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Anarchismus

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Hauptseite » Ideologie » Anarchismus

Der Anarchismus (abgeleitet vom altgriechischen Wort ἀναρχία anarchia Herrschaftslosigkeit, Derivation von α privativum und arche Herrschaft) ist eine politische Ideologie, die auf der Grundidee der radikalen Emanzipation des Menschen als Individuum und Art durch die völlige Abschaffung jedweder zwischen­menschlicher Herrschafts­verhältnisse in Form hierarchischer Organisations­modelle und der Neoorganisation des gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in von Einzelpersonen freiwillig zu bildenden und jeweils eigenverantwortlich für einen bestimmten Teilbereich des sozialen Lebens zuständigen Kollektiven, wie beispielsweise Kommunen, als Kleinst­einheiten in einer aus einer Vielzahl von selbigen zusammen­zusetzenden Sozialordnung, beruht.

Im Unterschied zum Liberalismus wird im Anarchismus der Staat tendenziell als repressive Zwangs­instanz und nicht als institutioneller Garant und Verteidiger von individueller Freiheit und sozialer Gerechtigkeit betrachtet.

Kritische Reflexion der fundamentalen Problematik des Anarchismus

Kritik der anarchistischen politischen Theorie

Anarchismus ist eine nützliche Theorie, um Vorschläge für soziale Beziehungen in Gemeinschaften bis zu vielleicht wenigen tausend Menschen zu machen. Darüber hinaus halte ich Anarchismus für eine Theorie, die zu Ende gedacht, einen Zustand mit einigen grundsätzlichen Nachteilen empfiehlt. Diese Probleme anarchistischer Theorie sind in der Literatur vielfach beschrieben, werden aber von anarchistischen Schreiberlingen in der Regel ignoriert. Anarchistische Theorie geht dabei entweder davon aus, dass Regierung immer mit Macht verbunden und daher grundsätzlich illegitim ist, oder hält die Nachteile von Regierungs­systemen grundsätzlich für größer als ihre Vorteile. Das erste Argument halte ich für fragwürdig, weil es das Problem der Macht gegenüber anderen Problemen verabsolutiert, die eben durch Ausübung von Macht besser gelöst werden könn(t)en. Das zweite Argument halte ich angesichts der im folgenden aufgelisteten Nachteile der absoluten Herrschafts­losigkeit für zweifelhaft. Einige von ihnen sind grundsätzlich und theoretisch unlösbar, also nicht nur Probleme, für die nur noch nach einer Lösung im Rahmen anarchistischer Analyse­konzepte gesucht werden muss. Staatliche Systeme haben ebenfalls Probleme, aber diese sind meiner Ansicht nach weniger grundsätzlicher Natur.

1. In einer anarchistischen Gesellschaft bleiben viele Kollektivgutprobleme ungelöst. Dies führt zu mehr sozialer Ungleichheit und Umweltzerstörung als durch staatliches Eingreifen möglich.

Das Wesen von Kollektivgutproblemen[wp] ist, dass alle Betroffenen einen Nutzen davon haben, wenn das Kollektiv­gut­problem gelöst wird. Gleichzeitig können alle Betroffenen nur wenig zur Lösung beitragen. Dies führt zu einem großen Anreiz, selbst nichts beizutragen und alle anderen machen zu lassen. Staatliche Regulation zwingt nach Mehrheits­entscheidung alle gleichermaßen, Steuern zu zahlen und Gesetze zu befolgen. Anarchie fordert dagegen, dass Entscheidungen auf höherer Ebene nie mit Zwang durchgesetzt werden dürfen und vertraut voll auf die Einsicht der Mitglieder. Dies führt zu einem niedrigeren Niveau an Regulation, weil sich die Willigen nicht gegen die Trittbrett­fahrer wehren können und so die Bereitschaft, Regulations­kosten zu tragen, insgesamt sinken wird. Dies finde ich gerade in den Bereichen von Umweltverbrauch, Verschmutzung, Naturschutz und durch Steuern finanzierter sozialer Dienstleistungen und Hilfs­maßnahmen unakzeptabel. Das gilt insbesondere, weil viele dieser Probleme per se nicht lokal zu lösen sind, wo die starke Betroffenheit der Beteiligten zu Entscheidungen führen könnte, die Kollektiv­gut­probleme lösen. Mindestens bei Umwelt­problemen und Unterstützungs­leistungen für ärmere Regionen sind die Probleme jedoch nur international anzugehen.

