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Jewgeni Maximowitsch Primakow

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Jewgeni Maximowitsch Primakow
Jewgeni Primakow (1997)
Gelebt 29. Oktober 1929–26. Juni 2015
Beruf Politiker, Diplomat

Jewgeni Maximowitsch Primakow (russisch Евгений Максимович Примаков, 1929-2015) war ein russischer Politiker und Diplomat. Er war unter anderem Direktor des Auslands­nachrichten­dienstes, Außenminister und Minister­präsident Russlands.

Primakow gilt als Stammvater der BRICS, da er einst das RIC-Format vorschlug - die trilaterale Zusammenarbeit zwischen Russland, Indien und China.

Hintergrund

Vor über 20 Jahren gab es in Russland einen führenden Politiker namens Jewgenij Primakow. Er war unter Jelzin[wp] Außenminister und auch Minister­präsident und er war einer, der schon damals gegen die amerikanische Dominanz über Russland vorging, soweit das unter Jelzin möglich war. Manche erinnern sich vielleicht noch daran, wie er als russischer Minister­präsident auf dem Weg zu einem USA-Besuch war, als die NATO anfing, Jugoslawien zu bombardieren. Primakow ließ sein Flugzeug über dem Atlantik wenden, weil es aus seiner Sicht nach Beginn des NATO-Krieges gegen Jugoslawien[wp] nichts mehr mit den USA zu besprechen gab.

Primakow ist inzwischen verstorben und nach wurde eine vor zehn Jahren gegründete Konferenz über Geopolitik benannt, die so genannten Primakow-Lesungen. Das ist ein inzwischen international hochkarätig besuchtes Forum, dessen Übertragung im Netz von fast 200 Millionen Menschen auf der ganze Welt verfolgt wird. So, wie Präsident Putin jedes Jahr traditionell beim Valdai-Club[wp] zur Podiums­diskussion kommt[1], so kommt der russische Außenminister Lawrow traditionell zu den Primakow-Lesungen.

Vor einigen Tagen fanden die diesjährigen Primakow-Lesungen statt und Andrej Schitow, einer der wohl besten USA-Kenner in Russland, der knapp vierzig Jahre als russischer Korrespondent in den USA war, dort entsprechend gut vernetzt ist und von dem ich schon einige Artikel übersetzt habe[2], hat in der russischen Nachrichten­agentur TASS Artikel über die Diskussionen auf den Primakow-Lesungen veröffentlicht, der vor allem deshalb sehr lesenswert ist, weil er unter anderem auch die unterschiedliche "Denke" der Russen und der Menschen in den USA (und damit im Westen generell) in seine Analyse hat einfließen lassen.

Zitat: «"Primakow-Lesungen 2024": Attraktivität und Gefahren einer polyzentrischen Welt

Andrej Schitow über die entstehende "Beitrittsbewegung" und warum wir und die Amerikaner unterschiedliche Wahrheiten haben

Als ich über die 10. "Primakow-Lesungen" schreiben wollte, die das Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften letzte Woche im Internationalen Handels­zentrum veranstaltete, kramte ich in meiner Schatzkiste und erinnerte mich an einen Satz von Jewgenij Primakow: "Die Amerikaner kämpfen für die Demokratie, aber wir kämpfen für die Gerechtigkeit". Damals schien mir das eine brillant formulierte Essenz der russischen Außenpolitik zu sein. Aber dann wurde mir klar, dass jeder - auch wir und die Amerikaner - für sein eigenes Verständnis von Gerechtigkeit kämpft. Und "gerecht zu verhandeln", wie der russische Außenminister Sergej Lawrow 2017 bei der zweiten der Lesungen sagte, "ist unnatürlich für die menschliche Natur" (obwohl es "notwendig ist, danach zu streben").

