist zwar nur ein Gedicht, das hier zur Disposition steht. Aber in Wirklichkeit geht es um mehr. Es geht darum, dass über­geschnappte Studentinnen in geifernder Weise unsere Kultur­gesell­schaft okkupieren und nach ihrem Willen umgestalten wollen. Steuern wir wieder auf eine 'Entartete Kunst'[wp] zu, diesmal unter Sexismus-Verdacht? Heute ein Gedicht, morgen vielleicht ein Film und übermorgen - verbrennen wir dann wieder Bücher[wp]? Wir Deutschen haben eine tragische Geschichte, aus der es viel zu lernen gibt! Ich bin dafür, dass das Gedicht in Hellersdorf bleibt. Deshalb möchte ich als Mitglied der Wohnungs­genossen­schaft Grüne Mitte vorschlagen, dass wir eine gut sichtbare Wand finden, an der das Gedicht 'Avenidas' ein neues Zuhause bekommt. Vielleicht fällt es den hysterischen Studentinnen hier jeden Morgen auf dem Weg zu ihrer Hochschule ins Auge. Sie werden keine Chance haben, es noch einmal zu tilgen!"»[5]

Einzelnachweise

Netzverweise