Anarchisten würden sicher behaupten, dass das Trittbrett­fahrer­problem in einer anarchischen Gesellschaft entschieden kleiner wäre, weil die Menschen sich in Richtung kollektiv rücksichtvollem Verhalten verändern würden. Diese extrem optimistische Annahme ist aus verschiedenen Gründen wenig realistisch. Erstens, bleibt eine natürliche Spannung zwischen Eigen- und Kollektiv­interessen immer bestehen. Ein Gesellschafts­modell, das von einem fast absolut kollektiv orientierten Menschenbild ausgeht, ist unrealistisch und trivial. Mit diesem Menschenbild wird ein Grund­dilemma aller komplexen und/oder pluralen Gesellschaften einfach wegdefiniert. Der anarchistische Theorie drückt somit um ihren Gegenstand. Zweitens, bliebe die Lösung von Kollektiv­gut­problemen selbst bei bestem Bemühen aller Individuen beim Staat besser aufgehoben. Angesichts der Komplexität vieler dieser Probleme können Individuen mit ihrer begrenzten Informations­verarbeitungs­kapazität (und -bereitschaft: Es gibt Schöneres!) keine vernünftigen Entscheidungen mehr treffen. Wer kennt schon alle Umweltgifte? Wer kann sie bewerten? Und sie noch mit Vorteilen in anderen Bereichen abwägen.

2. Es gibt kein funktionierendes anarchistisches Entscheidungsverfahren auf höheren Ebenen

Gesellschaften mit pluralen Lebensformen erzeugen einen erheblichen Koordinations- und Entscheidungs­bedarf von der kommunalen bis zur globalen Ebene. Anarchisten bestreiten oft diesen Bedarf, um sich mit den daraus folgenden Problemen nicht beschäftigen zu müssen. Jedes Wirtschafts­system bedingt einen erheblichen Entscheidungs­bedarf. Die Planung gemeinsamer Projekte (Verkehr, Gesundheitswesen, Forschung, etc.) sowie Katastrophen­nothilfe erfordern überörtliche Entscheidungen. Ganz zu schweigen von ökologie- und sozial­politischen Regulierungen.

Anarchisten stehen nun vor mehreren Problemen. Da sie nur solche Entscheidungs­verfahren akzeptieren, bei denen kein Zwang ausgeübt wird, wird die Zahl der Möglichkeiten rasch eingeschränkt. Das Entscheidungs­verfahren müsste allen Betroffenen die Möglichkeit geben, ein Veto einzulegen bzw. sich an einem Beschluss nicht zu beteiligen. Dies ist bei mehreren Delegations­ebenen schlicht unmöglich. Es ist sowohl praktisch unmöglich, dass bei schwierigen Themen alle zustimmen werden, als auch dass schnell genug ausreichend verbindliche und der Komplexität der Fragen angemessene Entscheidungen getroffen werden. Die Problem­verarbeitungs­kapazität rein basis­demokratischer Systeme ist nun einmal sehr gering.

Nun könnten Anarchisten Abstriche machen und wie beispielsweise die Syndikalisten[wp] ein Rätesystem[wp] vorschlagen. Die Räte würden zwar aus Basisgruppen gewählt, aber könnten jederzeit abberufen werden. Die Entscheidungen der Räte wären für alle verbindlich, auch wenn sie im Mehrheits­verfahren getroffen würden.

Damit verlagert sich das Problem auf die Frage der Sanktionierung. Denn dieses schon nicht mehr ganz anarchistische Verfahren garantiert immer noch nicht, dass die Entscheidungen auch umgesetzt werden. Da in komplexen, pluralen Gesellschaften die Möglichkeiten sozialer Kontrolle sehr beschränkt sind, darf das Problem mangelnder Sanktionierung nicht unterschätzt werden. Am Beispiel der Steuer­hinterziehung lässt sich gut zeigen, welche Auswirkungen eine fehlende Sanktionsgewalt hat. Im Falle einer völligen Abwesenheit von Zwang wäre sehr fragwürdig, ob überhaupt eine Entscheidung über die Einzahlung von Geldern getroffen werden könnte. In jedem Falle würde sich die Höhe der Zahlungen vermutlich dicht an den Präferenzen der am wenigsten Zahlungswilligen orientieren. In einem Rätemodell käme es vermutlich zu einer verbindlichen Entscheidung bei höherem Zahlungsniveau. Allerdings wäre zu erwarten, dass es Viele mit dem Zahlen ohne staatliche Kontrollgewalt nicht so genau nähmen.