Übrigens kam auch der amerikanische Klassiker der Geostrategie, Henry Kissinger, zu diesem Forum; er wurde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin separat empfangen. Kissinger wurde dann als großer Freund unseres Jewgenij Maximowitsch Primakow vorgestellt (das klingt heute nicht mehr politisch korrekt, aber der Maßstab der Persönlichkeiten ist wirklich vergleichbar; "sag mir, wer dein Freund ist..."). Und Putins Abschiedssatz über Primakow als "großen Bürger unseres Landes" wurde bei den damaligen Lesungen, die auch dem 95. Geburtstag des 2015 verstorbenen Politikers gewidmet waren, mit Dankbarkeit zitiert.

Unterschiedliche Wahrheiten

Jetzt kann natürlich von einer Freundschaft mit den Amerikanern keine Rede sein und zu den wichtigsten Meilensteinen in Primakows Biographie gehört sicherlich seine berühmte "Wende", also seine Weigerung, Washington zu besuchen, und seine Wende über den Atlantik im Jahr 1999 aus Protest gegen den Beginn der NATO-Bombardierung Jugoslawiens. Vor kurzem wurde übrigens der 25. Jahrestag dieses Ereignisses gefeiert, das von vielen als eine der ersten Manifestationen echter Souveränität des post­sowjetischen Russlands angesehen wird.

Unter den gegenwärtigen Bedingungen des hybriden Krieges des Westens gegen unser Land erscheint die symbolische Bedeutung dieses Schrittes besonders wichtig, und seine Verherrlichung ist verständlich und natürlich. Aber der Leiter von Rossotrudnitschestwo Evgenij Alexandrowitsch Primakow (Sandro, der Enkel des ehemaligen russischen Minister­präsidenten Jewgenij Maximowitsch Primakow) sagte mir jetzt, dass es für seinen Großvater keine Geste, keine "heroische Tat", sondern "nur sein Job" war. "Wozu sollte man dahin fliegen?", fragte er vernünftig.

Ich stimme ihm zu: Ich war damals als Journalist in Washington und ich erinnere mich gut daran, wie das amerikanische Fernsehen die Angriffe auf Belgrad[wp] genoss - es gibt kein anderes Wort dafür. Aber ich erinnere mich auch daran, wie stolz wir auf die Entscheidung unseres Minister­präsidenten waren, wie dankbar wir ihm waren. Für ihn war es sein Job, für uns war es ein inspirierendes Beispiel, die Tat eines echten Mannes und Anführers.

Was die Gerechtigkeit angeht, so reduzieren die Amerikaner sie auf die Gleichheit vor dem Gesetz, die Gleichheit der Chancen beim Start ins Leben (und selbst die sind in der Regel imaginär, nominal), danach aber kämpft jeder für sich selbst. Unsere Gerechtigkeit ist in ihren Augen gleichbedeutend mit neidischer Gleichmacherei, Gleichheit der Endergebnisse. Aber wir haben einen viel umfassenderen Begriff; er beruht auf dem Gewissen und erschöpft sich nicht einmal in sich selbst, denn er schließt etwas Höheres ein: die Barmherzigkeit. Erinnern Sie sich an Puschkins "Barmherzigkeit für die Gefallenen"? Ich habe dieses Wort jenseits des Ozeans außerhalb des religiösen Kontextes noch nie gehört.

Wir haben insgesamt eine andere Gerechtigkeit als die Angelsachsen, und zwar eine ganz andere. Ich glaube, das ist es, was uns daran hindert, einander überhaupt zu verstehen.

Beitrittsbewegung?

Den Ton des aktuellen Primakow-Gedenkforums gab Jury Uschakow, Vorsitzender des Organisations­komitees und Assistent des Präsidenten der Russischen Föderation, vor, der die Grußworte von Putin ankündigte und seine eigene Einschätzung hinzufügte. Die Prioritäten waren klar gesetzt: die Bildung eines Systems gleicher, unteilbarer Sicherheit und einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit auf dem eurasischen Kontinent, die Möglichkeit, in diesem Zusammenhang die neue russische Initiative zur friedlichen Lösung der Ukraine-Krise umzusetzen, und die Aussichten für die Entwicklung der BRICS, deren Vorsitz Moskau in diesem Jahr innehat. Primakow gilt übrigens als Stammvater der BRICS, da er einst das RIC-Format vorschlug - die trilaterale Zusammenarbeit zwischen Russland, Indien und China.

In Bezug auf das neue Sicherheitssystem für Eurasien erklärte Uschakow: "Manche mögen sagen, dass es ein bisschen früh ist, aber wir sind sicher, dass es an der Zeit ist!" In Bezug auf die BRICS sagte er, dass Thailand und Malaysia vor kurzem einen Antrag auf Beitritt gestellt haben und dass es bereits mehr als 30 solcher Anträge gibt.

Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, Alexander Dynkin, wies seinerseits darauf hin, dass der Abschluss der Wahlzyklen in den RIC-Ländern und die Besuche des russischen Präsidenten in China und des indischen Premierministers Narendra Modi in Moskau (voraussichtlich am 8. und 9. Juli) den Beginn der Bildung eines "politischen Ostens" erwarten lassen. Nicht unbedingt als Alternative zum alteingesessenen politischen Westen, aber auf jeden Fall als gleichberechtigter Partner, denn ohne Berücksichtigung seiner Interessen ist das Gerede von globaler Sicherheit leere Träumerei. "Die RIC-Länder beginnen mit dem praktischen Aufbau einer eurasischen Sicherheits­architektur, und das Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Kasachstan ist einer der Schritte auf diesem Weg", so der Experte.

Als ich all das hörte, erinnerte ich mich daran, wie die Gegner der Blockkonfrontation während des Kalten Krieges[wp] die Bewegung der Blockfreien Staaten[wp] gründeten. Und ich dachte, dass heute durch den Beitritt zu den BRICS derselbe Wunsch nach Unabhängigkeit zum Ausdruck kommt, die die Mehrheit der Weltbevölkerung verkörpern, die sich gegen niemandem richtet, aber eine wirklich gerechte und demokratische Weltordnung braucht.

Bei den Lesungen habe ich übrigens eine Formulierung gehört, die einst vom stellvertretenden Außenminister Sergej Rjabkow geprägt wurde und die inzwischen kanonisch geworden ist: "Die BRICS ist nicht antiwestlich. Das ist nicht der Westen." Den gleichen Ansatz habe ich in den letzten Monaten immer wieder gehört, zum Beispiel von indischen Diplomaten und Experten, auch auf dem Forum: "Wir sind weder für den Osten noch für den Westen, wir sind für uns selbst und für die ganze Welt, die überhaupt nicht in 'wir' und 'sie' aufgeteilt werden sollte". Meiner Meinung nach ähnelt das dem afrikanischen Konzept der universellen menschlichen Einheit "Ubuntu", das ich vor einem Jahr in Südafrika kennen gelernt habe.

Schließlich stehen Russlands neue Initiativen zur internationalen Sicherheit, wie Moskau wiederholt betont hat, grundsätzlich allen offen, die sich daran beteiligen wollen, auch denen im Westen. Ist das keine "Beitritts­bewegung"? Obwohl niemand die ehemalige Bewegung der Blockfreien Staaten abgeschafft hat...

"Objektive Tendenzen"

Im Mittelpunkt der Primakow-Lesungen stand in ungebrochener Tradition die Rede von Lawrow. Der russische Außenminister gab einen detaillierten Überblick über die internationale Lage und beantwortete Fragen von russischen und internationalen Experten. An dem diesjährigen Forum nahmen übrigens über 50 führende Experten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit aus drei Dutzend Ländern teil; ich freute mich über die solide Vertretung Indiens und Chinas, und unter den Afrikanern traf ich sogar genau den Journalisten und Medienmanager aus Südafrika, Ayanda Hollow, der mich über die Volksweisheit Ubuntu aufgeklärt hatte. Er leitet jetzt TV BRICS Africa, einen Fernsehsender in seinem Land, der sich den Aktivitäten der BRICS-Staaten widmet.