Um dieses Problem zu umgehen, könnte der weniger oder überhaupt nicht zahlungs­willigen Minderheit auch freigestellt werden, sich an einer getroffenen Entscheidung auch zu beteiligen. Anarchisten wäre damit aus ihrer theoretischen Patsche geholfen, da nun auch niemand mehr gezwungen werden müsste. Allerdings wurde damit auch das Ziel verfehlt, eine kollektiv verbindliche Entscheidung zu fällen. Viele Probleme komplexer, pluraler Gesellschaften blieben so unzureichend oder überhaupt nicht gelöst.

Das von vielen Anarchisten favorisierte Rätemodell hat aber, über die diskutierten Einwände hinaus, auch einen großen technischen Nachteil: Es ist sehr undemokratisch. Beim Standard­räte­modell wird aus jedem Wohnviertel bzw. Betrieb/Berufs­gruppe wird immer eine Person auf die höhere Ebene delegiert. Geht man jedoch davon aus, dass es verschiedene Vorstellungen von Grundwerten und Konzepte vom guten Leben gibt. Und setzt man ferner voraus, dass in einem Gemeinwesen Menschen mit verschiedenen Vorstellungen von Grundwerten leben, so wird das obige Delegations­prinzip höchst fragwürdig. Nehmen wir an, dass eher liberale und eher konservative Vorstellungen in einer anarchischen Gesellschaft im Verhältnis 80/20 vorkommen. Nehmen wir weiterhin an, dass ihre politischen Auffassungen nicht das Hauptkriterium dafür darstellen, mit welchen Menschen sie zusammen­arbeiten und in welchen Nachbarschaften sie wohnen. So folgt daraus, dass bei Anwendung des Rätemodells auf der ersten Delegations­stufe die konservative Minderheit nur sehr selten einen Vertreter in den Rat entsenden können wird. Auf der zweiten Delegations­ebene wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Vertreter der Minderheit mehr geben. Das ist aber für ein demokratisches Modell völlig unakzeptabel. Die öffentliche Artikulation der Auffassung von Minderheiten und ihr Zugang und Mitarbeit in allen Entscheidungs­organen ist eine demokratische Notwendigkeit. Um diesen Makel auszugleichen, müsste ein demokratisches Rätemodell also um einen partei­ähnlichen Zugangsweg zu den Räten auf höherer Ebene ergänzt werden. Damit würde das Rätemodell einen Parteimodell jedoch sehr ähnlich. Parteien und Verhältnis­wahlrecht bieten die Möglichkeit, Minderheiten auch auf der höchsten Repräsentations­ebene zu vertreten. Parteien ermöglichen ferner die Diskussion einer Gruppe von halbwegs weltanschaulich konvergenten Politiken auf einer in etwa übereinstimmenden normativen Grundlage. Auf diese Weise werden umfassende Politikentwürfe in die Öffentlichkeit gebracht, die ohne Parteien kaum so klar zur Wahl stünden. Politische Dezentralisierung, inner­parteiliche Demokratisierung des Parteienwesens, Übertragung von Kompetenzen an konkurrierende Assoziationen sowie Einführung direkt­demokratischer Elemente führen zu demokratischeren Ergebnissen als die Abschaffung des Parlamentarismus.

Nur in kleinen Gruppen mit ähnlichen Grundwerten kann ein abgemildertes Konsens­verfahren der bestmögliche Kompromiss zwischen verschiedenen Entscheidungs­verfahren sein.