Primakow gilt als Urheber des Konzepts der multipolaren Welt, das übrigens zu einer Zeit vorgelegt wurde, als die USA ihren "Sieg" im Kalten Krieg und sogar "das Ende der Geschichte" feierten. Die Bücherwürmer argumentieren jedoch, dass es per Definition nur zwei Pole geben kann; aber wir sprechen über Geopolitik, nicht über Geographie. "Die derzeitige Situation auf der Weltbühne gibt [ihm] völlig Recht", sagte Lawrow über seinen Vorgänger. "Die Konturen einer gerechteren, multipolaren, polyzentrischen Architektur nehmen vor unseren Augen Gestalt an. Dieser objektive Prozess hat sich mit dem Beginn der Militäroperation in der Ukraine im Jahr 2022 spürbar beschleunigt".

"Im Zentrum der Herausbildung der Multipolarität steht das Streben der Völker, ihre Rechte zu sichern und die kulturelle und zivilisatorische Vielfalt der modernen Welt anzuerkennen", so der russische Außenminister weiter. "Damit verbunden sind objektive Tendenzen zur Stärkung der wirtschaftlichen und geopolitischen Positionen der Staaten des Globalen Südens, des Globalen Ostens und ganz allgemein der Weltmehrheit".

Diese Thesen klingen optimistisch, aber eine polyzentrische Weltordnung an sich verspricht nicht mehr Sicherheit, eher das Gegenteil. So erklärte der Akademiker Alexej Arbatow am Rande des Forums vor Journalisten, dass die Welt erstens bereits polyzentrisch sei, allein schon wegen der neun Atommächte, und zweitens, dass "in einer solchen Welt die Gefahr von Konflikten, die den Einsatz von Atomwaffen beinhalten, dramatisch zunimmt und jegliche Vereinbarungen zur Begrenzung und Reduzierung von Atomwaffen schwieriger werden". "Wenn diese polyzentrische Welt nicht durch ein nukleares Rüstungskontrollsystem abgedeckt ist, wird sie weitaus gefährlicher sein als die derzeitige", so der renommierte Experte.

"Fantastische Widerstandsfähigkeit"

Sowohl aus objektiven Gründen als auch aufgrund der Besonderheiten des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften wurde wirtschaftlichen Themen bei den Lesungen große Aufmerksamkeit geschenkt. Dynkin betonte, dass Russland, das heute zur allgemeinen Überraschung "im Fokus der Weltöffentlichkeit" stehe, "eine fantastische Stabilität seiner Wirtschaft bewiesen hat". "Meiner Einschätzung nach könnte heute keine Wirtschaft der Welt, nicht einmal die chinesische, einem so aggressiven Druck standhalten, wie wir ihn erleben", argumentierte er.

Eine angenehme Überraschung war für mich die erste Rede des stellvertretenden Minister­präsidenten Aleksej Owertschuk auf dem Forum. Ich kenne seine Rolle in der Regierung, seit er die Beziehungen zum IWF und zur Weltbank in Washington beaufsichtigt hat, über die ich berichtet habe, aber das war das erste Mal, dass ich ihn live gesehen und gehört habe. Zunächst betonte der stellvertretende Minister­präsident, dass Europa nicht mehr unser Partner ist, und zeichnete eine anschauliche und für jeden Gartenbesitzer verständliche Metapher des europäischen "Gartens", der durch die nachlässige Unfähigkeit seiner Besitzer zunehmend verödet. Und dann machte er einen kurzen, aber sehr kuriosen Exkurs entlang der Grenzen Russlands: Er zeigte deutlich, welche Vorteile die Nachbarschaft und die wirtschaftliche Integration für die Länder unseres nahen Auslands mit sich bringen und wie ihre Unternehmen diese Vorteile überall nutzen, auch in Armenien.

Generell definierte Owertschuk unsere Region als Nordeurasien - im Gegensatz zu Europa, das für uns immer mehr an Bedeutung verliert. Er schlug vor, sich die These des kasachischen Denkers Olzhas Suleimenow[wp] zum Vorbild zu nehmen: "Von der jahr­hunderte­langen Abhängigkeit über die Zeit der Unabhängigkeit hin zur bewussten gegenseitigen Abgängigkeit". Er zeigte sich zuversichtlich, dass "unser Nordeurasien sehr gute Erfolgschancen" in der im Aufbau befindlichen neuen Welt habe.

Streit über das Wesentliche

In der von Rjabkow geleiteten Podiums­diskussion "Polyzentrische nukleare Welt: Risiken ohne Kontrolle" kam es zu einem zwar nicht direkten, aber doch offensichtlichen Streit zwischen den Experten Alexej Arbatow vom Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften und Dmitrij Trenin von der Nationalen Forschungs­universität der Wirtschafts­hochschule. Ich erzähle es mit meinen eigenen Worten: Arbatow warnte davor, dass es unverantwortlich wäre, über die offizielle russische Doktrin hinauszugehen, die Atomwaffen ausschließlich als Abschreckung betrachtet und ihren Einsatz nur im Falle existenzieller Bedrohungen erlaubt. Trenin entgegnete, es sei leichtsinnig, über so einen Abschreckungs­hebel zu verfügen, ihn aber nicht einzusetzen, ganz egal, welche provokativen Schritte der Gegner auf der Eskalations­leiter mache.

Ich persönlich verstehe die Logik beider Seiten, aber ich halte das "Chicken Game", wie es auf Englisch heißt, bei dem es um Nervenstärke geht, für inakzeptabel. Meiner Meinung nach kann man in diesem Bereich, wie man auf der anderen Seite des Ozeans sagt, nur auf der Seite der Vorsicht irren (error on the side of caution).

Übrigens war auch die ehemalige US-Unter­staats­sekretärin für Rüstungs­kontrolle und stellvertretende NATO-General­sekretärin Rose Gottemoeller eingeladen, über dieses Thema zu sprechen. Ich versuchte, meine Frage an sie weiterzuleiten, warum die Abschreckungs­mechanismen nicht funktionieren, aber sie gab mir keine sachliche Antwort und lenkte das Gespräch sofort darauf, dass, wenn wir über gemeinsame, gleiche und unteilbare Sicherheit sprechen, das auch für Russlands Nachbarn, einschließlich der Ukraine, gelten sollte. Das ist eine der Hauptthesen der heutigen Washingtoner Propaganda, ebenso wie der Slogan, dass Russland den Konflikt "jederzeit" beenden kann, wenn es seine Truppen abzieht.

Generell wurde die Tatsache, dass "die Ukraine-Krise und die Zukunft der eurasischen Sicherheit" untrennbar miteinander verbunden sind, von vielen fast wie ein Axiom ausgesprochen. Das war sogar der Titel des entsprechenden Panels. Doch Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift Russia in Global Politics, warnte beispielsweise, dass "der Ukraine-Konflikt nicht die Schaffung von Voraussetzungen für eine neue Ordnung Eurasiens und der Welt ist, sondern die Lösung der schwersten Widersprüche, die aus der Vergangenheit übernommen wurden". "Natürlich kommen wir ohne sie nicht weiter, aber zu erwarten, dass [die Krise] endet und wir dann sofort wissen, wie es weitergeht - leider nein", sagte der Politikwissenschaftler. Meiner Meinung nach ist das ganz vernünftig.

"Worüber verhandeln?"