3. Anarchistische Gestaltung des Wirtschaftslebens funktioniert nicht oder wird tyrannisch.

Doch nicht nur in der politischen Sphäre kommt die anarchistische Ideologie in Begründungsnot. Auch bei der Frage der Neuorganisation komplexer Wirtschafts­systeme weisen einschlägige anarchistische Ordnungs­modelle erhebliche Defizite auf. Es gibt drei Wege ökonomischer Steuerung mit ihren jeweiligen Instrumenten: Planung (Planerische Allokation von Ressourcen, Märkte (Angebot und Nachfrage steuern über Preise) und Netzwerke (Vereinbarungen). Für eine Gesellschaft mit niedrigem technologischem Stand, stehen alle drei Optionen mit verschiedenen Vor- und Nach­teilen zur Verfügung. Geht man jedoch von einem höheren technologischem Entwicklungs­stand aus, so scheidet die Option der Netzwerke als alleinige Steuerungs­methode aus. Zu komplex und zahlreich sind die zu treffenden Vereinbarungen, damit etwas gut Funktionierendes dabei herauskommt. Dies wäre nur dann zu vermeiden, wenn alle Menschen freiwillig bereit wären, sich sozialistischen Groß­gemeinschaften anzuschließen, die so weit autark wirtschaften können, dass die Zahl der notwendigen wirtschaftlichen Entscheidungen stark reduziert wäre. Diese Annahme schränkt aber die möglichen Lebensformen unzumutbar und unrealistisch ein. Auch normativ wäre dies gar nicht wünschenswert. Besteht doch die Schönheit moderner Gesellschaften in ihrer Vielfalt und Pluralität. Eine homogenisierende Utopie kann keine wünschenswerte Utopie sein.

Mit den Optionen Markt und Plan konfrontiert, sieht sich die anarchistische Theorie vor einem Dilemma: Entweder muss die freie wirtschaftliche Aktivität beschränkt werden (Plan) oder Märkte reguliert werden. Denn Märkte ohne Regulation sind tyrannisch. Die Externalisierung von gesellschaftlichen Kosten, die Tendenz zu starker sozialer Ungleichheit, die Wechsel von Rezession und Boom, usw. sind kaum hinzunehmen. Darüber hinaus basieren Märkte auf Vertrags­sicherheit und gemeinsam genutzter Infrastruktur (Verkehrssysteme, etc.). Beides zu gewährleisten, fällt unter ausschließlich anarchistischen Verhältnissen schwer. In vielerlei Hinsicht ähneln anarchistische Wirtschafts­utopien ihrem hässlichen Verwandten - dem wirtschaftlichen Liberalismus.

4. Bedingungslose soziale Grundsicherung für jeden Menschen ist ohne Staat kaum denkbar

Soziale Sicherheit gibt es bei individualistisch orientierten anarchistischen Theorien nicht und beruht bei kollektivistisch orientierten Ansätzen auf der Mitgliedschaft in Gemeinschaften. Da eine übergeordnete Institution fehlt, hängt das Wohl und Wehe des nicht leistungs­fähigen Individuums immer an der Akzeptanz in einer Gemeinschaft. In Konflikt mit Recht und Gesetz, Familie oder Kirche zu kommen, wurde in der Geschichte schnell existenz­bedrohend. Der Sozialstaat ist dagegen ein historischer Fortschritt. Er bietet eine grundsätzlich bedingungslose Grundsicherung für alle Bürger.

5. Strafe braucht die Möglichkeit des Zwangs

Auch im Rechtssystem sind viele Fragezeichen angebracht. Viele Anarchisten schlagen den Ausschluss als legitime Konsequenz gesellschaftlichen Fehlverhaltens vor. Die Ausübung von direktem Zwang wie Gefängnis oder Geldstrafe wird abgelehnt. Doch wem ist durch herumziehende 'Outlaws' geholfen? Gibt es nicht Menschen, vor denen die Gesellschaft, nicht nur die eigene Gemeinschaft geschützt werden muss und die selbst Hilfe benötigen und dazu gezwungen werden müssen?

Sicher ist unser Strafsystem extrem fragwürdig, doch völlig auf Zwang zu verzichten, führt ebenfalls zu schlechteren Ergebnissen als durch intelligente Reformen des Strafvollzugs möglich.

– Sven Giegold[1]

Einzelnachweise

  1. Pdf-icon-extern.svg Essay Anarchismuskritik[ext] - Sven Giegold, 26. Februar 2010 (4 Seiten)

Querverweise