Die Lesungen schlossen mit einer Diskussion über die Frage, ob der Raum der Kultur Länder und Völker eint oder trennt. Der Moderator, Michail Schwydkoj, Sonderbeauftragter des russischen Präsidenten für internationale kulturelle Zusammenarbeit, bemerkte scherzhaft, dass dem Thema Zeit und Aufmerksamkeit nach dem üblichen Resteprinzip gewidmet wurde.

Doch dafür ein herzliches Dankeschön: Auf den vorangegangenen Foren wurde es nicht einmal angesprochen. Aber hier gab es farbenfrohe Reden von Michail Piotrowski, dem Generaldirektor der Eremitage, Fjodor Sosnow, dem Exekutivdirektor des Kinofonds, und Wladimir Grigorjew, einem Vertreter des Ministeriums für digitale Entwicklung, Kommunikation und Massenmedien, den der Moderator als den Mann vorstellte, der in unserem Land "die moderne Buch­industrie geschaffen hat". Auch der brasilianische Botschafter in Russland, der Botschaftsrat der chinesischen Botschaft und der Chefredakteur einer großen indischen Zeitung waren anwesend (obwohl mich die Nachricht überraschte, dass es derzeit keine akkreditierten indischen Journalisten in Moskau gibt; ich habe das später überprüft und konnte mich davon überzeugen, dass das tatsächlich der Fall ist).

Schwydkoj stellte seinen Diskussions­teilnehmern die Frage, "worauf wir uns" mit Leuten "einigen werden", die nun wirklich nicht bereit sind, uns zuzuhören, ob es dafür eine Grundlage gibt. Im Nachhinein habe ich diese Frage an ihn weitergeleitet, und er betonte, dass uns seiner Überzeugung nach "heute jede Art von Gespräch viel bringt: denn wenn wir nicht über die Themen sprechen, die uns beschäftigen, wenn wir es für uns behalten, dann wird es explodieren - völlig wortlos, aber sehr heftig". Dem stimme ich zu; in der Tat ist es genau das, was wir in letzter Zeit mit zunehmender Intensität beobachten können.

Die Kunst des politischen Dialogs

Ich habe Dynkin anschließend gefragt, wie nach der Mann selbst, dessen Namen sie tragen, die Lesungen seiner Meinung bewertet hätte. In seiner Antwort erinnerte der Akademiker zunächst daran, dass Primakow an diesem Tag vor genau neun Jahren verstorben ist und sein Andenken heute mehr denn je notwendig ist. "Er war ein unübertroffener Meister des politischen Dialogs - sehr scharfsinnig, aber respektvoll und wohlüberlegt", sagte der Gesprächs­partner, der einst das Format für die Gedenk­veranstaltung entwickelt hatte.

"Ich glaube, dass die 10. Lesung eine der erfolgreichsten war", sagte Dynkin. "Wir hatten keine inhaltslosen Diskussions­runden, jeder konzentrierte sich auf die Schlüsselthemen der aktuellen und zukünftigen Agenda."

Ich sollte hinzufügen, dass Rjabkow die Lesungen auf einer Pressekonferenz bei der TASS am Vorabend des Forums als einen "nationalen Wert" für unser Land bezeichnet hat. Nach Angaben von Medialogy wird das Publikum des Forums auf 197,6 Millionen Menschen in aller Welt geschätzt.

Und schließlich noch ein lehrreiches Missverständnis. Das Zitat, mit dem ich begann, stellte sich als die Worte von Jewgeni Primakow, dem jüngeren Sandro, heraus. Wie sich herausstellte, ist es auch aus dem Film "The Tourist" weithin bekannt. Das ist eine klare Bestätigung dafür, dass unser Durst nach Gerechtigkeit in unseren Genen liegt.

Und an die USA zu ihrem heutigen Geburtstag lautet mein traditioneller Wunsch: "Yankee, go home!" Das ist besser für euch - und für die ganze Welt.»[3]

– Anti-Spiegel[4]

Berufliches

Primakow wurde nach dem Studium der Wirtschafts­wissen­schaften[wp] und Orientalistik (Indologie[wp]) führte ihn zunächs Korrespondent im Nahen Osten[wp], dann wurde er Direktor des Orient-Instituts der Akademie der Wissenschaften[wp], dann des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen[wp], danach Chef der Auslands­aufklärung des sowjetischen Geheimdienstes KGB[wp].

Michail Gorbatschow[wp] berief ihn 1989 ins Zentralkomitee der KPdSU[wp]. Noch im selben Jahr wurde er auch Kandidat des Politbüros des Zentralkomitees der KPdSU. 1991 ernannte ihn Gorbatschow zum Vorsitzenden des Föderations­sowjets[wp]. Hier warb er vergeblich für Wirtschafts­reformen, unter anderem die Erschließung Sibiriens und des Fernen Ostens, und für Gorbatschows neuen Unionsvertrag[wp].

Nach dem August­putsch[wp] ernannte Gorbatschow Primakow im September 1991 zum Ersten stellvertretenden Leiter des KGB und zum Leiter der Ersten Hauptverwaltung des KGB.

Primakow wurde vom neuen russischen Staats­präsidenten Boris Jelzin[wp] als Leiter des Auslands­nachrichten­dienstes SWR[wp] bestätigt, der im Dezember 1991 den im Oktober desselben Jahres aus der für Auslands­aufklärung zuständigen Ersten Hauptverwaltung des KGB hervor­gegangenen ZSR (Zentralnaja Sluschba Raswedki) ersetzte. Primakov hatte das Amt als SWR-Direktors bis 1996 inne und berichtete Jelzin persönlich.

Publikationen

  • Im Schatten der Macht: Politik für Russland, Herbig, München (2001)
  • Die Welt nach dem 11. September, Мир после 11 сентября (2002)
  • Russian Crossroads (2004)
  • Russia and the Arabs: Behind the Scenes in the Middle East from the Cold War to the Present (2009)

Einzelnachweise

  1. Thomas Röper: Valdai-Club: Putins Grundsatzrede über eine neue Weltordnung, Anti-Spiegel am 5. Oktober 2023
    Anreißer: Der russische Präsident Putin hat auf dem Valdai-Club[wp] seine jährliche Grundsatzrede zu Fragen der internationalen Politik gehalten, in der er dieses Mal seine Vorstellungen der kommenden Weltordnung erklärt hat. Den Staaten des Westens dürfte seine Rede nicht gefallen haben.
  2. Thomas Röper: Die Gefahr wird realer: Dringen Putins Warnungen vor einem Atomkrieg zu den Amerikanern durch?, Anti-Spiegel am 26. April 2024
    Anreißer: Westliche Medien und Politiker lügen ständig, Russland drohe mit einem Atomkrieg. Dabei ist das Gegenteil der Fall, denn Russland warnt immer eindringlicher vor der Gefahr eines Atomkrieges, aber offenbar versteht man im Westen gar nicht, mit welchem Feuer man spielt.
  3. "Примаковские чтения 2024": чем привлекателен и опасен полицентричный мир, TASS am 4. Juli 2024
    Anreißer: Андрей Шитов - о формирующемся "движении присоединения" и о том, почему у нас с американцами разная правда
    "Primakov-Lesungen 2024": Wie attraktiv und gefährlich eine polyzentrische Welt ist
    Andrei Shitov über die entstehende "Beitrittsbewegung" und warum wir und die Amerikaner unterschiedliche Wahrheiten haben
  4. Thomas Röper: Geopolitik: "Attraktivität und Gefahren einer polyzentrischen Welt", Anti-Spiegel am 6. Juli 2024
    Anreißer: In Russland gibt es so viele wirklich interessante und international hochkarätig besuchte Konferenzen zur internationalen Politik, dass man kaum über alle berichten kann. Nun fand wieder so eine Konferenz statt, von der in Deutschland wohl kaum jemand je gehört.

Netzverweise